Der goldene Esel. Lucius Apuleius

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Der goldene Esel - Lucius  Apuleius

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was noch mehr ist«, fiel ein anderer ein, »nicht einmal die Lebendigen werden hier verschont. Ich kenne jemanden, der ein Lied davon singen kann. Der arme Teufel hat Nase und Ohren eingebüßt und ist jämmerlich entstellt.«

      Die ganze Gesellschaft brach bei den Worten in ein mutwilliges Gelächter aus, und aller Augen suchten jemanden, der in einer Ecke des Saales ganz allein lagerte. Dieser war äußerst beschämt und böse. Er sprang auf, schimpfte und fluchte etwas in den Bart hinein und wollte fort.

      »Oh, nicht doch, lieber Telerophon«,sprach Byrrhenna zu ihm, »Sie werden doch nicht böse werden und fortgehen wollen? Bleiben Sie bei uns, ich bitte Sie, und haben Sie nochmals die Höflichkeit, uns Ihre Geschichte zu erzählen, damit mein Neffe Lucius auch das Vergnügen habe, sie zu hören!«

      »Sie, Madame«, versetzte er aufgebracht, »sind immer die Güte und Verbindlichkeit selbst. Aber gewisser Leute unverschämte Grobheit ist nicht auszustehen.«

      Doch Byrrhenna ließ nicht nach. Sie setzte ihm auf eine so einnehmende, unwiderstehliche Art zu und gab ihm so viele Versprechen, dass Telerophon, er mochte nun wollen oder nicht, sich endlich besänftigen und bequemen musste, ihrem Wunsch zu entsprechen.

      Er legte den Teppich, worauf er lag, auf einen Haufen zusammen, stützte den Ellbogen darauf, richtete sich auf dem Bette etwas in die Höhe, erhob die Rechte mit einer Rednergebärde, indem er die beiden untersten Finger der Hand schloss und die andern, vom Daumen gestützt, ausstreckte, und fing an:

      »Als ich noch minderjährig war, machte ich von Milet eine Reise zu den Olympischen Spielen, und da ich auch gern die merkwürdigsten Plätze dieser hochberühmten Provinz in Augenschein nehmen wollte, so durchzog ich Thessalien nach allen Richtungen, bis ich endlich, von meinem bösen Schicksal geleitet, nach Larissa kam.

      Mein Reisegeld war dünn geworden, und, um Mittel zu finden, die Schwindsucht meines Beutels zu heilen, rannte ich lange überall herum, bis ich mitten auf dem Markt einen langen alten Mann wahrnahm, der auf einem Stein stand und mit lauter Stimme ausrief:

      ›Wer einen Toten zu bewachen Lust hat, der melde sich und fordere, was er dafür haben will!‹

      ›Was höre ich da?‹ sage ich zu einem Vorübergehenden, ›pflegen denn hier die Toten davonzulaufen?‹

      ›Spottet nicht!‹ antwortete dieser, ›Ihr seid noch zu jung und unerfahren, Ihr würdet sonst wohl wissen, dass mitten in Thessalien, wo Ihr Euch jetzt befindet, es gar nichts Seltenes ist, dass alte Hexen den Toten das Gesicht abfressen, weil sie davon allerhand als Zutaten zu ihren Schwarzkünsteleien brauchen.‹

      ›Und könnt Ihr mir nicht sagen‹, erwiderte ich, ›worin eigentlich diese Leichenwache besteht?‹

      ›Vor allen Dingen‹, versetzte er, ›kommt es darauf an, dass man die ganze geschlagene Nacht hindurch wirklich wache. Man darf nicht blinzeln, geschweige denn ein Auge zutun. Die Blicke müssen beständig auf den Leichnam geheftet sein und nie davon abgewendet werden. Verdreht man nur das Schwarze im Auge, gleich hat sich ein kleines Zauberwesen herbeigeschlichen! Denn sie wissen so gut die Gestalt von allerhand Tieren anzunehmen, dass sie darunter den Augen der Sonne und der Gerechtigkeit selbst entgehen könnten. Bald sind sie Vögel, bald Hunde, dann einmal wieder Mäuse, ja wohl gar Fliegen. Auch schläfern sie die Wächter durch gewisse Beschwörungsworte ein. Kurz, es lässt sich nicht alles sagen, was sie für Mittel und Wege anwenden, um ihren Zweck zu erreichen! Bei alledem wird für dieses mühevolle und gefährliche Geschäft niemals mehr als vier bis sechs Dukaten gegeben. Ach! und was ich bald vergessen hätte: Kann der Wächter am andern Morgen die Leiche nicht unversehrt wieder abliefern, so ist er gehalten, alles dasjenige, was ihr abgebissen oder abgerissen worden ist, aus seinem eigenen Gesicht schneiden zu lassen, um den Schaden wiedergutzumachen.‹

      Als ich dies gehört hatte, fasse ich Mut und trete an den Ausrufer heran.

      ›Hört nur auf zu schreien, guter Freund‹, spreche ich, ›hier ist schon ein Wächter! Wie viel wollt Ihr mir geben?‹

      ›Tausend Nummen‹, sagt er ›sollen für Euch zur Belohnung hinterlegt werden. Nur müsst Ihr auch die Leiche auf das Allersorgfältigste vor den bösen Harpyien bewachen; es ist der Sohn eines der Vornehmsten dieser Stadt!‹

      ›Alles nur eine Kleinigkeit, ein wahrer Spaß für mich!‹ antwortete ich. ›Denn Ihr müsst wissen ich bin von Stahl und Eisen und kenne den Schlaf nicht, wenigstens bin ich ganz Auge, ein echter Lynkeus, ein Argus‹.

      Kaum dass ich ausgeredet hatte, so nimmt er mich unverzüglich mit sich zu einem Haus, dessen Eingang versperrt war. Er lässt mich durch eine kleine Hintertür hinein und führt mich in ein düsteres Zimmer mit verhangenen Fenstern, wo eine Dame in Trauer saß und weinte.

      Er trat zu ihr und sagte:

      ›Hier bringe ich Ihnen jemanden, Madame, der sich angeboten hat, Ihren Gemahl gut zu bewachen.‹

      Die Dame strich die Haare zurück, die von beiden Seiten über ein Gesicht hingen, das selbst in der Betrübnis entzückend schön war, sah mich an und sprach:

      ›Oh, lieber Freund, ich bitte Euch, tut es auch ja mit aller Sorgfalt!‹

      ›Seien Sie unbesorgt, Madame‹, gab ich zur Antwort, ›und halten Sie mir nur ein gutes Trinkgeld parat!‹

      Das versprach sie mir, stand darauf schleunigst auf und brachte mich in ein anderes Zimmer. Da stand die Leiche in schneeweiße Tücher eingeschlagen. Nachdem sieben Zeugen herbeigeholt worden waren, schlägt die Dame die Tücher voneinander, weint eine Weile über dem Toten und ruft endlich die Anwesenden zu Zeugen an, dass der Körper durchaus unversehrt sei.

      Sie zeigte, indem sie das tat, genau ein Glied nach dem andern an, und ein Notarius protokollierte es auf der Stelle.

      ›Sehen Sie, meine Herren‹, sprach sie, ›dass nichts der Nase fehlt, den Augen nichts, dass die Ohren unversehrt sind, die Lippen unbeschädigt, dass ganz ist das Kinn? Seien Sie hiervon meine Zeugen!‹

      Hierauf wurde das Protokoll unterzeichnet, und die Dame ging weg.

      ›Nun, Madame‹, rief ich ihr nach, ›seien Sie so gut und lassen mir alles geben, was ich brauche!‹

      ›Und was ist das?‹ fragt sie.

      ›Eine große Lampe‹, sagte ich, ›mit genügend Öl, um sie, bis es wieder hell wird, brennend zu erhalten, eine Flasche Wein nebst einem Glas und ein Tellerchen Brosamen von Ihrer Tafel.‹

      ›Geht‹, sprach sie und schüttelte den Kopf. ›Ihr seid nicht gescheit: Wie könnt Ihr Überbleibsel von Mahlzeiten in einem Trauerhause suchen, worin seit so vielen Tagen kein Rauch gesehen worden ist? Denkt Ihr etwa, Ihr seid zum Schmaus hierher gebeten? Schlagt Euch das aus dem Kopf und setzt Euch lieber hin und weint und wehklagt, wie es sich an einem solchen Orte geziemt!‹

      Hiermit wandte sie sich zu ihrem Mädchen und sagte: ›Myrrhina, gib im gleich eine Lampe und Öl!‹

      Als dies geschehen war, ging sie samt den andern aus dem Zimmer, und ich wurde eingeschlossen.

      So allein zum Schutz der Leiche zurückgelassen, reibe ich mir die Augen aus, und nachdem ich sie genügend zum Wachen gerüstet hatte, fange ich mir eins zu singen an, um die Furcht zu vertreiben. Darüber wird es dämmrig, finster, Nacht, und tiefer und tiefer Nacht. Je später hin, je grausiger.

      Auf

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