Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer
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»Ich habe über nichts Verfängliches mit ihm gesprochen. Er hielt mich für einen Touristen und freute sich, dass ich mich für den Birkenhof und für die Schlehdorn-Mühle interessierte. Damals sah ich auch noch nicht so mitgenommen aus wie heute.«
»Und was soll jetzt geschehen?« Ingrid blickte Stefan Becker mit großen, fragenden Augen an.
»Ich werde mich dem Gericht stellen und die Sühne für das auf mich nehmen, was ich getan habe.«
»Aber danach bleibt alles, wie es vorher war. Sie werden Katrin in ein Heim geben müssen, wenn Sie wieder arbeiten wollen, und das müssen Sie ja wohl, denn wovon könnten Sie sonst für sich und Katrin sorgen?«
»Ich muss wieder arbeiten, unbedingt, ich habe nur sehr geringe Ersparnisse.« Stefan Becker lehnte sich zurück und schloss die Augen.
»Auf dem Birkenhof wird man sich nur ungern von der kleinen Katrin trennen. Sie sollten zuerst mit Herrn von Herwig und seiner Tochter Imma sprechen. Vielleicht sind sie Ihnen behilflich, wenn es um Katrin geht. Wenn sie auf dem Birkenhof bleiben könnte und nicht in ein Kinderheim müsste, wäre doch beiden Teilen geholfen.«
Ingrid stand auf. »Vorerst haben wir genug geredet. Sie sind völlig erschöpft, und ich muss zum Birkenhof, um Petra abzuholen. Wir wollen uns auf halbem Weg treffen. Das habe ich vorhin mit ihr so abgemacht.«
Ingrid zögerte ein Weilchen, dann sagte sie mit fester Stimme: »Gehen Sie in das kleine Zimmer. Sie können heute Nacht bei uns bleiben. Ich werde Sie mit Tabletten gegen das Fieber versorgen, Ihnen nochmals Lindenblütentee kochen und etwas zu essen bringen, sobald ich zurück bin. Oder soll ich doch einen Arzt rufen?«
»Nein«, wehrte Stefan Becker wieder ab. »Ich will nicht von der Polizei durch Zufall überführt werden, ich will mich selbst stellen.« Er erhob sich. »Ich darf wirklich in der Mühle übernachten?«
»Ja. Aber ich möchte Petra nichts davon sagen. Sie soll nicht beunruhigt werden. Seien Sie also bitte leise und zeigen Sie sich nicht am Fenster, wenn wir nachher zurückkommen.«
Ingrid schob Stefan Becker aus dem Wohnzimmer. »Machen Sie es sich bequem. Ich gebe Ihnen einen Schlafanzug meines Mannes. Sie müssen endlich aus Ihrer Kleidung herauskommen. Ich werde sie säubern, damit Sie wieder etwas in Schale sind, wenn Sie zum Birkenhof und zur Polizei gehen. Sie selbst können sich in der Zwischenzeit auch etwas frisch machen, das wird Ihrem Gesundheitszustand guttun.«
Stefan Becker lehnte sich im Flur an die Wand. »So viel wollen Sie für mich tun? Warum?«
»Weil ich weiß, wie es ist, vollkommen verlassen zu sein.« Ingrid ging in eine Kammer und kehrte bald darauf mit einem Schlafanzug ihres Mannes zurück.
Sie zeigte auf eine Tür. »Dort ist das Badezimmer. Für unsere Verhältnisse hier ist es geradezu luxuriös. Ich hoffe, es genügt auch Ihnen.« Sie lächelte. »Aber verweilen Sie nicht zu lange. In einer halben Stunde werde ich mit Petra zurück sein.«
Sie eilte zur Haustür. »Ich schließe ab. Sie brauchen also keine Sorge zu haben, dass Sie gestört werden.« Schnell verließ sie das Haus.
Aber schon als sie die Schlehdornsträucher hinter sich gelassen hatte, ging sie langsamer. Es gab jetzt so vieles zu denken. Noch einmal erinnerte sie sich an alles, was ihr Stefan Becker anvertraut hatte. Dabei stieg die Hoffnung in ihr auf, dass ihn auch andere Menschen verstehen würden. Er hatte in Panik gehandelt. In so großer Verzweiflung konnte keiner die Hand dafür ins Feuer legen, dass er nicht eine Kurzschlusshandlung beging.
Aber würden die Richter das berücksichtigen, würden Sie ihm genauso selbstverständlich glauben, wie sie es getan hatte?
Heute sah Ingrid nicht einmal, dass ihr Petra entgegenkam, so sehr war sie in ihr Grübeln vertieft. Sie hatte den Wunsch, zum Birkenhof zu gehen. Vielleicht hätten Imma und ihr Vater gewusst, wie Stefan Becker zu helfen war. Aber sie musste sein Geheimnis für sich behalten, bis er es selbst vor den anderen lüftete. Er hatte ihr vertraut, und sie wollte nun keinen Verrat an ihm begehen.
Petra sprang an ihrer Mutter hoch und sagte: »Das war wieder ein schöner Tag, Mutti, es ist so schön, wenn ich Spielgefährten hier habe.«
»Ja, war er schön?«, fragte Ingrid in doppelsinnigem Tonfall.
Petra blickte sie erstaunt an. »Ja, Mutti, er war wunderschön. Glaubst du es nicht?«
»Doch, ich glaube es dir, Petra.« Sie strich sich über die Stirn.
»Hast du noch viel gearbeitet, Mutti?« Petra musterte ihre Mutter forschend. »Du siehst so müde aus.«
»Ich bin auch müde.« Die Frage überging Ingrid. Sie konnte Petra nicht sagen, dass sie die Mühle überhaupt nicht mehr betreten hatte. »Deshalb werde ich heute ganz früh schlafen gehen.«
»Mit mir zusammen?«
»Ja, Petra.«
»Ich weiß, dass du sonst immer noch lange am Fenster sitzt und hinausschaust.« Petras Hand schmeichelte sich in die der Mutter. »Dann denkst du immer an Vati und daran, dass wir jetzt so allein sind. Aber du sollst nicht traurig sein. Schau, der liebe Gott hat uns doch auch geholfen, als du so krank warst.«
»Ja, er hat uns schon oft geholfen, Petra, und dafür bin ich ihm sehr dankbar.« Leise setzte Ingrid hinzu: »Er hilft den Menschen oft, wenn sie in größter Not sind.« Sie dachte wieder an den Mann in ihrem Haus. Würde er auch ihm helfen?
Petra wollte den Schlüssel haben, vorauslaufen und die Haustür aufschließen. Das tat sie häufig. Heute musste sie warten, bis die Mutter selbst aufschloss.
Ingrid sah scheu in den Hausflur. Sie hatte Angst, dass sich Stefan Becker zeigte. Ihr erster Blick galt dem Badezimmer, und sie atmete erlöst auf, als sie ihren Gast dort nicht mehr vorfand. Nichts in dem Raum ließ darauf schließen, dass sich jemand hierin aufgehalten hatte. Er schien alles wieder sorgfältig an den Platz zurückgelegt zu haben, wohin alles gehörte. Denn dass er sich gewaschen haben musste, sah sie an dem sorgfältig zusammengelegten Handtuch, welches sie ihm hingelegt hatte und das nun nass war.
Petra half ihr, das Abendessen auf den Tisch zu bringen. Sie hatte großen Hunger, und es schmeckten ihr auch die etwas dürftig belegten Brote.
»Du hast zu viel Brot abgeschnitten, Mutti«, tadelte sie, »das vertrocknet ja bis morgen. Hast du gedacht, dass wir das alles schaffen?«
Ingrid hatte Mühe, ihre Verlegenheit zu verbergen. Sie konnte nicht sagen, dass sie gleich einige Scheiben für Stefan Becker mit abgeschnitten hatte. Es fiel ihr schwer, zu schwindeln.
Sie hatte Petra gegenüber auch ein schlechtes Gewissen, als sie ihr im Schlafzimmer eine gute Nacht wünschte und auf ihre Frage, ob sie nun auch wirklich gleich ins Bett kommen werde, antwortete: »Ja, Petra. Aber du solltest nicht auf mich warten. Ich habe doch in der Küche noch zusammenzuräumen.«
»Das könntest du auch morgen in der Frühe machen«, maulte Petra. »Es ist so schön, wenn du schon neben mir liegst, ehe ich schlafe.«
Ingrid verließ das Schlafzimmer eiliger, als sie das vorgehabt hatte. Aber sie wagte sich noch