Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer
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Er lag im Schlafanzug auf dem Sofa und hatte sich die Decke bis zum Kinn gezogen. Trotzdem schien er zu frieren.
Ingrid beugte sich über ihn. Auf seiner Stirn stand wieder Schweiß, und er atmete schwer.
»Ich bringe Ihnen gleich etwas zu essen, noch einmal Tee und die Tabletten«, sagte sie und lief aus dem Zimmer.
Als sie zurückkam, reichte sie Stefan Becker ein Fieberthermometer. »Wir müssen wissen, wie viel Fieber Sie haben. So leichtsinnig wie bisher dürfen Sie nicht mit Ihrer Gesundheit umgehen.«
Er tat ihr etwas widerwillig den Gefallen und steckte das Fieberthermometer in die Achselhöhle. Dann griff er nach einem belegten Brot. Aber er aß es ohne Appetit und lehnte schon das nächste Brot ab. Dafür trank er den Tee in gierigen Schlucken.
»Meine Kehle ist ganz ausgetrocknet«, sagte er und sah sie entschuldigend an.
Ingrid wartete noch ein paar Minuten, schließlich bat sie ihn um das Fieberthermometer. Sie trat dann unter die Lampe. Aber trotz des hellen Lichtes sah sie mehrere Male auf die Quecksilbersäule.
»Und?«, fragte Stefan Becker, als sei er nun doch etwas interessierter dran, wie viel Fieber er hatte.
»Fast vierzig Grad. Das darf ich Ihnen nicht verheimlichen.« Ingrid sah sehr erschrocken aus. »Das kann nicht nur eine einfache Erkältung sein. Was tun wir? Ich mache mir richtig Sorgen um Sie.«
»Morgen früh wird es mir bessergehen. Ich habe hier ein warmes Bett, und Sie haben mich gut versorgt. Wenn ich jetzt noch die ganze Nacht durchschlafen kann, sieht morgen alles anders aus.« Stefan Beckers Stimme klang zuversichtlich.
»Glauben Sie an Wunder?« Ingrid erzählte von dem Arztehepaar Weide. »Die beiden würden schweigen, Herr Becker. Lassen Sie mich Frau Dr. Weide rufen. Ich brauche nur eine Viertelstunde bis zur Telefonzelle. Sie steht am Ortsrand von Bachhausen. Mein Telefon ist vorübergehend abgestellt. Erst nächste Woche kann ich es wieder benutzen.«
»Ich lasse Sie nicht in die Nacht hinausgehen. Vor Kurzem waren Sie selbst krank. Nein, und es lohnt sich auch nicht, für mich die Nachtruhe zu opfern. Ich habe das nicht verdient. Ich hätte sowieso nicht bei Ihnen bleiben dürfen.« Stefan Beckers Stimme klang verzweifelt.
»Sie sollten nicht so dummes Zeug reden«, erwiderte Ingrid unwillig. »Warum sollten Sie es nicht verdient haben, dass ich mich um Sie kümmere? Ferner habe ich Sie hier aufgenommen, also trage ich auch die Verantwortung für Sie. Ich rufe jetzt Frau Dr. Weide, sie wird Ihnen mehr helfen können als ich.«
Stefan Becker wollte etwas einwenden, da ging Ingrid schon zur Tür. »Nein, keine Widerrede!«
Sie verließ das Zimmer und warf sich im Flur ein Tuch um die Schultern. In ihrer Aufregung war sie nicht so vorsichtig wie bisher. Sie ging schnell durch den Flur, und auch das Öffnen und Schließen der Haustür war zu hören.
Stefan Becker hatte sich im Bett aufgesetzt. Wieder drehte sich vor ihm alles im Kreis. Trotzdem stand er jetzt auf. Das geschah wie unter einem Zwang, den das hohe Fieber ihm diktierte.
»Ich muss sie zurückrufen«, redete er vor sich hin. »Sie darf nicht um meinetwillen in die Nacht hinauslaufen. Es kann ihr etwas passieren.« Er torkelte in den Flur. Dort rief er: »Frau Pleyer, sind Sie noch hier?« Es war ihm nicht bewusst, dass er eben das Schließen der Haustür vernommen hatte.
Plötzlich gellte ein Schrei durch das Haus.
Im Flur stand die kleine Petra. Sie sah den Mann im Schlafanzug entsetzt an.
»Wo ist meine Mutti?«, fragte sie. Schon liefen Tränen über ihr Gesicht. Ängstlich sah sie auf den fremden Mann. »Wo ist sie?«
Stefan Becker stützte sich mit beiden Händen an die Wand. Er bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber immer wieder waren es nur wirre Dinge, die ihm durch den Kopf gingen. Nur eines konnte er noch einigermaßen klar sagen: »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«
Petra wich zwei Schritte zurück. Ihre Augen waren weit geöffnet, ihre Lippen zitterten. »Wo ist meine Mutti?«
»Sie ist – telefonieren gegangen. Aber das – hätte sie nicht tun sollen. Sie will – eine Ärztin holen, weil ich krank bin. Aber ich brauche keine Hilfe. Sie soll zurückkommen.«
Stefan Becker ging auf bloßen Füßen zur Haustür und rüttelte an der Klinke. Aber die Tür öffnete sich nicht. Dann drehte er sich um. »Hast du – einen zweiten Schlüssel für die Haustür?«
Petra zögerte, ihre Gedanken überstürzten sich. Der fremde Mann wollte hinaus. War es nicht am besten, wenn er aus dem Haus kam? Dann brauchte sie keine Angst mehr vor ihm zu haben. Gewiss log er, wenn er sagte, dass ihre Mutter für ihn die Ärztin holen wollte. Sicher wusste ihre Mutti gar nicht, dass er hier war. Er musste sich irgendwie ins Haus geschlichen haben.
Das sechsjährige Mädchen fragte sich nicht, wieso der Mann im Schlafanzug hier umherlief, es hatte nur Angst, weil die Mutter nicht da war. Und nun redete es sich in seiner Phantasie noch ein, dass sich diese irgendwo im Haus vor dem Mann versteckt hatte, weil sie sich selbst vor ihm fürchtete. Ja, so musste es sein!
»Ich hole den anderen Haustürschlüssel«, sagte Petra. Sie schluckte und wischte sich mit dem Ärmel des Nachthemdes über das Gesicht, das nass von Tränen war, dann lief sie in die Küche.
Dort hingen an einem Brett mehrere Schlüssel. Sie nahm den zweiten Haustürschlüssel herunter und rannte damit in den Flur zurück. Aber sie wagte sich nicht bis zu Stefan Becker. Er lehnte kraftlos an der Wand, seine Zähne scheugen aufeinander, Schüttelfrost überfiel ihn.
Petra warf ihm den Haustürschlüssel zu und stellte sich auf die Schwelle des Schlafzimmers. Von dort beobachtete sie den Mann. Er sollte die Haustür aufschließen und schnell gehen! Wenn er dann den Schlüssel stecken ließ, wollte sie zur Haustür laufen und rasch abschließen. Danach konnte sie ihre Mutti suchen und ihr sagen, dass sie wieder allein waren.
Stefan Becker bückte sich nach dem Schlüssel und steckte ihn ins Schloss. Ehe er die Haustür öffnete, sah er sich im Flur um, als finde er sich überhaupt nicht mehr zurecht. Seine Blicke schienen durch das kleine Mädchen hindurchzusehen.
»Was wollte ich?«, murmelte er. »Was wollte ich nur? Ach so, sie soll zurückkommen. Sie darf nicht für mich in der Nacht umherlaufen.« Er stieß die Haustür auf und taumelte ins Freie.
Petra schlich ein Stück den Flur entlang. Dass der Fremde die Haustür aufgelassen hatte, versetzte sie schon wieder in neue Angst. Erst als sie ihn im Schein des Hauslichtes nicht sah, lief sie an die Tür, schlug sie zu und schloss sie ab. Sie nahm den Schlüssel wieder an sich.
Dann erklang schon ihr Schrei: »Mutti? Mutti! Wo bist du?«
Petra erhielt keine Antwort. Weinend und rufend lief sie von einem Raum in den anderen, obgleich sie schreckliche Angst hatte und ihre Knie zitterten, schließlich setzte sie sich im Wohnzimmer auf das Sofa und weinte vor sich hin.
Als sie vor dem Haus Schritte hörte, kauerte sie sich noch mehr zusammen. Sicher kam der Mann zurück. Vielleicht schlug er die Haustür ein, wenn er nicht gleich herein konnte?
Jetzt war zu hören,