Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Ich kenne dich gut genug. Und seitdem meine Schwester ausgezogen ist, lebt Mutsch allein in dem großen Haus. Über ein bißchen Gesellschaft freut sie sich sicher.«
»Bist du sicher?« Sarah war immer noch skeptisch.
»Natürlich. Paß auf. Du rufst jetzt den Anwalt an und erklärst ihm das Verschwinden deiner Mutter. Inzwischen spreche ich mit Mutsch. Komm mit, ich zeige dir ein Zimmer, wo du ungestört telefonieren kannst.« Er nahm Sarah bei der Hand und zog sie mit sich.
Schnell war alles geklärt. Martin Sassen konnte Sarah, zumindest was ihre finanzielle Situation betraf, vorerst beruhigen. Eine Entscheidung, was nun mit der Firma ihres Vaters geschehen sollte, mußte erst in zwei Wochen endgültig gefällt werden. Bis dahin würde sich Nicola sicher gemeldet haben, dessen war sich Martin sicher. So wie er sie kennengelernt hatte, konnte er nicht glauben, daß sie eine leichtfertige Frau war. Dennoch war Martin froh, als Sarah erzählte, daß sie bei der Mutter eines Freundes wohnen konnte. Das würde ihre finanzielle Situation etwas entschärfen. Freimütig berichtete Sarah ihm von ihrer Bekanntschaft mit Sebastian Streidl, und Martin nahm sich vor, noch am selben Tag Erkundigungen über den jungen Mann bei Jenny Behnisch einzuholen.
Henriette Streidl, genannt Henni, war eine Frau Anfang Fünfzig, die mit beiden Beinen im Leben stand. Als ihr Mann vor zehn Jahren überraschend an einem Herzinfarkt starb, waren die beiden Kinder aus dem Gröbsten heraus. Schon damals bewohnten sie ein schönes altes Haus mit einem großen Garten, das seit Generationen in Familienbesitz war. Henni arbeitete seit Jahren sporadisch in einem kleinen Fotolabor in der Nachbarschaft, doch seit ihre Tochter Maria ausgezogen war, fühlte sie sich doch recht einsam in dem großen Haus. Ihr Sohn Sebastian bewohnte zwar das Dachgeschoß, doch als Assistenzarzt hatte er viele Dienste und war nur unregelmäßig zu Hause. So freute sie sich tatsächlich, als er anrief und fragte, ob eine Freundin für einige Zeit bei ihr wohnen könne. Voll Feuereifer machte sie sich an die Arbeit. Sie lüftete Marias Zimmer gründlich, bezog das Bett frisch und wischte den schönen alten Parkettboden. Schließlich stellte sie eine Vase mit frischen Blumen auf den kleinen Schreibtisch und betrachtete zufrieden ihr Werk.
Nachdem Sebastian mit seiner Mutter telefoniert hatte, war Sarah mit dem Zug ins Hotel gefahren, um ihre Sachen zu packen und auszuchecken. Dann wartete sie in der Hotelhalle, bis er seinen Dienst beendet hatte und sie abholte, um sie zu seiner Mutter zu bringen. Er hatte ihr vorsorglich nicht erzählt, daß er im selben Haus wohnte, da er Sarah nicht erschrecken wollte.
Henni begrüßte Sarah herzlich und führte sie gleich in ihr Zimmer, damit sie ihre Sachen auspacken konnte. Bis Sarah fertig war, nutzte Henni die Gelegenheit, um ein paar Sätze mit ihrem Sohn zu wechseln. Dieser erzählte offen, wie er Sarah kennengelernt hatte und gab seiner Mutter zu verstehen, wie gern er sie bereits hatte. Als Sarah fertig ausgepackt hatte, kam sie die Treppe herunter. Unsicher blickte sie sich um, in welches Zimmer sie gehen sollte und folgte dann den Stimmen.
Als sie das Wohnzimmer betrat, wurde sie bereits von Henni und Sebastian erwartet. Es gab Kaffee und frischen Kuchen, und Sarahs anfängliche Zweifel wurden spätestens jetzt zerstreut. Man unterhielt sich angeregt, und am Abend war klar, daß Henni und Sarah Freunde werden würden.
*
Der Zug München-Verona fuhr über eine Weiche, und Nicola wurde durchgeschüttelt. Dabei erwachte sie und blickte sich um. Am Fenster zogen hohe Berge vorbei, an deren Hängen malerische kleine Dörfer lagen. Der Morgen war bereits angebrochen und der Himmel wolkenverhangen.
Nicola streckte sich und rieb sich den schmerzenden Nacken. Sie saß allein in einem Abteil und genoß es, mit niemandem sprechen zu müssen. Jetzt stand sie auf und machte sich auf den Weg, um sich ein wenig frisch zu machen. Unterwegs traf sie einen Zugbegleiter und erkundigte sich, wie lange sie noch unterwegs sein würden.
Der junge Mann gab freundlich die gewünschte Auskunft, und nach einem Blick auf die Uhr stellte Nicola Brandon fest, daß sie noch genügend Zeit hatte, um im Zugrestaurant zu frühstücken. Dort angekommen, setzte sie sich an einen freien Tisch und bestellte Kaffee und ein Croissant. Langsam regten sich Gewissensbisse in ihr, daß sie ihre Tochter Sarah so allein in der fremden Stadt gelassen hatte. Dann kam ihr der Gedanke, daß vielleicht nach ihr gesucht wurde. Unsicher sah sie sich um. Es waren nicht viele Menschen im Speisewagen, und keiner schien auf Nicola Brandon zu achten. Kurz darauf kehrte sie in ihr Abteil zurück und fühlte sich immer noch unwohl. Da sie keine Lust hatte zu lesen, schaute sie aus dem Fenster und stellte fest, daß der Zug das Gebirgsmassiv verlassen hatte und durch eine flache Gegend fuhr. An der Vegetation konnte man erkennen, daß man sich jetzt sehr viel südlicher befand. Oleander wuchsen in der Nähe der Gleise, und die typischen Pinienwäldchen standen zwischen vereinzelten Häusern. Lange konnte die Fahrt nun nicht mehr dauern.
Tatsächlich meldete der Zugführer kurze Zeit später über Lautsprecher das bevorstehende Ende der Reise und bedankte sich bei seinen Gästen. Nicola Brandon wunderte sich, denn so etwas kannte sie nur von Flugreisen. Doch sie hatte nicht viel Zeit. Sie hob ihre Reisetasche aus dem Gepäcknetz, zog ihren Mantel an, obwohl inzwischen die Sonne schien und stellte sich erwartungsvoll auf den Gang. Trotz ihrer Gewissensbisse fühlte sie sich seltsam befreit. Alle Last schien von ihr gefallen zu sein.
Mit quietschenden Bremsen fuhr der Zug in den Bahnhof von Verona ein und hielt kurze Zeit später an. Die Türen öffneten sich, und Nicola Brandon stieg vorsichtig aus. Unschlüssig stand sie auf dem Bahnsteig und überlegte, in welche Richtung sie gehen mußte. Sie beobachtete die Menschen, die fröhlich lachend aus dem Zug ausstiegen und teilweise von Verwandten oder Freunden abgeholt wurden. Die fremde Sprache klang eigenartig in ihren Ohren, und plötzlich fühlte sie sich sehr einsam. Verloren sah sie sich um. Dann gab sie sich einen Ruck und folgte der Richtung, in der die meisten Menschen den Bahnhof verließen. Es war die richtige Entscheidung gewesen, denn als sie aus dem Bahnhofsgebäude ins Freie trat, sah sie gleich einen Taxistand. Während der Zugfahrt hatte sie lange Zeit darüber nachgedacht, wie das Hotel hieß, in dem sie früher mit David so glückliche Tage verlebt hatte, doch sie konnte sich nicht erinnern. So hatte sie beschlossen, sich mit dem Taxi an den Gardasee bringen zu lassen, um dann vor Ort eine Unterkunft zu suchen.
Erfreut stellte Nicola Brandon fest, daß der Taxifahrer sehr gut Englisch sprach und erzählte ihm ihr Anliegen. Gleich erklärte er sich bereit, sie in einen kleinen Ort am Ufer des Gardasees zu bringen, wo er ein hübsches kleines Hotel kannte.
Nicola Brandon stimmte erfreut zu und stieg in den Wagen ein. Sie hatte nicht gedacht, daß es so leicht sein würde, sich in Italien zurechtzufinden. Die Fahrt dauerte nicht zu lange, und als sie am Ziel ankamen, stellte sie fest, daß ihr Chauffeur nicht übertrieben hatte. Es handelte sich um ein schlichtes weißes Haus, das in einem bezaubernden Garten stand. Nicht weit entfernt leuchtete das Blau des Sees durch die Bäume, und Nicola Brandon wußte sofort, daß sie hier die Ruhe finden würde, die sie so nötig hatte.
Sie bedankte sich bei dem Taxifahrer, bezahlte und betrat dann das Haus. An der Rezeption stand eine Italienerin, die gebrochen Deutsch sprach und Nicola Brandon ein schönes Zimmer mit Seeblick zuwies.
Sofort eilte ein junger Mann herbei, der sich um das Gepäck kümmerte und sie zu ihrem Zimmer brachte. Sie gab ihm ein kleines Trinkgeld und schloß endlich erleichtert die Tür hinter sich. Dann drehte sie sich um und musterte ihr neues Zuhause. Sie stand in einem spärlich möblierten Raum, der aber durchaus behaglich war in seiner Kargheit. Das große weiße Eisenbett bildete den Mittelpunkt und einen schönen Kontrast zu dem dunkelbraun gebeizten Kleiderschrank und dem Schreibtisch aus dem gleichen Holz. Weiße Vorhänge verbargen eine kleine Tür, die hinaus auf den Balkon führte. Dort fühlte man sich wie in einer Laube, denn er war über und über bewachsen mit Bougainvillea und bot einen atemberaubenden Blick auf den See und die nähere