Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg Familie Dr. Norden

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gewöhnt sich an alles.« Anneka drehte das Glas in den Händen. »Und ich hab ja auch noch ein Ziel. Später will ich mal in Richtung Traumatherapie für Jugendliche gehen. Die Psyche hat mich schon immer interessiert.« Sie spürte, wie Jakob seine Hand auf die ihre legte. Eine Geste, die ihr Herz berührte. Genau wie seine warme Stimme, als er fragte:

      »Und wo bleibst du bei all dem?«

      Diese Frage hatte ihr Noah noch nie gestellt.

      »Ich?« Darüber musste Anneka zuerst nachdenken. »Ich würde wirklich gern ins Ausland gehen. Meine Einrichtung hat eine Partnerschaft mit einem Kindergarten in Auckland. Das würde mich schon reizen …«

      »Neuseeland!« Unwillkürlich begannen Jakobs Augen zu glänzen. »Ich hab neulich eine Reportage gesehen. Die Natur dort ist einzigartig. Da leben Tierarten, die gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Und die Neuseeländer haben sensationelle Artenschutzprogramme auf die Beine gestellt …« In seiner Begeisterung griff er auch noch nach ihrer zweiten Hand … »O Mann, wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sofort da hingehen.«

      Anneka starrte ihn fasziniert an. Wieder musste sie an Noah denken. Der hatte diese Gelegenheit mit einer müden Geste abgetan.

      »Was willst du denn ganz allein da?«, hatte er gefragt. »Ich hab keine Lust, ein langes Jahr auf dich zu warten.« Damit war das Thema für ihn und somit auch für Anneka erledigt gewesen. Bis sie in Jakobs leuchtende Augen blickte.

      »Du hast recht, vielleicht sollte ich noch einmal drüber nachdenken«, räumte sie ein, als ihr Blick auf die Uhr an der Wand hinter Jakob fiel. »Ach du liebe Zeit, schon so spät!« Erschrocken entzog sie ihm ihre Hände. »Ich muss los!« Sie sprang vom Stuhl auf und schlüpfte in die Jacke. Dann blieb sie am Tisch stehen und sah zu ihm hinunter. »Vielen Dank für diesen wunderschönen Abend. Ich hab mich schon lang nicht mehr so gut unterhalten.«

      Bedauernd erhob sich Jakob. Auge in Auge standen sie sich gegenüber.

      »Ich wünschte, er wäre noch nicht vorbei«, raunte er ihr zu, während er eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht strich.

      Anneka schluckte.

      »Ich auch«, gestand sie leise und wand sich vor Verlegenheit. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen, aus Angst davor, schwach zu werden. Stattdessen starrte sie ein Loch in seine Brust. »Aber es geht nicht anders. Immerhin hab ich ja auch noch einen Freund. Auch wenn’s nicht unbedingt gut läuft zwischen uns. Deshalb will ich fair sein. Nicht nur zu ihm. Auch zu dir.«

      »Verstehe.« Jakob rang sich ein Lächeln ab. »Du bist ein tolles Mädchen.« Er beugte sich vor und wollte ihr einen Abschiedskuss auf die Wange geben, als ein Kellner eine Gabel fallen ließ. Klappernd fiel das Besteck zu Boden. Anneka zuckte zusammen. Sie drehte den Kopf ein winziges Stück zur Seite, und Jakobs Lippen trafen die ihren. Im ersten Moment erstarrte sie, konnte der Versuchung aber nicht lange widerstehen. Magisch angezogen von diesem weichen Mund, dem ganzen betörenden Mann, küsste sie ihn zurück. Er löste sich sanft von ihr, sie lächelten sich an. Auf einmal waren alle Zweifel wie fortgeblasen. Anneka hob den Kopf. Diesmal war sie es, die ihn küsste.

      Im Anschluss musterte Jakob sie mit einer Mischung aus Verlangen und Zurückhaltung.

      »Weißt du denn, was du da tust?«, fragte er heiser und legte die Arme um ihre Schultern.

      Die Antwort war ein weiterer Kuss. Diesmal blieben keine Fragen offen.

      *

      Zunächst konnte Dr. Daniel Norden das Geräusch nicht einordnen, das ihn im Morgengrauen weckte. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass es sein Handy war, das unbarmherzig vor sich hin klingelte. Bedauernd blickte Daniel hinab auf die schlafende Frau in seinem Arm. Er küsste Fee sanft auf die Stirn, ehe er sich aus ihrer Umarmung stahl. Mit dem Telefon in der Hand schlich er aus dem Zimmer.

      »Matthias, bist du aus dem Bett gefallen?«, fragte er, während er die Treppe hinunterging.

      »Schön wär’s! Leider war ich gar nicht erst drin.« Die Stimme des Kollegen klang müde. »Heute Nacht war die Hölle los.«

      »Kein Wunder. Es ist Vollmond.« Daniel stand im düsteren Wohnzimmer am Fenster und blickte hinaus in den Garten, der vom ersten Tageslicht beschienen wurde. Ein blasser Mond starrte gespenstisch hinab auf die Erde.

      »An so was glaub ich nicht.«

      »Bestimmt rufst du mich nicht an, um mit mir über astronomische Phänomene und ihre Auswirkungen auf die menschliche Psyche zu diskutieren«, mutmaßte Daniel und wandte sich vom Fenster ab.

      »Stimmt auffallend.« Matthias lachte kurz auf. »Ich soll dir schöne Grüße von einem deiner Patienten sagen. Arno Müller ist Zeitungsausträger und heute früh mit dem Fahrrad gegen eine Laterne gefahren. Er besteht darauf, dass du seine gebrochene Nase einrichtest. Von mir will er sich partout nicht anfassen lassen. Ich hab alles versucht.«

      Erleichtert atmete Dr. Norden auf. Er hatte mit Schlimmerem gerechnet.

      »Ich wusste ja gar nicht, dass ich so einen Fan habe«, erwiderte er. »Sag ihm, dass ich in einer Viertelstunde da bin.«

      »Bei der Gelegenheit kannst du bei Tatjana in der Backstube vorbeifahren und ein paar frische Brezen mitbringen. Nach der Nacht hab ich mir eine Belohnung verdient«, erklärte Matthias noch, ehe er sich verabschiedete und Daniel sich daran machte, sein Versprechen einzulösen.

      Zwanzig Minuten später tauchte er in der Notaufnahme auf. Als er den Kollegen Weigand fand, schwenkte er die Tüte aus der Backstube wie eine Trophäe über dem Kopf hin und her. Ein Leuchten erhellte Matthias‘ übernächtigtes Gesicht.

      »Der Retter in der Not!«, begrüßte er Daniel und winkte ihn mit sich. Gemeinsam wanderten sie durch die Notaufnahme, in der es um diese Uhrzeit ruhig war. Die meisten Dramen spielten sich bis kurz vor Morgengrauen ab. »Zeit für einen Kaffee?«

      »Ich seh zuerst nach meinem Patienten.«

      »Herr Müller ist eingeschlafen.« Matthias blieb neben einer Tür stehen und hob den Zeigefinger. Dr. Norden lauschte. Tatsächlich drang lautes Schnarchen auf den Flur.

      »Klingt, als zersägt er einen ganzen Wald«, grinste Daniel. »Bestimmt ist seine Frau froh, wenn er mitten in der Nacht das Haus verlässt«, mutmaßte er amüsiert und folgte Dr. Weigand in den Aufenthaltsraum. Verführerischer Kaffeeduft zog durchs Zimmer.

      Zielstrebig ging Matthias auf die Schränke zu und nahm zwei Tassen und Teller heraus. Im Kühlschrank fand sich ein Stück Butter und eine angebrochene Packung Milch.

      »Nicht gerade ein First-Class-Frühstück, aber immerhin.« Sie setzten sich an den Tisch und ließen sich Butterbrezen und Kaffee schmecken, während sie über dies und das plauderten.

      »Wenn Fee mich so sehen würde, wäre sie sicher sauer«, bemerkte Dr. Norden launig und biss in seine Breze. »Sie wollte mich nicht gehen lassen.«

      Matthias verdrehte die Augen. Mit zunehmender Verzweiflung war der gutaussehende Single auf der Suche nach einer Frau.

      »Musst du mir dauernd unter die Nase reiben, wie schön es sein kann zu zweit?«, fragte er halb im Scherz, halb ernst. Ehe Daniel etwas erwidern konnte, fuhr er fort. »Apropos Fee. Sie wird sich freuen zu hören, dass ihr Jugendfreund die Nacht gut überstanden hat.«

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