Tatzelwurm und Donauweibchen. Reinhard Pohanka
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Das Überqueren von Flüssen scheint den Menschen immer Sorgen gemacht zu haben und gefährlich erschienen sein. Zu sehr fürchtete man die Macht des Wassermannes und selbst in den Volksliedern fand diese Angst ihren Niederschlag, wie im Lied »Als wir jüngst in Regensburg waren«, in dem es heißt:
Als sie auf die Mitt gekommen,
Kam ein großer Nix geschwommen,
Nahm das Fräulein Kunigund,
Fuhr mit ihr in des Strudels Grund.
Auch der heilige Gallus hatte sich bei der Missionierung der alemannischen Stämme am Bodensee um 600 mit Wassergeistern auseinanderzusetzen, als er die Götzenbilder der Einheimischen in den See warf. Er berichtet von einem Berggeist, der seinem geisterhaften Freund im See zurief: »Kommt und helft mir gegen die Fremdlinge, die mich aus meinem Heiligtum vertrieben haben.« Einer der Wassergeister versuchte darauf die Netze der Fischer zu zerreißen, die diese aber durch das Christusmonogramm geschützt hatten, sodass die Macht des Wassermannes versagte.
Bis in die Neuzeit soll es noch ein Andenken an die Menschenopfer an der Donau gegeben haben. Fiel einer der Treidelknechte, welche mit Pferden die Schiffe gegen den Strom zogen, in den Fluss, so durchschnitten seine Kameraden die Trensen und riefen ihm zu: »Gib dich hin dem Nöck«, um sich selbst mit diesem Opfer vor der Gefahr zu schützen.
Was der Wassermann nicht mag, ist, wenn man ihn in seinem Reich belästigt. Sucht man den Grund von Teichen oder Gewässern mit langen Stangen ab, wie man es in Kreith bei Tauplitz getan hat, so kann der See aufbrausen und man hört eine Stimme: »Wenn ihr nicht aufhört zu gründen, dann verschlinge ich euch«, und dann ist es besser, den Ort möglichst schnell zu verlassen.
Die Römer kannten Fluss- und Gewässergötter, zudem übernahmen sie wie beim Flussgott Danuvius die heimischen keltischen Flussgötter in ihr Pantheon. In der Darstellung gleichen diese der Gestalt des späteren Wassermannes: eine ältere, hingelagerte männliche Gestalt mit langem triefenden Haar und Bart. Ähnlich dieser Darstellung sind auch andere in Österreich bekannte und auf Altären abgebildete Flussgötter wie Acaunus und Salacea zu sehen. Eine Verbindung dürfte zwischen dem Wassermann und dem antiken Fährmann der Unterwelt Charon bestehen, dessen Aufgabe es war, die Seelen der Toten über den Acheron zu rudern, und dem man dafür eine Münze, den Obolus, opfern musste.
Überhaupt scheint der Wassermann den Jenseitsvorstellungen der südlichen Germanen entsprungen zu sein. In der germanischen Mythologie gab es die Vorstellung einer Wasserhölle, die Feuerhölle gehört eher den orientalischen und slawischen Kulturkreisen an. Die Brüder Grimm nannten den Aufenthaltsort des Wassermannes einen orcus esuriens, eine menschenverschlingende Hölle, aber die Unterwelt der Germanen kannte noch keine Qual und Strafe im Jenseits. Die germanische Jenseitswelt Hel im nordischen Niflheim ist von raunenden Wassern durchströmt und diejenigen, die hier sich befinden, sind nicht tot, sondern in einem Halbleben gefangen. Ein Zustand, der auch für den Wassermann gilt.
In Sagen und Geschichten erscheint der Wassermann in Gestalt eines alten Mannes mit grauer, grüner oder roter Kleidung. Er trägt langes Haar, hat grüne Zähne und spitze Ohren, manchmal hat er auch Füße mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen. Er kann zwergenhaft klein sein oder als Riese erscheinen. In St. Egid am Neuwald in Niederösterreich dachte man sich den Wassermann als ein Ungeheuer, halb Fisch, halb Mensch, mit Binsen bekleidet und statt der Haare trug er Schilfblätter. Im Waldviertel und nördlich davon ist er eine kleine koboldartige Figur mit grünen Beinkleidern, grünem Frack und langen, flatternden grünen Haaren. In Österreich entlang der Donau erscheint er als Donaufürst mit blauen bis ins Wasser reichenden Haaren und einem langen Bart, er trägt einen purpurroten Mantel und eine goldene Muschelkrone auf dem Haupt. Am leichtesten ist der Wassermann, der sich gerne an Land unter die Bevölkerung mischt, an seiner Kleidung zu erkennen. Zwar kann er wie jeder Junker oder Bauer angezogen sein, ein untrügliches Zeichen für seine wahre Identität aber ist das Wasser, das beständig aus dem Saum seines Gewandes tropft.
Typisch für den Wassermann ist, dass er den Wein liebt. So lebte einst ein Wassermann im Schlossteich von Waasen bei Wildon in der Steiermark, der sich einen unterirdischen Gang zum Weinkeller des Schlosses gegraben hatte. Als es auffiel, dass der Wein in den Fässern immer weniger wurde, legte man sich auf die Lauer und konnte den betrunkenen Wassermann einfangen. Er wurde nach Graz gebracht, wo sich seine Spur verliert.
Die Wohnung des Wassermanns liegt im Wasser unter der Oberfläche von Teichen und Tümpeln, oder aber er wohnt unter einer einjochigen Brücke. Liegt sein Palast in einem See oder Teich, so ist dieser durchsichtig wie aus Glas mit vielen Zimmern. In der Mitte steht ein gewaltiger Kachelofen, auf dessen Vorsprüngen kleine Glasgefäße stehen. In ihnen bewahrt der Wassermann die Seelen der Ertrunkenen auf.
Manchmal strandet der Wassermann und kann nicht mehr von selbst in sein Reich zurückkehren, dann liegt er am Ufer seines Tümpels und muss die Vorbeigehenden bitten, ihn ins Wasser zu werfen. Wenn man das tut, so wird man in seinen Palast eingeladen und kann sich unter seinen Juwelen die schönsten Stücke aussuchen.
Es kommt auch vor, dass der Wassermann ein Mädchen einlädt, ihm in seinem Palast am Grunde eines Sees für ein Jahr zu dienen. So erzählt eine Geschichte aus Röhrawiesen in Niederösterreich, dass hier einst ein Wassermann in einem Tümpel hauste und eine Magd bat, ein Jahr lang für sein Haus zu sorgen. Am Ende des Jahres bot er ihr als Lohn den Kehricht an, den sie widerwillig in ihrer Schürze mit sich nahm, nur um an der Oberwelt festzustellen, dass sich der Schmutz in goldene Taler verwandelt hatte.
Wenn aber kein Mädchen freiwillig zu ihm kommen will, so scheut der Wassermann nicht davor zurück, sich ein solches mit Gewalt zu holen. Dann verfolgt er wie in einer Sage vom Wörthersee die Mädchen an Lande, um sie in seinen Seenpalast zu bringen. Retten kann man sich nur, wenn man sich in ein zu Neujahr geweihtes Haus oder in eine Kirche flüchtet.
Oft wohnt der Wassermann unter einer Brücke. Dies scheint mit der alten Vorstellung der Brücke als die Möglichkeit zur Überschreitung einer mythischen Grenze zu tun zu haben, quert man diese, so befindet man sich in einem gefährlichen Zwischenreich und ist für den Wassermann erreichbar. Deshalb muss man ihm vor dem Überschreiten der Brücke ein Opfer bringen oder die Brücke unter göttlichen Schutz stellen. Auf vielen Brücken steht daher der hl. Nepomuk, der die Reisenden beschützen soll. Die Römer kannten zum Schutz der Brücken als obersten sakralen Beamten den pontifex maximus, den »höchsten Brückenbauer«, der aber nicht nur für den Brückenbau verantwortlich war, sondern auch dafür, den Gott des überbrückten Flusses zu besänftigen und zu verehren. Auch Sagen von Teufelsbrücken, bei denen der Fürst der Hölle das erste Lebewesen verlangt, das die von ihm erbaute Brücke überschreitet, sind bekannt.
Der Wassermann ist gefährlich, er zieht den Unvorsichtigen, der dem Ufer zu nahe kommt, hinunter in sein Reich. Dazu legt er wertvolle Edelsteine oder bunte Bänder an den Ufern aus, um so die Menschen – oft sind es Kinder – anzulocken. Dann lässt er sie viele Jahre arbeiten und Dienste verrichten, und wenn sie dann von ihm freigelassen werden und wieder ans Tageslicht kommen, sind ihre Verwandten und Bekannten längst verstorben und niemand kennt sie mehr.
Zum anderen weiß der Wassermann viele Geheimnisse der Welt. Er kennt die Berge, die wertvolle Erze enthalten, er weiß Bescheid über die Bedeutung des Kreuzes in der Nuss und wo man den begehrten Karfunkelstein findet, außerdem kennt er das Geheimnis, wie man aus Milch Gold sieden kann.
Der