Südwärts. Ernest Henry Shackleton
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Um Mitternacht des 3. Januars mussten wir nach elf Meilen Richtung Süden haltmachen, als wir in einen so dichten Schneefall gerieten, dass nicht mehr zu erkennen war, ob man in Rinnen und Öffnungen einfahren konnte oder nicht. Das Eis war zerklüftet, doch glücklicherweise ließ der Sturm nach, und nachdem wir Wasserflächen und Fahrrinnen um uns herum geprüft hatten, wandten wir uns zurück nach Nordosten. Wir sichteten zwei Pottwale und zwei große Blauwale – die ersten seit 260 Meilen –, außerdem etliche Sturmvögel, Adelie- und Kaiserpinguine, Krabbenfresserrobben und Seeleoparden. Die klare Sicht am Morgen zeigte uns, dass das Packeis von Südost nach Südwest massiv und undurchdringlich war. Am 4. Januar um 10 Uhr kamen wir erneut auf fünf Yards an den kleinen Eisberg heran, den wir am Tag zuvor schon zwei Mal passiert hatten. Seit fünfzig Stunden waren wir unter Dampf über eine Fläche von zwanzig Quadratmeilen gekreuzt, um eine Öffnung nach Süden, Südost oder Südwest zu finden, aber alle Wasserrinnen verliefen nach Norden, Nordost oder Nordwest. Es war, als wollten die Geister der Antarktis uns den Rückweg weisen – den wir auf keinen Fall einzuschlagen gedachten. Unser Ziel war es, so weit nach Südwesten zu kommen, dass wir Festland erreichten, möglichst östlich von dem südlichsten Punkt, zu dem Ross32 vorstieß, und auch östlich von Coatsland. Das war umso wichtiger, als die vorherrschende Windrichtung Ost zu sein schien und daher jede Meile Richtung Osten zählte. Am Nachmittag fanden wir im Westen offenes Wasser, und bis 4 Uhr fuhren wir Westsüdwest bei immer weniger Eis voraus. Die Sonne stand um Mitternacht über drei Grad hoch am Himmel, und wir konnten bei anhaltend gutem Wetter bis zum folgenden Mittag in diese Richtung weiterfahren. Unsere Position war 70° 28' S und 20° 16' W und wir hatten zweiundsechzig Meilen Richtung S 62° W zurückgelegt. Um 8 Uhr gab es von Nord über West bis Südwest offenes Wasser, gegen Süd und Ost aber nur undurchdringliches Packeis. Um 15 Uhr war der Weg nach Südwest und Westnordwest völlig versperrt. Da wir ohnehin ein Stück nach Westen abgekommen waren, hielt ich es auf keinen Fall für geraten, noch mehr von dem schwindenden Vorrat an Kohle zu verbrennen, um nach Westen oder Norden zu fahren. Ich führte das Schiff auf unserem Kurs etwa vier Meilen zurück zu einer Stelle, wo etwas loseres Packeis die schwache Hoffnung auf eine Durchfahrt weckte. Aber nachdem wir drei Stunden mit stark zerklüfteten Eis gekämpft hatten und vier Meilen nach Süden vorgedrungen waren, brachten uns enorme Blöcke und Schollen aus sehr altem Eis zum Stehen. Jeder weitere Versuch schien aussichtslos, und so gab ich, nachdem wir die Endurance an einer festen Scholle verankert hatten, Befehl, die Maschinen zu drosseln. Das Wetter war schön und einige Fußballbegeisterte trugen auf der Scholle ein Spiel aus, bis Worsley gegen Mitternacht durch ein Loch im morschen Eis fiel, aus dem er den Ball herausfischen wollte. Jetzt musste er selber herausgefischt werden.
Am folgenden Morgen, dem 6. Januar, versperrte noch immer massives Packeis den Weg nach Süden. Nördlich der Eisscholle gab es etwas offenes Wasser, doch da es windstill war und ich keine Kohle für eine möglicherweise fruchtlose Suche nach einer südlichen Durchfahrt vergeuden wollte, blieb das Schiff an der Eisscholle vor Anker. Diese Pause bei schönem Wetter bescherte uns die Gelegenheit, die Hunde zu bewegen. Die Hundeführer brachten die Tiere, die ganz außer Rand und Band waren, auf die Scholle. Einige schafften es, ins Wasser zu springen, und andere ließen sich von den Maulkörben nicht daran hindern, sich hitzige Gefechte zu liefern. Zwei Hunde, denen es gelungen war, ihre Maulkörbe abzustreifen, fielen kämpfend in ein Eisloch. Als wir sie herauszogen, waren sie noch immer ineinander verbissen. Aber trotz allem genossen Männer und Hunde den Auslauf. Eine Lotung ergab eine Tiefe von 2400 Faden, und die Bodenprobe enthielt blauen Schlamm. Am nächsten Morgen frischte der Wind aus West auf, und wir begannen, den nördlichen Rand des massiven Packeises in östlicher Richtung zu umsegeln. Bis Mittag kamen wir vom dichten Packeis weg, aber der Blick nach Süden gab nur wenig Hoffnung, entscheidend voranzukommen. Daher bemühte ich mich jetzt, weiter nach Osten zu gelangen. Wir segelten Richtung Nordost und passierten nach neununddreißig Meilen einen Eisberg, dem wir schon vor sechzig Stunden begegnet waren. Um uns herum tauchten nun Schwertwale auf, und ich musste darauf achten, keinem zu gestatten, das Schiff zu verlassen. Diese Raubtiere haben nämlich die Angewohnheit, über den Rand von Eisschollen zu spähen, um dort ruhende Robben ausfindig zu machen. Dann schießen sie von unten durch das Eis, um sich ihre Beute zu schnappen. Und sie würden wohl kaum einen Unterschied zwischen Robben und Menschen machen.
Die Mittagsposition am 8. Januar war 70° 0' S und 19° 09' W. Wir hatten in den vergangenen vierundzwanzig Stunden sechsundsechzig Meilen in nordöstlicher Richtung zurückgelegt. Am Nachmittag verlief unser Kurs Ostsüdost durch loses Packeis und offenes Wasser mit zahlreichen zerklüfteten Eisschollen im Süden. Es kamen etliche Wasserrinnen Richtung Süden in Sicht, wir hielten aber den östlichen Kurs bei. Die Eisschollen wurden weniger, und es gab Anzeichen von offenem Wasser voraus. Das Schiff passierte an diesem Tag nicht weniger als fünfhundert Eisberge, von denen einige eine enorme Größe besaßen. Ein dunkler Wasserhimmel33 dehnte sich am nächsten Morgen von Ost nach Südsüdost aus, und die Endurance arbeitete sich mit halber Kraft durchs lose Packeis und erreichte kurz vor Mittag das offene Wasser. Am Rand des losen Packeises lag wie ein Schutzwall ein 150 Fuß hoher und eine viertel Meile langer Eisberg. Wir segelten über einen vorstehenden Ausläufer dieses Bergs in das wogende Meer, das sich bis an den Horizont erstreckte. Das freie Wasser dehnte sich etwa von Südsüdwest über Ost bis nach Nordnordost aus, und genau über dem Süden hing ein hochwillkommener und vielversprechender dunkler Wasserhimmel. Ich legte den Kurs auf Süd bei Ost, um sowohl südlich wie östlich des südlichsten Punkts zu kommen, zu dem Ross vorgestoßen war (71° 30' südlicher Breite).
Wir blieben hundert Meilen im offenen Wasser, passierten viele Eisberge, stießen aber nicht auf Packeis. Zwei sehr große Wale, wahrscheinlich Blauwale, schwammen nahe ans Schiff heran, sodass wir ringsum ihre Fontänen sahen. Offenes Wasser inmitten des Packeises auf diesem Breitengrad mag den Walen, die weiter im Norden von den Menschen gehetzt werden, wie ein Heiligtum vorkommen. Die Fahrt Richtung Süden in blauem Wasser und mit offen vor uns liegender Wegstrecke war nach dem langen Kampf in den vereisten Fahrrinnen eine erfreuliche Erfahrung. Aber wie alle guten Dinge fand auch die Zeit unseres ungehinderten Vorankommens schließlich ein Ende. Am 10. Januar um 1 Uhr stieß die Endurance erneut auf Eis. Loses Packeis erstreckte sich von Ost nach Süd, während im Westen offenes Wasser und ein guter Wasserhimmel zu sehen waren. Es bestand zum Teil aus stark zerklüfteten Eis, das Anzeichen großen Druckes trug, aber auch viele dicke, flache Schollen enthielt, die sich offenbar in einer geschützten Bucht gebildet hatten und weder Druck noch Bewegung ausgesetzt gewesen waren. Der Strudel unseres Kielwassers spülte Kieselalgenschaum von den Rändern des Eises herab. Gegen 9 Uhr war das Wasser voller Kieselalgen, und ich ließ das Lot auswerfen. Bis 210 Faden wurde kein Grund geortet. Die Endurance setzte an diesem Morgen ihre Fahrt nach Süden durch das lose Packeis fort. Wir sichteten die Fontänen etlicher Wale und beobachteten einige Hundert Krabbenfresserrobben, die auf den Schollen lagen. Es gab auch viele weiße Seeschwalben, Antarktik- und Schneesturmvögel und auf einem kleinen Eisberg tummelte sich eine Kolonie Adeliepinguine. Wir sahen auch ein paar Schwertwale mit ihrer charakteristischen hohen Rückenflosse. Die Mittagsposition war 72° 02' S und 16° 07' W. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatten wir 136 Meilen Richtung S 6° O zurückgelegt.
Wir befanden uns nun unweit der Küste, die Dr. W. S. Bruce, Leiter der »Scotia«-Expedition, 1904 entdeckt und Coatsland benannt hatte. Dr. Bruce war bei 72° 18' S und 10° W auf eine Eisbarriere gestoßen, die sich von Nordost nach Südwest erstreckte. Er fuhr 150 Meilen nach Südwest an ihrem Rand entlang und erreichte 74° 1' N und 22 W. Er entdeckte keinen nackten Fels, aber seine Beschreibung von ansteigenden Hängen aus Schnee und Eis und seichtem Wasser vor der Barriere deuteten klar auf Land hin. An einem dieser Abhänge, so weit südlich wie möglich, wollte ich den Marsch quer über den antarktischen Kontinent beginnen. Alle Mann hielten jetzt Ausschau nach der von Dr. Bruce beschriebenen Küste, und um 17 Uhr meldete der Ausguck Richtung Südsüdost Land in Sicht. Wir konnten einen sanften Schneehang zu einer Höhe von tausend Fuß ansteigen sehen. Es schien eine Insel oder Halbinsel zu sein, mit einem Sund an ihrer Südseite. Ihre nördliche Spitze lag bei 72° 34' S und 16° 40' W. Die Endurance fuhr durch dickes, lockeres Packeis und bog kurz vor Mitternacht am Rand der Barriere in eine