Südwärts. Ernest Henry Shackleton
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Wir hatten alle Einzelheiten ausgearbeitet, was Entfernungen, Routen, notwendige Vorräte und so weiter betraf. Der Proviant für die Schlitten war perfekt eingeteilt, ein Ergebnis sowohl aus Erfahrungen als auch genauester Untersuchungen. Die Hunde ließen hoffen, nach etwas Übung mit beladenem Schlitten täglich etwa fünfzehn bis zwanzig Meilen zurücklegen zu können. Bei diesem Tempo könnte die Durchquerung des Kontinents innerhalb von hundertundzwanzig Tagen bewältigt werden, falls nichts Unvorhergesehenes dazwischenkam. Wir warteten ungeduldig auf den Tag, an dem wir diesen Marsch antreten konnten, dieses letzte große Abenteuer in der Geschichte der Erforschung des Südpols, doch das Wissen um die Schwierigkeiten, die zwischen uns und unserem Ausgangspunkt lagen, halfen, unsere Ungeduld im Zaum zu halten. Alles hing von der Landung ab. Wenn es uns gelänge, an Filchners Station anzulanden, gab es keinen Grund, warum ein Trupp erfahrener Männer dort nicht in Sicherheit überwintern können sollte. Doch das Weddellmeer war berüchtigt für seine Unwirtlichkeit, und wir wussten bereits, dass es sich uns von seiner schlechtesten Seite präsentierte. Aus seemännischer Sicht waren alle Bedingungen im Weddellmeer ungünstig. Die Winde wehten vergleichsweise schwach, so konnte sich selbst im Sommer neues Eis bilden. Das Fehlen starker Winde sorgt zusätzlich dafür, dass sich das Eis ungehindert massiv aufbauen kann. Dann treiben große Mengen von Eis unter Einfluss der vorherrschenden Strömung an der Küste entlang und füllen die Bucht des Weddellmeeres, indem sie sich in einem großen Halbkreis nordwärts bewegen. Ein Teil des Eises beschreibt sogar einen fast vollständigen Kreis und bewegt sich in kalten Jahren letztlich Richtung Südliche Sandwichinseln. Die starken Strömungen pressen die Eismassen gegen die Küste und bauen einen höheren Druck auf als irgendwo sonst in der Antarktis. Dieser Druck muss ähnlich groß sein wie der in dem gestauten Becken des Nordpolarmeeres, und ich neige zu der Ansicht, dass ein Vergleich für die Arktis sogar günstiger ausfallen würde. All diese Überlegungen hatten natürlich Auswirkungen auf unser gegenwärtiges Problem, nämlich ins Packeis vorzudringen und an der Küste des Südkontinents einen sicheren Hafen zu finden.
Dann kam der Tag der Abreise. Am 5. Dezember 1914 gab ich um 8:45 Uhr Befehl, den Anker zu lichten, und mit dem Gerassel der Ankerwinde zerbrach unsere letzte Verbindung zur Zivilisation. Der Morgen war trüb und wolkenverhangen, mit gelegentlichen Regen- und Schneeschauern, doch an Bord der Endurance waren alle frohen Mutes. Die lange Zeit der Vorbereitung war vorbei, und das Abenteuer lag vor uns.
Wir hatten gehofft, dass irgendein Dampfer aus dem Norden vor unserer Abreise Neuigkeiten vom Krieg und vielleicht Briefe aus der Heimat bringen würde. Am Abend des 4. Dezember traf ein Schiff ein, aber es brachte weder Post noch Aufschlüsse über das Weltgeschehen. Der Kapitän und die Besatzung waren alle stramm deutschfreundlich, und ihre »Nachrichten« bestanden aus unbefriedigenden Berichten über Niederlagen der Briten und Franzosen. Wir wären froh gewesen, die letzten Neuigkeiten aus einer freundlicheren Quelle erfahren zu haben. Anderthalb Jahre später erfuhren wir, dass der Dampfer Harpoon, der die Grytviken-Station versorgt, keine zwei Stunden, nachdem die Endurance in See gestochen war, mit Post für uns eintraf.
Der Bug der Endurance wandte sich Richtung Süden, und das tapfere Schiff tauchte in die südwestliche Dünung12 ein. Am Vormittag fiel Sprühregen, aber später am Tag klarte es auf, und wir hatten gute Sicht auf die Küste Südgeorgiens, als wir unter Dampf und Segel südostwärts fuhren. Der Kurs führte uns von den Inseln weg und dann südlich von Süd-Thule. Im Laufe des Tages frischte der Wind auf und alle Rahsegel13 wurden gesetzt, das Focksegel14 jedoch gerefft15, damit der Ausguck klare Sicht voraus hatte, denn wir wollten nicht riskieren, mit einem »Growler« zu kollidieren, einem dieser trügerischen Eisbrocken, die knapp unter der Wasseroberfläche treiben. Das Schiff lag einigermaßen ruhig in der von achtern16 anrollenden See, sah aber gewiss nicht so schmuck aus wie vor vier Monaten bei der Ausfahrt vor der englischen Küste. In Grytviken hatten wir Kohle geladen und diesen zusätzlichen Brennstoff an Deck verstaut, wo er die Bewegungsfreiheit nicht wenig beeinträchtigte. Der Schiffszimmermann hatte ein Behelfsdeck gebaut, das sich vom Heck bis zum Kartenhaus erstreckte. Zudem hatten wir für die Hunde eine Tonne Walfleisch an Bord genommen. Die großen Fleischstücke wurden in die Takelage gehängt, außer Reich-, aber nicht außer Sichtweite der Hunde, und als die Endurance rollte und stampfte17, hielten sie mit Adleraugen nach Fallobst Ausschau.
Ich war sehr zufrieden mit den Hunden, die überall im Schiff an den bequemsten Plätzen angebunden waren, die wir für sie finden konnten. Sie befanden sich in hervorragender Verfassung, und ich hatte das Gefühl, dass die Expedition über die richtigen Zugtiere verfügte. Es waren große, kräftige Tiere, ausgewählt aufgrund ihrer Ausdauer und Stärke, und wenn sie ebenso begierig darauf sein werden, unsere Schlitten zu ziehen, wie sie es jetzt sind, miteinander zu kämpfen, wäre alles bestens. Die Hundeführer verrichteten ihre Arbeit mit Begeisterung, und der Eifer, den sie dabei zeigten, Wesen und Gewohnheiten ihrer Schützlinge zu studieren, ließ hoffen, dass es später kaum Probleme mit den Hunden geben würde.
Während des 6. Dezembers legte die Endurance ein gutes Stück Wegstrecke Richtung Süden zurück. Die nördliche Brise war über Nacht aufgefrischt und brachte eine hohe See von Achtern mit sich. Es war dunstig, und wir passierten zwei Eisberge, mehrere Growler und zahllose Eisbrocken. Forscher und Besatzung erledigten ihre alltägliche Arbeit. Vom Schiff aus konnten wir eine vielfältige Vogelwelt beobachten, unter anderem Kap-, Blau- und Riesensturmvögel, Dunkel- und Wanderalbatrosse und Seeschwalben. Unser Kurs sollte durch die Passage zwischen Saunders Island und Candlemas Volcano führen. Der 7. Dezember brachte den ersten Dämpfer. Um 6 Uhr morgens änderte sich die Farbe des Meeres, das den ganzen Tag zuvor grün gewesen war, plötzlich zu einem tiefen Indigo. Das Schiff hielt sich gut in der rauen See, und einige Mitglieder der wissenschaftlichen Besatzung verstauten die an Deck gelagerte Kohle in die Kohlebunker18. Am frühen Nachmittag kamen Saunders Island und Candlemas in Sicht, und die Endurance steuerte um sechs Uhr abends zwischen beiden hindurch. Worsleys Beobachtungen ergaben, dass Saunders Island sich ungefähr drei Meilen östlich und fünf Meilen nördlich von ihrer auf der Karte eingezeichneten Position befand. Westlich der Insel trieben eine große Anzahl von Eisbergen, die meisten hatten die Form von Tafelbergen, und wir sahen, dass viele von ihnen gelb vor Kieselalgen waren. Ein Eisberg hatte an den Seiten große Flecken rotbrauner Erde. Das Vorkommen so vieler Eisberge war unheilvoll, und gleich, nachdem wir die Inseln passiert hatten, gerieten wir in Treibeis. Wir holten alle Segel ein und fuhren langsam unter Dampf weiter. Zwei Stunden später, fünfzehn Meilen nordöstlich von Saunders Island, stieß die Endurance auf einen Gürtel aus schwerem Packeis, der sich von Nord nach Süd erstreckte und etwa eine halbe Meile breit war. Dahinter lag freies Meer, aber die starke südwestliche Dünung machte das Packeis in unserer Umgebung undurchdringlich. Das war beunruhigend. Mittags befanden wir uns auf 57° 26' südlicher Breite, und ich hatte nicht erwartet, so weit im Norden auf Packeis zu stoßen, obwohl die Walfänger von Packeis bis hinauf nach Süd-Thule berichtet hatten.
Gegen Abend spitzte sich die Lage zu. Wir drangen in das Packeis vor, in der Hoffnung, die freie See dahinter zu erreichen, und fanden uns nach Einbruch der Dunkelheit auf einer Wasserfläche wieder, die kleiner und kleiner wurde. Das Eis mahlte in der starken Dünung um das Schiff herum, und ich hielt mit Sorge Ausschau nach Anzeichen, dass der Wind auf Ost dreht, da eine Brise aus dieser Richtung uns an die Küste drücken würde. Worsley und ich blieben die ganze Nacht auf Deck und wichen dem Packeis aus. Um 3 Uhr nachts fuhren wir südwärts, indem wir einige Öffnungen ausnutzten, die sich aufgetan hatten, stießen aber auf schnell treibendes Packeis, das offensichtlich schon alt und zum Teil großem Druck ausgesetzt gewesen war. Dann dampften wir Richtung Nordwest und entdeckten nordöstlich offenes Wasser. Ich drehte den Bug der Endurance dorthin, und wir kamen unter Volldampf frei. Dann wandten wir uns in der Hoffnung auf bessere Eisverhältnisse nach Osten, und nach fünf Stunden und einigen Ausweichmanövern hatten wir das Packeis umschifft und konnten wieder die Segel setzen. Dieses erste Geplänkel mit dem Packeis war zuweilen