Südwärts. Ernest Henry Shackleton
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Am Morgen des 11. Januars brachte eine östliche Brise Wolken und Schneefall. Die Barriere verlief Südwest bei West, und wir folgten ihr bis 11 Uhr fünfzig Meilen weit. Morgens waren die Klippen zwanzig Fuß hoch gewesen, am Mittag erreichten sie eine Höhe von 110 bis 115 Fuß. Die Bergkuppe war scheinbar um zwanzig bis dreißig Fuß angewachsen. Einmal wurden wir von sehr schwerem Packeis für drei Stunden von der Barriere abgedrängt. Ansonsten gab es an ihrem Rand nur offenes Wasser, bei hohem, losem Packeis in West und Nordwest. Wir beobachteten, wie eine Robbe auf und ab wippte, um einen langen silbrigen Fisch hinunterzuschlucken, der ihr mindestens achtzehn Zoll aus dem Maul hing. Die Mittagsposition war 73° 13' S und 20° 43' W. Die Lotung eine Meile von der Barriere entfernt ergab eine Tiefe von 155 Faden. Der Grund bestand aus groben vulkanischen Kieseln. Das Wetter trübte zunehmend ein, und ich hielt Kurs Richtung West, wo der Himmel offenes Wasser anzeigte, bis wir um 19 Uhr das Schiff an einer Scholle im losen Packeis längsseits legten. Es begann stark zu schneien, und ich machte mir Sorgen, ob der Westwind das Packeis nicht gegen die Küste treiben und das Schiff zerquetschen würde. Die Nimrod war 1908 im Rossmeer einem solchen Schicksal nur knapp entkommen.
Um 5 Uhr setzten wir am nächsten Morgen, dem 12. Januar, die Fahrt fort, bei bedecktem Himmel mit Nebel und Schneeschauern, und vier Stunden später brachen wir durch loses Packeis in offenes Wasser. Es herrschte schlechte Sicht, aber wir hielten Kurs Südost und hatten bis zum Mittag vierundzwanzig Meilen zurückgelegt. Bei Position 74° 4' S und 22° 48' W ergaben drei Lotungen 95, 128 und 103 Faden Tiefe, mit einem Grund aus Sand, Kieseln und Schlamm. Clark machte mit seinem Netz einen guten Fang an biologischen Proben. Die Endurance befand sich nun ganz dicht an der Barriere mit einem breiten Gürtel aus Packeis, in dem viele Eisberge wahrscheinlich am Grund festgefroren waren. Das feste Eis bog Richtung Nordwest ab, und wir fuhren an seinem Rand achtundvierzig Meilen Richtung N 60° W, um es zu umgehen.
Jetzt waren wir über den Punkt, den die Scotia erreicht hatte, hinaus, und das Land unter der Eisdecke, an deren Rand wir entlangfuhren, war Neuland. Die Biegung nach Norden kam unerwartet, und ich vermutete, dass wir eine riesige Eiszunge umfuhren, die an der eigentlichen Barriere hing und sich Richtung Norden erstreckte. Diese Vermutung sollte sich bestätigen. Die ganze Nacht lang umfuhren wir das Eis Kurs Nordwest, dann West bei Nord, und um 4 Uhr bogen wir wieder nach Südwest ab. Am 13. Januar um 8 Uhr steuerten wir Kurs Südsüdwest. Um Mitternacht war die Barriere niedrig und weit entfernt, um 8 Uhr trennte sie nur ein schmaler, etwa zweihundert Yard breiter Eisgürtel vom offenen Wasser. Ab Mittag gab es immer größere Lücken im Eisgürtel. An einer Stelle senkte sich die Barriere in einem Abhang bis auf Meereshöhe. Wir hätten dort ohne Schwierigkeiten Ausrüstung anlanden können. In vierhundert Fuß Entfernung von der Barriere machten wir eine Lotung, fanden aber bei 676 Faden keinen Grund. Um 16 Uhr folgten wir noch immer der Barriere nach Südwest, als wir eine Biegung erreichten, wo sie abrupt nach Südost zurückwich. Unser Weg wurde von sehr dickem Packeis versperrt. Nachdem wir stundenlang vergeblich nach einer Lücke gesucht hatten, machten wir die Endurance an einer Eisscholle fest und drosselten die Maschinen. An diesem Tag waren wir an zwei Rudeln von Robben vorbeigekommen, die sich schnell Richtung Nordwest und Nordnordost bewegten. Die Tiere schwammen dicht an dicht, tauchten auf und bliesen wie Tümmler, und wir fragten uns, ob ihre Reise gen Norden zu dieser Jahreszeit irgendeine Bedeutung hatte. Am Tag zuvor waren einige junge Kaiserpinguine gefangen und an Bord gebracht worden. Zwei von ihnen waren noch am Leben, als die Endurance an der Eisscholle längsseits ging. Prompt hüpften sie aufs Eis hinab, drehten sich um, verbeugten sich drei Mal artig und zogen sich auf die andere Seite der Scholle zurück. Es liegt etwas seltsam Menschliches im Benehmen und in den Bewegungen dieser Vögel. Ich machte mir Sorgen um die Hunde. Sie waren in schlechter Verfassung, einige schienen zu kränkeln. Am 12. Januar musste ein Hund erschossen werden. Am 14. kam das Schiff kein Stück voran. Gegen Abend frischte von Osten eine Brise auf, unter deren Einwirkung sich das Packeis von der Küste zu lösen begann. Noch vor Mitternacht öffnete sich das Eis, das uns den Weg versperrte, und gab eine Fahrrinne am Rand der Barriere frei. Ich entschied mich, bis zum Morgen zu warten, da ich nicht riskieren wollte, zwischen Barriere und Packeis eingeschlossen zu werden, falls der Wind sich drehte. Eine Messung ergab eine Tiefe von 1357 Faden und einen Grund aus Gletscherschlamm. Die Mittagsposition war 74° 09' S und 27° 16' W. Am 15. Januar um 6 Uhr lösten wir bei diesigem Wetter und nordöstlicher Brise die Leinen und fuhren in offenem Wasser die Barriere entlang. Der Kurs führte sechzehn Meilen nach Südost und drehte dann auf Südsüdost. In Luv hatten wir jetzt dichtes Packeis, und um 15 Uhr passierten wir eine Bucht, die sich etwa zehn Meilen tief nach Nordost erstreckte. Um 18 Uhr kamen wir an einer ähnlichen Bucht vorbei. Diese tiefen Einschnitte verstärkten die Vermutung, die wir schon seit Tagen hegten, dass wir eine riesige Eismasse von mindestens fünfzig Meilen Durchmesser umschifft hatten, die sich von der Küste gelöst hatte und möglicherweise bald aufs offene Meer treiben würde. Die Messungen – etwa 200 Faden an der Landseite und 1300 Faden an der Seeseite – legten nahe, dass dieser enorme Eiskörper schwamm. Es gab dort massenhaft Robben. Wir sahen sie in großer Zahl auf dem Packeis und einige auf den tiefer liegenden Teilen der Barriere, wo die Hänge weniger steil waren. Das Schiff fuhr durch große Rudel von Robben, die von der Barriere zum vor der Küste liegenden Packeis schwammen. Die Tiere planschten und bliesen um die Endurance herum, und Hurley filmte diesen ungewöhnlichen Anblick mit seiner Kamera.
Die Barriere verlief jetzt wieder in Richtung Südwest. Bei einer frischen Brise aus Ost setzten wir die Segel, die wir um 19 Uhr jedoch wieder einholen mussten, weil die Endurance eine Stunde lang von Packeis aufgehalten wurde. Wir nutzten die Pause zum Loten und stellten 268 Faden Tiefe fest, der Grund bestand aus Gletscherschlamm und Kieseln. Dann öffnete sich vor uns eine schmale Rinne. Wir rauschten mit Volldampf hindurch, und um 20:30 Uhr fuhr die Endurance auf einer weiten Wasserfläche unter Segel Richtung Süden. Ich hielt Ausschau nach möglichen Landungsplätzen, auch wenn ich nicht die Absicht hatte, ohne Not nördlich der Vahselbucht an der Luitpoldküste an Land zu gehen. Jede weitere in Richtung Süden zurückgelegte Meile bedeutete eine Meile weniger im Schlitten, wenn es an die Kontinentalquerung ging.
Kurz vor Mitternacht des 15. Januars kamen wir an die Nordflanke eines riesigen Gletschers oder Eisflusses aus dem Inlandeis, der über die Barriere ins Meer hinausragte. Er war vier- oder fünfhundert Fuß hoch, und an seinen Rändern drängten sich Massen von Buchteneis. Die Bucht, die von der Nordflanke dieses Gletschers gebildet wurde, wäre ein hervorragender Landungsplatz gewesen. Ein flacher Eisvorsprung etwa drei Fuß über Meereshöhe sah wie eine natürliche Kaimauer aus. Von dort stieg ein Abhang zum Gipfel der Barriere an. Die Bucht war vor dem Wind aus Südost geschützt und bot nur den Nordwinden Zugang, was in diesen Breiten höchst selten vorkommt. Eine Lotung ergab achtzig Faden Tiefe, was zeigte, dass der Gletscher bis zum Grund reichte. Ich gab dem Ort den Namen Glacier Bay und hatte später Grund, mich mit Wehmut an ihn zu erinnern.
Die Endurance dampfte etwa siebzehn Meilen an diesem Eisfluss entlang. Der Gletscher wies viele Spalten und durch hohen Druck entstandene Kämme auf und schien im Landesinneren bis zu eisbedeckten Hängen oder Hügeln von 1000 bis 2000 Fuß zurückzureichen. Einige seiner Buchten waren mit glattem Eis überzogen, auf dem sich Robben und Pinguine tummelten. Am 16. Januar erreichten wir um 4 Uhr den Rand einer weiteren riesigen Gletscherzunge, die sich ins Meer hineinschob. Das Eis schien über niedrige Hügel zu gleiten und war sehr brüchig. Die Gletscherfront war 250 bis 300 Fuß hoch, das Eis zwei Meilen weiter im Land etwa 2000 Fuß. Die im Meer liegende Front wies eine Gezeitenmarke von etwa sechs Fuß auf, was bewies, dass der Gletscher nicht schwamm. Wir dampften vierzig Meilen an diesem gewaltigen Gletscher entlang und wurden dann um 8:30 Uhr von festem Packeis aufgehalten, das sich anscheinend zwischen gestrandeten Eisbergen verkeilt hatte. Die Tiefe betrug zwei Kabellängen vor den Klippen der Barriere 134 Faden. An diesem Tag gab es kein Weiterkommen mehr, doch die mittags