Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Oskar überlegte kurz, ob er sich stur stellen sollte, verzichtete dann aber darauf. Diesen Machtkampf würde er auf jeden Fall verlieren.
Ein schmatzender Kuss hallte durch den Flur. Einen Moment lang lächelte Lenni ihren Galan verliebt an. Doch Oskars Glück sollte nicht von langer Dauer sein. Das Schlagen der Kirchenglocke riss sie aus ihren Gedanken.
»Was ist jetzt? Kommst du nun oder nicht.«
Oskar unterdrückte ein Seufzen.
»Ich komm später nach. Zuerst mal brauch ich einen Kaffee.«
»Gut.« Lenni war einverstanden. »Ich warte im Kiosk auf dich.« Sie wirbelte aus der Küche, und nur eine Minute später fiel die Haustür ins Schloss.
Anneka, die eben im Schlafanzug heruntergekommen war, zuckte zusammen.
»Was macht ihr denn für einen Lärm?«, fragte sie verschlafen.
Oskar sah sie fragend an.
»Nanu, junge Frau, was machst du denn noch hier? Musst du nicht zur Arbeit?«
»Ich hab heute frei genommen, weil Noah und ich doch Jahrestag haben.« Barfuß schlurfte sie durch die Küche Richtung Thermoskanne. »Ich will mich richtig hübsch machen. Umhauen soll es ihn. Dafür brauche ich Zeit.« Sie hielt die Kanne hoch. »Willst du auch Kaffee?«
»Sehr gern.« Er sah ihr dabei zu, wie sie zwei Becher einschenkte. »Wenn’s ums Hübschsein geht, könntest du dich sofort mit ihm treffen. Du siehst bezaubernd aus. Wie immer.«
Annekas Wangen färbten sich zartrosa.
»Du bist so süß.« Sie stellte den Kaffee vor ihm auf den Tresen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Wenn du jünger wärst, würde ich dich sofort heiraten.«
»Gut, dass das nicht Noah hört«, feixte er. Er trank einen Schluck und sah Anneka über den Tassenrand hinweg an. »Kann es sein, dass du nicht gerade glücklich bist?«, fragte er vorsichtig.
»Kommt ganz drauf an, wie das heute läuft. Ich habe einen Tisch beim Italiener reserviert. Als Überraschung.«
Kritisch zog Oskar eine Augenbraue hoch.
»Früher waren Überraschungen Aufgabe des Mannes.«
Anneka lachte unfroh.
»Frau sein ist heutzutage echt nicht leicht. Wir müssen denken wie ein Mann, uns geben wie eine Dame, aussehen wie ein Filmstar und arbeiten wie ein Pferd. Das ist doch irgendwie alles ungerecht«, machte sie ihrem Unmut Luft. »Noah dagegen kommt heim, jammert über den anstrengenden Arbeitstag und hat zu nichts mehr Lust.« Sie sah Oskar fragend an. »Das kann doch nicht alles gewesen sein.«
»Da geb ich dir völlig recht.« Unwillkürlich musste er an Lenni denken. Ob sie auch so über ihn sprach?
»Es kommt wohl darauf an, den goldenen Mittelweg zu finden.«
Anneka hatte die Ellbogen auf den Tresen gestützt, die Finger um den Kaffeebecher gelegt und starrte missmutig vor sich hin.
»Aber ich kann doch nicht immer nur nachgeben, damit er zufrieden ist. Er muss schon auch mal das tun, war mir Spaß macht.«
»Kompromisse schließen heißt das Zauberwort.« Oskar kannte die Lösung und fragte sich, warum man bei anderen immer klarer sah als bei sich selbst. »Wenn er partout nicht auf deine Wünsche eingehen will, ist er wohl der Falsche.«
Anneka saß neben Oskar. Sie drehte den Kopf und sah ihn von der Seite an.
»Dann ist es nicht nur eine schlechte Phase, die vorbeigeht, wie Tatjana meint?«, fragte sie vorsichtig.
Oskar wollte ihr nicht weh tun. Lügen wollte er aber auch nicht.
»Weißt du«, seufzend legte er den Arm um ihre Schultern, »manchmal entwickelt man sich einfach in verschiedene Richtungen. Das ist niemandes Schuld, keiner kann was dafür. Dann darf man sich das Leben nicht gegenseitig schwer machen, sondern muss die Konsequenzen ziehen und gehen.« Er lauschte dem Nachhall seiner Worte. »Das sind zumindest die Erfahrungen eines alten Mannes!«
Anneka hatte den Kopf wieder über die Kaffeetasse gesenkt.
»Und was ist mit Lenni und dir?« Sie schien seine Gedanken lesen zu können. »Passt ihr auch nicht zusammen?«
Über diese Frage musste Oskar nicht lange nachdenken.
»O doch. Sie ist genau das richtige Rezept, um mich auf Trab zu halten. Wer rastet, der rostet. So sagt man doch. Und für Rost bin ich eindeutig noch zu jung.«
Anneka lachte nur kurz mit ihm.
»Sag das mal Noah!«, seufzte sie dann aus tiefstem Herzen.
*
Schneller als erwartet wurde es Zeit zum Aufbruch in die schlichte Kirche am anderen Ende der Stadt. Fee kam zeitig. Sie nahm in einer der Bänke Platz und sah sich um. Hier und da entdeckte sie ein bekanntes Gesicht und grüßte matt lächelnd oder mit einem Nicken hinüber. Sie war so beschäftigt mit ihren Beobachtungen, dass sie nicht bemerkte, wie jemand neben sie auf die Bank rutschte.
»Ich hatte so gehofft, dass du kommst«, raunte ihr eine Männerstimme ins Ohr.
Zu Tode erschrocken fuhr sie herum. Selbst nach so langer Zeit erkannte sie diese Augen sofort. Schmal und grün, mit einem Stich ins Braune, überwölbt von markanten Augenbrauen.
»Eugen.«
In seinen Ohren klang ihre flüsternde Stimme fast zärtlich.
»Felicitas. Ich hatte gehofft, dass ich dich heute hier treffen würde. Wie geht es dir?«
In diesem Moment trat ein Redner vor die Trauergemeinde. Mit einem Nicken deutete Fee auf ihn und legte den Zeigefinger auf die Lippen. Eugen lächelte und schwieg.
Froh um diesen Aufschub konzentrierte sie sich auf die Reden der Menschen, die ihrer Studienfreundin nahe gestanden hatten. Doch ihre Gedanken schweiften ständig ab zu Ilonas Bruder. Er saß so dicht neben ihr, dass sie seine Wärme spürte. Unwillkürlich erinnerte sie sich an die gemeinsame Zeit, an die Abende bei Lagerfeuer an der Isar, die Partys im Studentenwohnheim, die Ausflüge in die Berge, Hüttennächte mit Gitarre und schiefem Gesang. Als sie einen sanften Schubs fühlte, kehrte sie blitzartig in die Wirklichkeit zurück. Die Feier war beendet. Ein Raunen und Füßescharren ging durch die Kirche, als sich die Trauergäste erhoben.
»Willst du noch bleiben?« Eugen stand neben ihr und sah freundlich auf sie hinab.
»Nein. Natürlich nicht.« Schnell erhob sich Fee und folgte ihm. Den Weg nach draußen nutzte sie für kurze Gespräche mit ehemaligen Weggefährten.
Auch Eugen unterhielt sich, schüttelte Hände und nahm Beileidsbekundungen entgegen. Schließlich blieb er allein draußen stehen und wartete auf Fee.
»Ich schäme mich ein bisschen, dass ich an unsere gemeinsame