Südwärts. Ernest Henry Shackleton

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Südwärts - Ernest Henry Shackleton Edition Erdmann

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eine Stelle, wo ein Schwertwal in zwölfeinhalb Zoll starkes Eis ein Loch von acht mal zwölf Fuß geschlagen hatte. Dort waren dicke Eisbrocken auf die Scholle geschleudert worden. Einmal war Wordie damit beschäftigt, die Dicke des Eises zu messen, als er dabei bis zur Hüfte ins Wasser fiel und in einer benachbarten Rinne ein Schwertwal zum Blasen auftauchte. Hastig zogen ihn seine Kollegen wieder heraus.

      Am 22. Februar erreichte die Endurance den südlichsten Punkt auf ihrer Drift und berührte auf einer Länge von 35° W den 77. Breitengrad.

      Der Sommer war vorüber, ja, eigentlich hatten wir gar keinen richtigen Sommer erlebt. Die Temperaturen blieben Tag und Nacht im Keller und das Packeis fror rund ums Schiff immer fester zu. Am 22. Februar um 2 Uhr maß das Thermometer – 23° Celsius. Einige Stunden zuvor hatten wir im Süden einen herrlichen goldenen Nebel beobachtet, wo die Strahlen der untergehenden Sonne den vom Eis aufsteigenden Dampf anstrahlten. Unter solchen Bedingungen verschwinden alle gewohnten Perspektiven, und die niedrigen Kämme des Packeises mit dem Nebel dazwischen vermittelten die Illusion eines wilden Gebirges wie im Berner Oberland. Es konnte keinen Zweifel mehr geben, dass die Endurance für den Winter eingeschlossen blieb. Leichte Brisen aus Ost, Süd und Südwest konnten die Eisschollen nicht am Zusammenfrieren hindern. Die Robben verschwanden und die Vögel verließen uns. Das Land am Horizont schien noch immer schönes Wetter zu haben, aber es lag für uns jetzt außer Reichweite, und es war müßig, den hinter uns liegenden Landungsstellen nachzutrauern.

      »Wir müssen auf den Frühling warten, der uns vielleicht mehr Glück beschert. Hätte ich vor einem Monat vorausgeahnt, dass uns das Eis hier festhalten würde, hätte ich unser Basislager an einem der Landungsplätze an dem großen Gletscher aufgeschlagen. Aber es schien kein Grund zu der Annahme zu geben, dass sich das Schicksal als dermaßen unfreundlich erweisen würde. Diese ruhige Wetterlage mit extremer Kälte ist während des Sommers höchst außergewöhnlich. Meine Hauptsorge gilt jetzt der Drift. Wo werden die unsteten Winde und Strömungen das Schiff während der langen, vor uns liegenden Wintermonate hintreiben? Es wird Richtung Westen gehen, das war klar, aber wie weit? Und würde es möglich sein, gleich zu Beginn des Frühlings aus dem Packeis auszubrechen und die Vahselbucht oder einen anderen geeigneten Landungsplatz zu erreichen? Diese Fragen waren für uns von großer Tragweite.«

      Am 24. Februar stellten wir die routinemäßigen Schiffswachen ein und machten die Endurance zum Winterquartier. Die ganze Besatzung verrichtete tagsüber ihren Dienst und schlief nachts, außer einer Wache, die nach den Hunden schaute und achtgab, ob sich irgendetwas im Eis bewegte. Um Steuerruder und Schiffsschraube schafften wir einen freien Raum von zehn mal zwanzig Fuß, indem wir das zwei Fuß starke Eis zersägten und die Blöcke mit einer vom Schiffzimmermann gebauten Greifzange aus dem Wasser hoben. Crean benutzte die Blöcke, um für die Hündin Sally, die die Expedition um einen kleinen Wurf Welpen verstärkt hatte, eine Eishütte zu bauen. Hin und wieder tauchten Robben auf, und wir erlegten alle, die in unsere Reichweite kamen. Sie bedeuteten sowohl Brennstoff als auch Nahrung für Mannschaft und Hunde. Es wurde Order gegeben, achtern die Laderäume zu leeren und die Vorräte zu überprüfen, um genau zu wissen, womit wir für die Belagerung durch den antarktischen Winter gerüstet waren. Am nächsten Tag verließen die Hunde das Schiff. Ihre Hütten wurden auf der Eisscholle errichtet, entlang eines Drahtseils, an dem wir ihre Leinen befestigten. Die Tiere schienen von Herzen froh zu sein, das Schiff verlassen zu dürfen, und kläfften laut und fröhlich, als sie ihre neuen Quartiere bezogen. Kaum hatten wir mit dem Training für die Gespanne begonnen, gab es schon große Rivalitäten zwischen den Schlittenführern. Die flachen Eisschollen und gefrorenen Wasserrinnen in der Nähe des Schiffs waren hervorragende Sportplätze. Hockey und Fußball gehörten zu unseren beliebtesten Abwechslungen, und alle Mann nahmen voller Eifer an diesen Spielen teil. Am 26. Februar stieg Worsley mit einigen Mann auf die Eisscholle und begann eine Reihe von Iglus und »Hundlus« um das Schiff herum zu bauen. Diese kleinen Gebäude wurden nach Eskimoart aus großen Eisblöcken und dünnen Eisplatten für die Dächer errichtet. Darauflegte man Planken oder gefrorene Robbenfelle, verteilte über allem Schnee und presste ihn in die Ritzen, und zum Schluss goss man Wasser drüber, um dem ganzen Gebilde Festigkeit zu verleihen. Innen wurde das Eis geglättet und für die Hunde mit Schnee bestreut, die jedoch lieber draußen schliefen, außer bei ganz schlechtem Wetter. Das Anleinen der Hunde war eine einfache Angelegenheit. Wir steckten das Ende der Kette etwa acht Zoll tief in den Schnee, drückten einige Eisstückchen dagegen und gossen ein wenig Wasser drüber. Der eisige Atem der Antarktis ließ augenblicklich alles steinhart gefrieren. Vier kranke Hunde mussten erschossen werden. Ein paar der Tiere litten schrecklich unter Würmern, und alle Heilmittel, die uns zur Verfügung standen, zeigten leider keine Wirkung. Alle gesunden Hunde trainierten mit den Schlitten und waren begeistert bei der Sache. Manchmal führte ihr Eifer, auf und davon zu laufen, zu komischen Situationen, aber die Schlittenführer lernten, auf der Hut zu sein. Unser Funkgerät blieb noch immer aufgebaut, doch lauschten wir Samstagnacht vergeblich auf die Zeitsignale von der Neujahrsinsel, deren Sendung eigens für uns von der argentinischen Regierung angeordnet worden war. Am Sonntag, dem 28. Februar wartete Hudson um 2 Uhr auf das monatliche Signal aus Port Stanley, konnte aber nichts hören. Die Entfernungen waren eindeutig zu groß für unsere kleine Anlage.

      32Ross: James Clark Ross, 1800–1862, britischer Marineoffizier und Polarforscher, erreichte im antarktischen Sommer 1842–43 im Weddellmeer die südliche Breite von 71° 30'.

      33Wasserhimmel: engl. water-sky, ein Lichtphänomen, das vornehmlich in den Polarregionen auftaucht, wobei die Unterseiten von Wolken dunkel oder schwarz erscheinen, wenn sie über einer offenen Wasserfläche liegen, weshalb man diese Erscheinung zum Navigieren nutzen kann.

      34Kabellänge: etwa 185 m.

      35Nunatak: Bezeichnet einen isoliert aus Eismassen aufragenden Felsen.

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