Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer
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Sie hatte es eilig, die Kinder daran zu erinnern, dass sie zum Birkenhof gehen mussten.
Als Petra bat: »Mutti, kann ich dann noch eine Stunde im Birkenhof bleiben und mit Katrin spielen? Es ist ja noch lange nicht dunkel«, da sagte Ingrid schnell: »Ja, das darfst du.«
Als sich die Kinder verabschiedeten, hatte sie doch ein schlechtes Gewissen. Sie wandte sich an Petra und strich ihr über das Haar: »Geh genau um halb sieben vom Birkenhof weg. Imma wird dir die Zeit sagen. Ich komme dir dann wieder entgegen.«
»Warum denn, Mutti? Ich bin den Weg schon so oft allein gegangen, und du hast doch noch viel Arbeit«, erwiderte Petra ein wenig beleidigt.
»Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe, weil es mir so lieber ist.« Dabei dachte Ingrid, dass sie jetzt doch eigentlich keine Angst mehr um ihr Kind zu haben brauchte, denn der mysteriöse Fremde war ja in ihrem Haus.
Sie drückte die kleine Katrin an sich, setzte sie in den Kinderwagen und fuhr ihn bis zu den Schlehdornbüschen. Susanne und Petra schoben den Wagen gemeinsam weiter.
Ingrid ging kurz in die Mühle und sagte ihrem Helfer Bescheid, dass er die Arbeit heute allein weitermachen musste, da sie etwas Dringendes im Haus zu erledigen hatte. Dem Mann schien dies recht zu sein.
Als sie wieder auf das Haus zuging, sah sie den Fremden am Fenster des Wohnzimmers stehen. Ärger überfiel sie. Wie kam er dazu, im Haus umherzuwandern? Eben hatte er doch noch den Eindruck gemacht, als könne er sich nicht auf den Beinen halten.
Auf was hatte sie sich da eingelassen? So leichtsinnig war sie doch nie.
Zögernd betrat sie den Flur. Der Mann stand nun auf der Schwelle zum Wohnzimmer.
»Entschuldigen Sie, ich gehe schon in das kleine Zimmer zurück«, sagte er bedrückt und stützte sich im Türrahmen. Seine Stimme war kaum zu verstehen, als er hinzufügte: »Ich wollte nur den Kindern nachsehen, und das konnte ich von dem anderen Zimmer aus nicht.«
»Setzen Sie sich ins Wohnzimmer«, ordnete Ingrid an.
»Kommt bestimmt niemand ins Haus?«
»Nein, bestimmt nicht«, lächelte Ingrid etwas bitter. »So viele Menschen gibt es nicht, die hierher zu Besuch kommen.«
Sie ging voraus und nahm in einem der bequemen Sessel Platz. »Nun setzen Sie sich endlich! Lange werden Sie sich wahrscheinlich doch nicht mehr auf den Beinen halten können. Soll ich noch einmal Tee bringen?«
»Nein, danke, es drängt mich, mit Ihnen zu sprechen, wenn Sie mir wirklich zuhören möchten.« Der Mann senkte den Kopf. »Dann können Sie entscheiden, ob Sie mich gleich der Polizei übergeben wollen, oder ob ich mich erst etwas bei Ihnen erholen darf.«
Ingrid lehnte sich zurück. »Vielleicht hätte ich den Kindern lieber sagen sollen, dass man vom Birkenhof aus einen Arzt verständigen und hierherschicken möge.«
Der Mann streckte abwehrend die Hände aus. »Nein, nein!« Er neigte sich etwas vor und sprach dann weiter. »Ich weiß, dass Sie Ingrid Pleyer heißen.«
»Woher wissen Sie das, wenn Sie allen Menschen aus dem Weg gehen?« Da war wieder das Misstrauen in Ingrids Augen.
»Der alte Mann hat mir von Ihnen erzählt. Er ist sonst immer auf dem Birkenhof, aber vor Kurzem arbeitete er jeden Tag in der Mühle. Weil Sie im Krankenhaus waren.«
»So – mit Karl haben Sie gesprochen? Zu der Zeit haben Sie sich schon hier in der Gegend aufgehalten?«, fragte Ingrid verwundert. Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ja schon wieder zwei Wochen zu Hause.«
»Ja, so lange bin ich schon hier. Keine Nacht habe ich in einem Bett geschlafen. Das bequemste Nachtlager hatte ich noch in Ihrer Scheune. Dort war es auch am wärmsten. Als es vor einigen Tagen so viel regnete, muss ich mich erkältet haben. Deshalb fiebere ich. Aber ich wollte sagen, ich kenne Ihren Namen, Sie sollen auch meinen erfahren. Ich heiße Stefan Becker.«
»Und woher kommen Sie?«, fragte Ingrid.
»Aus München. Das heißt – ich stamme aus München, in den letzten Jahren habe ich jedoch in Persien gelebt.« Stefan Becker wurde nun lebhafter. »Ich bin Ingenieur und habe für eine deutsche Firma in Persien gearbeitet.« Er sah auf seine Hände. »In Teheran habe ich auch Delila kennengelernt.«
»Wer ist Delila?«, erkundigte sich Ingrid.
»Sie war das Mädchen, das ich sehr geliebt habe.« Plötzlich stand Stefan Becker auf und trat ans Fenster. Dort musste er sich aufstützen.
»Sie sollten lieber sitzen bleiben, wenn Ihnen schwindelig ist«, sagte Ingrid. Schon wollte sie sich erheben, weil sie Angst hatte, dass Stefan Becker zusammensacken könnte. Aber da kam er bereits zurück und ließ sich wieder in den Sessel sinken.
»Delila ist die Mutter meines Kindes. Nein, sie war die Mutter meines Kindes.« In seinem Gesicht zuckte es.
»Also lebt Delila nicht mehr?«, fragte Ingrid leise und voller Mitgefühl.
»Sie ist in München gestorben. Wir waren nach Deutschland zurückgekehrt. Gegen den Willen ihrer Eltern hatte Delila mit mir und unserem Kind Persien verlassen. Ihre Eltern waren dagegen, dass sie einen Deutschen heiratete, obwohl wir doch schon ein Kind hatten. In Persien haben sie die Heirat immer wieder hintertrieben.« Stefan Becker schöpfte nach Atem. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Ingrid sah ihn besorgt an. »Vielleicht sollten wir später weitersprechen, Herr Becker. Es strengt Sie zu sehr an. Wollen Sie sich nicht lieber drüben in dem kleinen Zimmer wieder hinlegen und versuchen, ein wenig zu schlafen?«
Er zog ein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Nein, jetzt muss ich sprechen. Ich darf Sie nicht so lange auf die Folter spannen. Sie müssen wissen, dass Sie nichts von mir zu befürchten haben.«
Er gönnte sich einige Minuten Erholung, dann sprach er weiter: »Delila und ich wollten also nun in München heiraten. Wir suchten dort eine Wohnung. Ich habe keine Angehörigen, zu denen wir hätten ziehen können. Deshalb wohnten wir vorerst in einer kleinen Pension. Ich hatte die Stelle bei meiner Firma aufgegeben und bewarb mich bei einem anderen Unternehmen. Als ich dort war, um den Vertrag auszuhandeln, wurde Delila von einem Auto überfahren. Sie war auf der Stelle tot.«
Ingrid fühlte mit dem Mann, obwohl er ein Fremder war. Sie wusste aus eigener Erfahrung, was es hieß, den geliebten Partner zu verlieren. Leise sagte sie: »Seien Sie trotzdem dankbar, dass Delila nicht leiden musste. Ich habe zusehen müssen, wie mein Mann langsam starb. Das mitzuerleben und nie helfen zu können, ist furchtbar.«
Stefan Becker schaute sie lange an. »Ja, das ist noch schlimmer, aber Ihnen ist wenigstens ein Zuhause geblieben. Mit Ihrem Kind. Ich gehörte nirgends mehr hin. Ich lebte in einem Pensionszimmer und wusste nicht, wie es weitergehen sollte.«
»Ist Ihrem Kind bei dem Unfall auch etwas geschehen?«
»Delila war weggegangen, während das Kind schlief. Sie wollte einen Brief zum Postkasten tragen. Er steckte noch in ihrer Handtasche.«
Wieder schwieg Stefan Becker. Jetzt wirkte sein erhitztes Gesicht noch vergrämter.
Ingrid störte ihn nicht. Sie merkte, dass er sich krampfhaft