Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Wie konnte das passieren?« fragte Jenny fassungslos.
»Ich habe ihm nichts getan«, wimmerte Jana.
»Das glaube ich dir«, versuchte Jenny sie zu beruhigen. »Hast du eine Vorstellung davon, was geschehen ist?«
Jana schüttelte den Kopf und putzte sich die Nase. Ihrem Gesichtsausdruck sah man an, daß sie mit sich kämpfte.
»Du mußt mit uns sprechen. Jana. Hab’ keine Angst, es wird die nichts passieren.«
»Ich glaube, daß Dominik geschlagen wird«, stieß sie auf einmal hervor.
Manfred Steffens starrte seine Tochter ungläubig an.
»Seit wann hast du den Verdacht?« fragte er heiser.
»Schon länger. Ich wollte mit niemandem darüber sprechen, bevor ich mir nicht sicher bin.«
»Das ist ein schwerer Verdacht.«
»Ich weiß. Deshalb habe ich ja nichts gesagt. Nur mit Danny Norden hab’ ich einmal darüber geredet.« Jana stiegen erneut die Tränen in die Augen.
»Meine erste Vermutung war auch, daß das Kind mißhandelt wurde«, bestätigte Jenny zu Manfred Steffens gewandt. »Es war richtig von Ihnen, mit dem Kleinen hierher zu kommen.«
Schließlich brachte die Schwester die Röntgenaufnahmen, gefolgt von dem Arzt, der Jenny beiseite nahm und mit einem ernsten Gesichtsausdruck mit ihr sprach. Diese nickte hin und wieder und wandte sich dann Jana und Manfred Steffens zu.
»Dominik hat einen ausgerenkten Arm. Außerdem haben wir eine Schädelfraktur festgestellt und einen alten Bruch am Schienbein. Das Kind wird vermutlich seit langem schwer mißhandelt.«
»Das ist ja grauenvoll«, sagte Manfred Steffens mit rauher Stimme.
»Leider kommt es heutzutage immer noch öfter vor, als man denkt«, bemerkte Jenny. »Wir behalten Dominik hier und versorgen ihn ärztlich. Den Arm renke ich gleich ein, das ist normalerweise eine Kleinigkeit. Vorher erhält er ein geeignetes Schmerzmittel, damit er nicht mehr leiden muß. Mit der Mutter wird sich die Polizei in Verbindung setzten.«
»Wird Dominik wieder gesund?« schluchzte Jana.
»Mach dir keine Sorgen. Körperlich wird er wieder ganz gesund werden. Ob er seelische Schäden davonträgt, kann ich jetzt noch nicht sagen. Auf jeden Fall muß dafür gesorgt werden, daß ihm kein Leid mehr zugefügt wird.«
»Kann ich ihn besuchen?«
»Das wird die Polizei entscheiden, die sicher mit dir sprechen will. Aber ich glaube schon.« Aufmunternd lächelte Jenny Jana an, die sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. »Morgen früh sollten Sie sich bei der Polizei melden. Ich setze mich heute schon mit der zuständigen Stelle in Verbindung. Wenn Sie mir bitte Ihre Adresse und die der Mutter geben«, sagte sie zu Janas Vater. Er entnahm seiner Brieftasche eine Visitenkarte und notierte auf der Rückseite die Anschrift, die Jana ihm nannte. Dann reichte er Jenny die Karte und verabschiedete sich. Jenny blickte Vater und Tochter nach, wie sie Arm in Arm die Klinik verließen. Es war ein tröstlicher Anblick. Dann machte sie sich auf den Weg, um nach Dominik zu sehen.
Von all der Aufregung hatte Nicola Brandon natürlich nichts mitbekommen. Sie hatte sich den ganzen Tag über sehr ruhig verhalten, denn sie wollte unter gar keinen Umständen auffallen. Als Sarah zu Besuch kam, gab sie vor, sehr müde zu sein, so daß ihre Tochter die Klinik bald wieder verließ.
Martin Sassen erkundigte sich telefonisch nach seiner Mandantin und stellte zufrieden fest, daß sie einen sehr guten Eindruck machte, was auch Daniel Norden nur bestätigen konnte. Niemand ahnte etwas von Nicolas großer Verzweiflung, die sie geschickt vor allen verbarg. Und doch richtete sich ihr ganzes Denken auf die Nacht, in der sie ihren Plan endlich ausführen konnte. Ungeduldig schaute sie immer wieder auf die Uhr und sah zu, wie dieZeit verrann. Es wollte und wollte nicht später werden. Mehr als einmal seufzte sie tief, bis ihr eine Idee kam. Sie ließ sich Papier und Stift von einer Schwester bringen und verbrachte lange Zeit damit, einen Brief zu schreiben. Endlich schien sie mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Sorgfältig faltete sie das Blatt zusammen, schrieb einen Namen darauf und verstaute ihn in der Schublade ihres Nachtkästchens. Erschöpft lehnte sich Nicola in die Kissen zurück und lächelte zufrieden. Nun mußte sie nur noch abwarten, daß es Nacht wurde und Ruhe in der Klinik einkehrte. Mit diesem Gedanken schlief sie schließlich ein. Sie erwachte auch nicht, als die Schwester ihr das Abendessen brachte. Diese stellte das Tablett leise ab, um die Patientin nicht zu stören und zog behutsam die Vorhänge zu.
Nicola schreckte aus einem bösen Traum hoch und schaute sich verwirrt um. Ihr Zimmer war nur schwach beleuchtet, und es herrschte gespenstische Stille um sie herum. Endlich konnte sie sich wieder erinnern. Sie schlug die Bettdecke zurück und setzte sich vorsichtig auf. Als ihre nackten Füße den kalten Boden berührten, zuckte sie erschrocken zurück, stand dann aber entschlossen auf. Zufrieden stellte sie fest, daß die Wirkung der Medikamente endlich nachgelassen hatte. Ohne Schwindelgefühl konnte sie auf und ab gehen, und es strengte sie auch nicht zu sehr an. Nachdem sie sich angezogen hatte, öffnete sie leise die Schranktür und holte ihre kleine Reisetasche hervor, die Sarah ihr am Tag zuvor mitgebracht hatte. Schnell waren ihre persönlichen Dinge eingepackt. Während sie ihren Mantel zuknöpfte, sah sie sich noch einmal um, ob sie auch nichts vergessen hatte. Da fiel ihr der Brief ein, der immer noch in der Schublade des Nachttischs lag. Leise holte sie ihn hervor und legte ihn sorgfältig auf das Kopfkissen ihres Bettes. Dann nahm sie die Reisetasche in eine und ihre Handtasche in die andere Hand und öffnete behutsam die Zimmertür.
Erleichtert stellte Nicola fest, daß das Schwesternzimmer am anderen Ende des schwach beleuchteten Ganges lag. Sie konnte leise Stimmen hören, es war jedoch niemand zu sehen.
Schnell huschte sie um eine Ecke und befand sich kurz darauf vor einem Aufzug. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie sich in die Parkgarage fahren ließ. Ihre Flucht aus der Klinik schien geglückt zu sein. Auch in der Parkgarage traf sie keine Menschenseele. Es schien, als würde alle Welt schlafen.
Endlich trat sie hinaus in die kühle Nachtluft und erschauerte. Sie blieb einen Moment stehen und hielt ihr erhitztes Gesicht in den Nachtwind. Dann sah sie sich suchend um und entdeckte nicht weit entfernt einen Taxistand. Der freundliche Taxifahrer brachte Nicola wie vereinbart zum Hauptbahnhof. Er wunderte sich kurz über den schweigsamen Fahrgast, denn es kam nicht oft vor, daß eine Frau mit Reisegepäck mitten in der Nacht ein Taxi suchte. Doch ungewöhnliche Dinge passierten zu häufig in seinem Berufsalltag, so daß er nicht lange darüber nachdachte.
Am Bahnhof angelangt, holte Nicola zuerst einmal einen Kofferkuli, auf dem sie ihre Reisetasche abstellte. Dann kaufte sie sich an einem Stand eine Tasse starken Kaffee und ein Sandwich. Ihre letzte Mahlzeit lag Stunden zurück, und endlich verspürte sie wieder Hunger. Es schien ein gutes Zeichen zu sein. Während ihres kleinen Imbisses genoß Nicola die Stimmung auf dem Bahnhof, auf dem es kaum Unterschiede zwischen Tag und Nacht zu geben schien. Menschen mit Rucksäcken auf den Schultern gingen an ihr vorüber und suchten das richtige Gleis, während andere sich an den zahlreichen Ständen mit Reiselektüre versorgten.
Trotz der späten Stunde wurde überall gelacht und gesprochen und vielen Menschen sah man die Freude über die bevorstehende Reise an. Schon immer hatte Nicola die eigenartige Stimmung auf großen Bahnhöfen geliebt, und sie hätte noch Stunden dem bunten Treiben zusehen können. Doch schließlich raffte sie sich seufzend auf und ging, den Kofferkuli schiebend, auf eine der großen Anzeigetafeln zu, die über