Der goldene Esel. Lucius Apuleius
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Da sich während ihrer Rede meine Röte und Verlegenheit wieder verloren hatten, so antwortete ich:
»Für diesmal muss ich es ausschlagen, liebe Tante! Ich würde sonst meinen Wirt Milo beleidigen, der mich sehr höflich bei sich aufgenommen hat. Doch sooft ich künftig wieder hierher reise, soll mir gewiss nichts angelegener sein, als dieser Gastfreundschaft unbeschadet Ihren Befehlen zu gehorchen und bei Ihnen abzusteigen.«
Unter diesen und anderen gegenseitigen Komplimenten gelangten wir zu Byrrhennas Wohnung, die nur wenige Schritte entfernt war. Ich wurde in einen überaus schönen Saal geführt.
In jeder der vier Ecken desselben stand eine Säule mit einer Victoria. Die Flügel ausgebreitet, den einen ihrer rosigen Füße zum eilenden Schritt vorgestreckt und mit der Spitze des andern eine rollende Kugel kaum noch berührend, schien die Göttin jetzt emporzufliegen.
Mitten im Saal prangte eine Diana aus parischem Marmor. Man kann nichts Herrlicheres sehen! In vollem Lauf, das Gewand flatternd im Wind, fällt sie gleich beim Hereintreten ins Auge und jagt durch überirdische Majestät Ehrfurcht und Schrecken ein. Hunde, aus demselben Steine gebildet, sitzen zu ihren Seiten. Drohend blicken sie um sich, recken die Ohren, halten die erweiterten Nasenlöcher in die Höhe, schnuffeln und schnaufen, und erschallt aus der Nachbarschaft irgendein Gebell, so glaubt man, es aus ihren Marmorrachen zu hören. Worin sich aber der vortreffliche Bildner am meisten hervorgetan hat, das ist die Stellung dieser Tiere. Gleichsam in völligem Sprung schweben Brust und Vorderläufe in der Luft, die Hinterfüße ruhen auf.
Hinter dem Rücken der Göttin steigt ein Fels empor und wölbt sich eine Grotte bedeckt mit Moos, Kräutern und Blättern, Stauden, Reben und blühenden Gesträuchen, die aber auch nur aus Stein sind, verwachsen und bis in das Innerste von dem Abglanz der marmornen Bildsäule erleuchtet. Um den Eingang der Grotte ziehen sich verwebte Ranken mit Früchten und höchst kunstvoll gearbeiteten Weintrauben, in denen die Kunst so mit der Natur wetteifert, dass sie wie echt aussehen. Hauchte der mostreiche Herbst die Farbe der Reife über sie, man würde lüstern die Hände nach ihren Beeren ausstrecken. Und neigte man über die Quelle sich hin, welche unter dem Fußtritt der Göttin entspringt und rieselnd sich weiterergießt, so glaubt man, es fehlte ihr – genauso wie den herunterhängenden Reben mit ihren Trauben – nicht einmal an Bewegung.
Unter dem verworrenen Laub erblickt man den Actäon. Schüchtern, als wäre er schon Hirsch, richtet er seinen vorwitzigen Blick auf die Göttin und hofft, sie jetzt im Marmorquell baden zu sehen.
Während ich dies alles mit Verwunderung und ausnehmendem Vergnügen nicht oft genug betrachten konnte, sagte Byrrhenna zu mir: »Sehen Sie dies alles als Ihr eigen an.« – Und mit den Worten lässt sie alle übrigen hinausgehen.
Als wir nun ganz allein waren, sprach sie:
»Bei Diana! Liebster Lucius, ich bin um Ihretwegen in tausend Ängsten und wie um meinen eigenen Sohn bekümmert! Oh, hüten Sie sich vor Pamphile, vor Ihres Wirtes Frau! Nehmen Sie sich äußerst vor ihren bösen Künsten und schändlichen Verführungen in Acht! Sie gilt in der ganzen Stadt als eine Erzzauberin, eine recht perfekte Meisterin der Schwarzen Kunst, die durch das bloße Anhauchen gewisser Kräuter und Steinchen und solcherlei Kleinigkeiten imstande ist, das Licht des Sternenhimmels in die Tiefen des Tartarus zu versenken und wieder das alte Chaos hervorzurufen. Sieht das Weib irgendeinen schönen jungen Menschen, steht sie sogleich in voller Glut, hängt mit Blick und Seele an ihm und lockt ihn so lange durch alle nur erdenkliche Schmeichelei an sich, bis sie ihn endlich fängt; dann legt sie ihn in unzerreißbare Liebesbande. Ist ihr Bestreben aber umsonst und bleibt der Gegenstand ihrer Zuneigung unbewegt oder entspricht er in seiner Leidenschaft nicht ihrer Erwartung, so verwandelt sie ihn voller Unwillen in einen Stein, ein Tier oder was ihr sonst einfällt. Ach, und so manchen hat sie gar aus dem Weg geräumt! Lassen Sie sich das von mir, lieber Lucius, zur Warnung gesagt sein; denn verliebt wie Ihre Wirtin ist, ist Ihre Jungend und Schönheit gerade ihre Sache.«
So sprach Byrrhenna zu mir in aufrichtiger Besorgnis.
Doch wollte die Standrede bei mir nicht verfangen. Vielmehr ging mir das Herz auf, sobald ich nur ein Wort von Magie hörte, und weit davon, Pamphile darum zu meiden, reizte es mich erst recht, es koste was es wolle, bei ihr in die Lehre zu gehen und so geradewegs in den Abgrund des Verderbens hineinzurennen.
Kurz, ich löse mich in dem Taumel eiligst von Byrrhenna wie von einer Kette, die mich zurückhielt, los, nehme plötzlich Abschied und eile in aller Geschwindigkeit heim in mein Quartier. Unterwegs sprach ich bei mir selbst, während ich wie ein Unsinniger lief:
»Jetzt Lucius, aufgepasst! So eine erwünschte Gelegenheit, deinen alten Durst nach Wundern zu löschen, bekommst du nicht wieder. Nur alle kindische Furcht beiseite! Tritt, so nahe du kannst, hinzu und beschaue alles recht bei Lichte. Mit deiner Wirtin musst du dir zwar nichts zu schaffen machen. Ehre als ein rechtschaffender Kerl des redlichen Milos Ehebett. Wage derweil kühn den Angriff auf Fotis! Das Mädchen ist hübsch und wohl weder dumm noch hartherzig. Gestern Abend wenigstens, als du schlafen gingst und sie dich zu Bett brachte, war sie ziemlich scherzhaft und zutraulich, schien ganz zärtlich, als sie dich zudeckte und zur guten Nacht auf den Kopf küsste, und mir scheint, ihre Mienen, ihr wiederholtes Umsehen beim Hinausgehen und ihr Stehenbleiben in der Tür sagten auch deutlich genug, dass sie weit lieber bei dir geblieben als weggegangen wäre. Frisch also, versuche dein Glück bei Fotis!«
So ins Selbstgespräch vertieft und mit diesem Entschluss komme ich zu Milos Wohnung. Weder er noch seine Frau war zu Hause.
Ich finde meine teure Fotis ganz allein in der Küche vor der Anrichte, wo sie ihrer Herrschaft ein Ragout zubereitete, dessen lieblicher Geruch mir schon von weitem den Mund wässerig machte.
Sie hatte ein nettes Leinenkleid an und war dicht unterm Busen mit einer schönen, fleischfarbenen Binde hoch und zierlich gegürtet.
Soeben schwenkte sie mit niedlichen Händen die Kasserolle um, worin sie das Essen zurechtmachte. Durch ihre rasche Bewegung gerieten alle ihre zarten Glieder, wie Gallert, in das sanfteste Beben. Hin und her wallten die wohlgepflegten Lenden, und wollüstig zitterten unter ihnen die runden Hüften.
Ich stutzte bei dem Anblick und erstarrte fast vor Erstaunen und Bewunderung. Jeder schlummernde Sinn erwachte und empörte sich. Endlich rief ich:
»Ei, allerliebst, Fotis! Ja, mit solchem regen Kreuz lässt sich schon das Pfännchen schwenken und was Gutes zubereiten! Oh, wahrhaftig, mehr als glücklich, wer da nur mit dem Finger hineintunken darf!«
Das Mädchen, das gar nicht auf den Mund gefallen war, sah sich sogleich mit schelmischer Miene nach mir um und versetzte schalkhaft:
»Necken Sie mich nicht, mein schöner Herr, und verbrennen Sie sich nicht an meinem Herd, oder es wird Ihnen schlecht ergehen. Niemand sonst als ich kann Ihnen dann helfen, und obwohl ich im Bett genauso gut bin wie in der Küche, so dürfte ich Sie doch wohl ein wenig zappeln lassen.«
Ich ließ mich hierdurch nicht abschrecken, sondern blieb stehen und betrachtete ganz aufmerksam alle Reize dieses drolligen Mädchens. Ich schweige von den übrigen, da ich für Kopf und Haar von jeher besonders eingenommen bin. Bin ich in Gesellschaft, so sehe ich mich beständig danach um, und in der Einsamkeit habe ich im Stillen meine Lust und Freude daran.
Der Grund für diese Vorliebe ist meines Wissens folgender:
Wäre der Kopf nicht der vornehmste Teil des Körpers, weshalb hätte