Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Aber?«
Danny seufzte leise. Er hatte darüber nachgedacht, ob er seiner Freundin von Victoria Bernhardt erzählen sollte und sich schließlich dafür entschieden. Da sie offenbar von Tatjana wusste, war es besser, sie einzuweihen und auf mögliche Attacken aus dieser Richtung vorzubereiten. So erzählte er seiner Freundin vom Besuch der schönen Jungunternehmerin.
»Oh, da scheint ja jemand schwer verliebt zu sein«, konstatierte Tatjana sachlich.
»Das hat mit Liebe nichts zu tun«, widersprach Danny. »Ich glaube, Victoria hat sich in eine fixe Idee verrannt und benimmt sich überdies wie ein verwöhntes Kind, das es gewohnt ist, alles zu bekommen, was es sich einbildet.«
»Und es sich nötigenfalls kauft«, gab Tatjana zu bedenken und bückte sich nach einem Ball, der ihr vor die Füße gerollt war.
Sie lächelte das Kind, das gekommen war, um ihn wieder zu holen, freundlich an.
Danny beobachtete Tatjana dabei. Trotz ihrer Behinderung strahlte ihr Gesicht eine solche Liebenswürdigkeit aus, dass sein Herz warm wurde vor Zärtlichkeit. Was für eine starke Persönlichkeit sie doch ist!, dachte er bei sich und er schätzte sich glücklich, dass sie ihn ausgewählt hatte, um sie ein Stück auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Doch was sie dann zu ihm sagte, erschreckte ihn.
»Sie glaubt, dich zu lieben und wird alles dransetzen, dich zu bekommen. Und sag bloß nicht, dass dir das nicht klar ist!« Tatjana sah ihren Freund herausfordernd an. »Wenn es nicht ernst wäre, hättest du mir nicht davon erzählt.«
Sie hatte in allem Recht, was sie sagte. Danny blieb stehen und zog Tatjana an sich. Er sah ihr in die ungewöhnlichen, dunkelblauen Augen, tief wie zwei Seen.
»Dummerweise hat sie das Pech, dass ich dich liebe«, raunte er ihr zu und beugte sich vor, um sie zu küssen.
Zu seinem Erstaunen wich sie seinem Kuss aus.
»Nichtsdestotrotz ist ihr Angebot sehr großzügig. Offenbar hat sie dich wirklich in ihr Herz geschlossen.« Misstrauisch suchten Tatjanas fast blinde Augen in seinem Gesicht nach der Wahrheit, während ihre Gedanken weiterwanderten. »Wenn du ganz ehrlich bist zu dir selbst …, findest du dieses Angebot nicht doch ein klein wenig reizvoll? Eine eigene Praxis …, mal abgesehen davon, dass Victoria offenbar eine schöne, erfolgreiche Frau ist, mit der sich ein Mann sehen lassen kann.«
Empört schüttelte Danny den Kopf.
»Denkst du wirklich, ich bin käuflich?«, fragte er scharf.
»Sei ehrlich!« Eine von Tatjanas herausragenden Eigenschaften war ihre Beharrlichkeit.
Die stellte sie an diesem Tag wieder einmal unter Beweis.
Seufzend fügte sich Danny diesem Gespräch.
»Natürlich gefällt mir der Gedanke, eines Tages eine eigene Praxis zu haben«, räumte er ein, während sie weiter über den gekiesten Weg schlenderten. »Aber ich wäre nicht halb so stolz darauf, als wenn ich sie mir selbst erarbeitet, mir meine Sporen selbst verdient hätte. Nein, der Preis ist mir zu hoch. Ich bin nicht käuflich!«
Unversehens hatte sich die Runde wieder geschlossen und sie standen wieder vor dem kleinen Café, an dem sie ihren Spaziergang begonnen hatten.
»Bist du sicher?«, fragte Tatjana. Sie hatte sich entschieden, das ernste Gespräch zu beenden und schickte einen vielsagenden Blick durch das Schaufenster zur selbst um diese Uhrzeit noch üppig bestückten Kuchentheke. »Ich könnte mir vorstellen, dass ich deine Liebe mit einem, vielleicht zwei Stück Kuchen kaufen könnte.«
»Das ist durchaus möglich«, ging Danny auf ihren kecken Tonfall ein, erleichtert darüber, wie sie mit ihrer Nebenbuhlerin umging. »Aber das liegt in erster Linie an deiner Person. Andere könnten mir eine eigene Klinik anbieten, und ich würde noch nicht mal einen Gedanken daran verschwenden, mich kaufen zu lassen.«
Auch wenn die Sorge wie ein kleines Flämmchen in Tatjanas Herzen loderte, lachte sie und schmiegte sich an ihren Freund. Diesmal wich sie seinem Kuss nicht aus, sondern erwiderte ihn mit all der Leidenschaft, die sie für ihn fühlte.
*
Blass und sichtlich mitgenommen von der Operation lag Sebastian Keinath in seinem Bett und starrte aus dem Fenster.
Neben ihrem Lebensgefährten Roman Kürschner und ihrer Klinik galt Jenny Behnischs Leidenschaft dem Garten der Klinik, den Landschaftsgärtner mit viel Liebe und Enthusiasmus nach ihren Ideen gestaltet hatten.
Dekorative Gräser betonten den Charme der in allen Farben üppig blühenden Rosen. Staudenbeete wechselten sich mit Steingärten und einer Teichlandschaft ab, die in der Stadt ihresgleichen suchte. All das und noch viel mehr konnte Sebastian durch das Klinikfenster im ersten Stock sehen. Trotzdem stimmte ihn dieser heitere Anblick nicht froh. Als es an die Tür klopfte, fuhr sein Kopf herum in der irrigen Hoffnung, seine Frau könnte gekommen sein. Doch es war nur Schwester Iris, die nach ihm sah. Aber selbst für diesen Besuch war Sebastian im Augenblick dankbar.
»Iris, schön, dich zu sehen«, begrüßte er die Kollegin, die bereits seit ein paar Jahren ihren Dienst in der Behnisch-Klinik tat und mit der er sich immer gut verstanden hatte.
»Du machst Sachen, Basti.« Kopfschüttelnd trat sie an sein Bett und überprüfte den Inhalt der Glasflasche, die in einem Gestell über seinem Kopf schwebte. »Ich hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht.« Sie pflegten ein freundschaftliches Verhältnis und flirteten hin und wieder scherzhaft miteinander, sich wohlbewusst, dass sie kein ernsthaftes Interesse aneinander hatten.
»Wirklich?« Sebastian lächelte. »Dann hat sich diese Aktion auf jeden Fall gelohnt.«
»Willst du damit sagen, dass du dir den Bandscheibenvorfall nur für mich geholt hast?« Lachend schüttelte Iris den Kopf.
»Stell dir vor, ich habe mir immer gewünscht, mal von dir gepflegt zu werden. Die Patienten schwärmen immer von deiner Herzenswärme, von deiner überwältigenden Fürsorge. Die wollte ich unbedingt am eigenen Leib zu spüren bekommen.«
»Na, dieses Ziel hast du ja jetzt erreicht«, erwiderte Iris und strich ihm tröstend über die Wange. »Kann ich sonst noch was für dich tun?«
»Wie wär’s morgen mit einem Sektfrühstück?«, spielte Sebastian das Spiel weiter.
Iris lachte.
»Ich denke darüber nach«, versprach sie und verabschiedete sich fürs Erste von ihrem Kollegen.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, als die Einsamkeit wieder wie ein gieriges Raubtier über Sebastian herfiel. Er war so versunken in seinen Schmerz, dass er nicht bemerkte, wie sich die Tür erneut öffnete. Erst als er Schritte hörte, wandte er den Kopf.
»Melina?« Sebastian traute seinen Augen nicht. War es möglich, dass ihm sein Bewusstsein einen Streich spielte? »Du? Hier?«
»Ich habe heute Morgen den ersten Flug genommen, den ich bekommen konnte.« Melinas Stimme war warm, ihre Augen voller Sorge auf ihren Mann gerichtet. »Wie geht es dir?« Ohne lange darüber nachzudenken, was sie tat, streckte sie die Hand aus und streichelte über seine unrasierte Wange.
»Solange du mich nicht bittest, einen Wasserkasten in die Wohnung zu