Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Es wird nichts sein, Herr Doktor.«
»Das walte Gott.«
*
Als Armgard in Begleitung des Arztes das Wohnzimmer betrat, wo im Kamin ein helles Feuer prasselte, kamen ihr zwei Menschen entgegen, die ihr als Kapitän Fröke nebst Gattin vorgestellt wurden. Er so der richtige Seemann, groß, breit, mit wetterhartem Gesicht und durchdringenden hellen Augen, sie mittelgroß, rundlich, rosig, lieb und mütterlich, von pomadiger Ruhe und trockenem Humor.
»Aber das ist ja ein Tausendschönchen«, brummte ein gemütlicher Baß. »Daran wird der Großpapa aber Spaß haben. Wie geht es ihm?«
»Er schläft nun endlich«, antwortete der Arzt. »Der Anblick des Tausendschönchens hat bei ihm Wunder gewirkt.«
»Na also«, schmunzelte der Seebär. »So was muß ja selbst den Klabautermann entzücken.«
Da lachte Armgard, frisch, froh, die blauen Augen lachten mit und schon flogen ihr drei Herzen ganz spontan entgegen. Man nahm am Kamin in den Sesseln Platz, zwischen denen ein Tischleindeckdich stand. Fleischsalat, delikate Schnitten; steifer Kaffee, dickflüssige Sahne, so recht was für einen hungrigen Magen.
Und hungrig waren sie alle, da der Magen leer war. Armgard hatte die aufregende Reise den Appetit genommen, den anderen die Sorge um den Kranken. Doch nun sie wieder hoffen konnten, spürten sie den Magen, der energisch sein Recht verlangte, und aßen sich so richtig satt. Danach griff der Arzt zur Zigarre, der Kapitän zur Pfeife, und seine Frau schob Armgard das goldgetriebene Kästchen mit Zigaretten hin.
»Mal ausnahmsweise«, sagte sie und griff hinein. »Ich bin nämlich das, was man eine Sonntagsraucherin nennt.«
Als das verschiedene gute Kraut brannte, erschien Elsbeth mit einem Kühler, aus dem zwei Flaschenhälse ragten, stellte Gläser bereit und räumte den Tisch ab. Nachdem sie gegangen war, ließ der Kapitän den Pfropfen knallen, und man stieß auf das neue Jahr an.
»Kein guter Anfang für Sie«, sagte Frau Fröke mitleidig zu Armgard. »Und das Ende des vergangenen Jahres war auch kein gutes, da Sie es bei Wind und Wetter beschließen mußten. Wie konnte es überhaupt kommen, daß der Zug zwei Stunden Verspätung hatte?«
»Weil er erstens mit großer Verspätung auf der Station, wo ich umsteigen mußte, ankam, und dann während der Fahrt zweimal steckenblieb. Als er ausgeschaufelt war, fuhr er zwar weiter, konnte jedoch das gewohnte Tempo nicht einhalten, da die Gleise verschneit waren. Vielleicht hätte diese Reise mit Hindernissen mir sogar Spaß gemacht, wenn in mir nicht die Unruhe und der Zweifel gewesen wären, daß es wirklich mein Großvater sei, zu dem man mich rief.«
»Das kann man verstehen«, nickte Fröke. »Hm, na ja, wer erzählte Ihnen eigentlich, daß Ihr Großvater tot sei?«
»Meine Mutter.«
»Wann war das?«
»Vor ungefähr zwei Jahren.«
»Wir wollen jetzt Schluß machen«, schaltete Frau Fröke sich ein. »Fräulein Armgard ist müde und muß ins Bett…«
»Nein!« winkte sie entschieden ab. »Ich könnte ja doch nicht schlafen, bevor ich nicht weiß, wie alles zusammenhängt. Ich fürchte, man hat mich schmählich betrogen, aber warum? Das muß unbedingt noch geklärt werden, sonst habe ich keine Ruhe. Wollen Sie bitte Fragen stellen, die ich ohne Vorbehalt beantworten werde?«
»Tja, das ist nicht so einfach«, wich Fröke aus.
»Warum nicht, etwa wegen meiner Mutter?«
»Allerdings. Was machen wir da, Lottchen?«
»Zuerst müssen wir von Fräulein Armgard erfahren, was Sie überhaupt von ihrem Großvater weiß. Sprechen Sie unbesorgt, Kindchen. Sie befinden sich unter Menschen, die mit Ihrem Großvater gute Freundschaft halten. Was hier besprochen wird, bleibt selbstverständlich unter uns.«
Da sprach Armgard sich so richtig das Herz frei, und erschüttert hörte man zu. Als sie schwieg, wischte das weichherzige Lottchen sich die Tränen aus den Augen.
»Daß Gott erbarm, so ein junges Blut«, sagte sie mit vibrierender Stimme. »Die kranke Mutter betreuen, den Haushalt besorgen, dazu noch viel lernen und das schwere Examen bestehen. Hatten Sie wenigstens genügend Geld zum Leben?«
»Für mich allein wäre es reichlich gewesen, aber ich mußte ja noch meine Mutter mitunterhalten. Zwar hatte sie die Pension, doch da sie sehr anspruchsvoll war, kam sie nie damit aus, zumal Arzt und Medikamente viel Geld kosteten. Außerdem trank sie, wozu ich ihr natürlich nicht verhalf. Sie muß jemand gehabt haben, der sie mit Alkohol versorgte, wenn ich am Vormittag im Labor war.
Gern hätte ich sie in ein Sanatorium gegeben, aber dafür reichte das Geld nicht aus.
Daß sie nun so armselig leben mußte, daran gab sie ihrem Vater die Schuld, der Frau und Kind gewissenlos verließ und mit einer anderen durchging.«
»Durchging?« wiederholte Fröke verständnislos. »Ja wissen Sie denn nicht, daß Ihr Großvater sich von seiner Frau scheiden ließ?«
»Nein. Wann soll das gewesen sein?«
»Vor fünf Jahren, als er dieses Haus gekauft hatte.«
»Aber meine Mutter schrieb mir doch, gerade an dem Tag, da ich das Abitur bestanden hatte, daß der Verrat meines brutalen Großvaters seiner sensiblen Frau das Herz brach, so daß sie bald darauf starb.«
»Auch das noch.«
»Stimmt es denn nicht?«
»Nein und das wohl nicht allein.«
Mein Gott, was werde ich denn noch alles zu hören bekommen?«
»Sie brauchen es ja nicht«, begütigte Frau Fröke, doch da begehrte das Mädchen auf:
»Ich will es aber wissen! Alles, bis ins kleinste. War mein Großvater schon frei, als er mit der anderen Frau…?«
»Schon längst, sonst hätte er sie ja gar nicht heiraten können.«
»Er, er hat noch einmal geheiratet?« stammelte das Mädchen mit zuckenden Lippen. »Wo ist denn jetzt seine Frau?«
»Er hat sie vor zwei Wochen auf dem Dorffriedhof hier begraben lassen«, sprach nun der Arzt, der sich Sorge machte. »Das war ihr Wunsch, dem er natürlich nachkam. Und nun wollen wir es genug sein lassen. Es ist für Sie schwer genug, was Sie bisher zu hören bekommen haben, mehr können Sie heute nicht verkraften. Sonst klappen Sie womöglich noch zusammen und das darf wegen Ihres Großvaters nicht sein.«
»Keine Angst, so leicht mache ich nicht schlapp«, beruhigte sie. »Das habe ich bei dem zermürbenden Leben, das ich bei meiner Mutter führte, mehr als einmal bewiesen. Weshalb mag meine Mutter ihren Vater so sehr gehaßt haben?«
»Weil sie bald nach dem Tode ihres Gatten