Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше Gesammelte Werke bei Null Papier

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drei Jahr­hun­der­te.

      Ihre ver­schie­de­ne Sen­si­bi­li­tät drückt sich am bes­ten so aus:

      Ari­sto­kra­tis­mus: Des­car­tes, Herr­schaft der Ver­nunft, Zeug­niß von der Sou­ve­rä­ne­tät des Wil­lens;

      Fe­mi­nis­mus: Rous­seau, Herr­schaft des Ge­fühls, Zeug­niß von der Sou­ve­rä­ne­tät der Sin­ne, ver­lo­gen;

      Ani­ma­lis­mus: Scho­pen­hau­er, Herr­schaft der Be­gier­de, Zeug­niß von der Sou­ve­rä­ne­tät der A­ni­ma­li­tät, red­li­cher, aber düs­ter.

      Das 17. Jahr­hun­dert ist a­ri­sto­kra­tisch, ord­nend, hoch­müthig ge­gen das Ani­ma­li­sche, streng ge­gen das Herz, »un­ge­müth­lich«, so­gar ohne Ge­müth, »un­deutsch«, dem Bur­les­ken und dem Na­tür­li­chen ab­hold, ge­ne­ra­li­si­rend und sou­ve­rän ge­gen Ver­gan­gen­heit: denn es glaubt an sich. Viel Raubt­hier au fon­d, viel as­ke­ti­sche Ge­wöh­nung, um Herr zu blei­ben. Das wil­lens­star­ke Jahr­hun­dert; auch das der star­ken Lei­den­schaft.

      Das 18. Jahr­hun­dert ist vom Wei­be be­herrscht, schwär­me­risch, geist­reich, flach, aber mit ei­nem Geis­te im Dienst der Wünsch­bar­keit, des Her­zens, li­ber­tin im Ge­nus­se des Geis­tigs­ten, alle Au­to­ri­tä­ten un­ter­mi­ni­rend; be­rauscht, hei­ter, klar, hu­man, falsch vor sich, viel Ca­nail­le au fon­d, ge­sell­schaft­lich …

      Das 19. Jahr­hun­dert ist a­ni­ma­li­scher, un­ter­ir­di­scher, häß­li­cher, rea­lis­ti­scher, pö­bel­haf­ter, und eben­des­halb »bes­ser«, »ehr­li­cher«, vor der »Wirk­lich­keit« je­der Art un­ter­wür­fi­ger, wah­rer; aber wil­lens­schwach, aber trau­rig und dun­kel-be­gehr­lich, aber fa­ta­lis­tisch. We­der vor der »Ver­nunft«, noch vor dem »Her­zen« in Scheu und Hochach­tung; tief über­zeugt von der Herr­schaft der Be­gier­de (Scho­pen­hau­er sag­te »Wil­le«; aber Nichts ist cha­rak­te­ris­ti­scher für sei­ne Phi­lo­so­phie, als daß das ei­gent­li­che Wol­len in ihr fehlt). Selbst die Moral auf Ei­nen In­stinkt re­du­cirt (»Mit­leid«).

      Au­gus­te Com­te ist Fort­set­zung des 18. Jahr­hun­derts (Herr­schaft von cœur über la tête, Sen­sua­lis­mus in der Er­kennt­nis­theo­rie, al­truis­ti­sche Schwär­me­rei).

      Daß die Wis­sen­schaft in dem Gra­de sou­ve­rän ge­wor­den ist, das be­weist, wie das 19. Jahr­hun­dert sich von der Do­mi­na­ti­on der Idea­le los­ge­macht hat. Eine ge­wis­se »Be­dürf­niß­lo­sig­keit« im Wün­schen er­mög­licht uns erst un­se­re wis­sen­schaft­li­che Neu­gier­de und Stren­ge – die­se un­se­re Art Tu­gend …

      Die Ro­man­tik ist Nach­schlag des 18. Jahr­hun­derts; eine Art auf­get­hürm­tes Ver­lan­gen nach des­sen Schwär­me­rei großen Stils (– that­säch­lich ein gut Stück Schau­spie­le­rei und Selbst­be­trü­ge­rei: man woll­te die star­ke Na­tur, die große Lei­den­schaft dar­stel­len).

      Das 19. Jahr­hun­dert sucht in­stink­tiv nach Theo­ri­en, mit de­nen es sei­ne fa­ta­lis­ti­sche Un­ter­wer­fung un­ter das Tat­säch­li­che ge­recht­fer­tigt fühlt. Schon He­gel’s Er­folg ge­gen die »Emp­find­sam­keit« und den ro­man­ti­schen Idea­lis­mus lag im Fa­ta­lis­ti­schen sei­ner Denk­wei­se, in sei­nem Glau­ben an die grö­ße­re Ver­nunft auf Sei­ten des Sieg­rei­chen, in sei­ner Recht­fer­ti­gung des wirk­li­chen »Staa­tes« (an Stel­le von »Mensch­heit« u.s.w.). – Scho­pen­hau­er: wir sind et­was Dum­mes und, bes­ten Falls, so­gar et­was Sich-selbst-Auf­he­ben­des. Er­folg des De­ter­mi­nis­mus, der ge­nea­lo­gi­schen Ablei­tung der frü­her als ab­so­lut gel­ten­den Ver­bind­lich­kei­ten, die Leh­re vom mi­lieu und der An­pas­sung, die Re­duk­ti­on des Wil­lens auf Re­flex­be­we­gun­gen, die Leug­nung des Wil­lens als »wir­ken­der Ur­sa­che«; end­lich – eine wirk­li­che Um­tau­fung: man sieht so we­nig Wil­le, daß das Wort frei wird, um et­was An­de­res zu be­zeich­nen. Wei­te­re Theo­ri­en: die Leh­re von der Ob­jek­ti­vi­tät, »wil­len­lo­sen« Be­trach­tung, als ein­zi­gem Weg zur Wahr­heit; auch zur Schön­heit (– auch der Glau­be an das »Ge­nie«, um ein Recht auf Un­ter­wer­fung zu ha­ben); der Mecha­nis­mus, die aus­re­chen­ba­re Starr­heit des me­cha­ni­schen Pro­ces­ses; der an­geb­li­che »Na­tu­ra­lis­mus«, Eli­mi­na­ti­on des wäh­len­den, rich­ten­den, in­ter­pre­ti­ren­den Sub­jekts als Prin­cip –

      Kant, mit sei­ner »prak­ti­schen Ver­nunft«, mit sei­nem Moral-Fa­na­tis­mus ist ganz 18. Jahr­hun­dert; noch völ­lig au­ßer­halb der his­to­ri­schen Be­we­gung; ohne je­den Blick für die Wirk­lich­keit sei­ner Zeit, z. B. Re­vo­lu­ti­on; un­be­rührt von der grie­chi­schen Phi­lo­so­phie; Phan­tast des Pf­licht­be­griffs; Sen­sua­list, mit dem Hin­ter­hang der dog­ma­ti­schen Ver­wöh­nung –.

      Die Rück­be­we­gung auf Kant in un­se­rem Jahr­hun­dert ist eine Rück­be­we­gung zum acht­zehn­ten Jahr­hun­der­t: man will sich ein Recht wie­der auf die al­ten Idea­le und die alte Schwär­me­rei ver­schaf­fen, – dar­um eine Er­kennt­niß­theo­rie, wel­che »Gren­zen setzt«, das heißt er­laubt, ein Jen­seits der Ver­nunft nach Be­lie­ben an­zu­set­zen

      Die Denk­wei­se He­gel’s ist von der Goethe’­schen nicht sehr ent­fernt: man höre Goe­the über Spi­no­za. Wil­le zur Ver­gött­li­chung des Alls und des Le­bens, um in sei­nem An­schau­en und Er­grün­den Ru­he und Glück zu fin­den; He­gel sucht Ver­nunft über­all, – vor der Ver­nunft darf man sich er­ge­ben und be­schei­den. Bei Goe­the eine Art von fast freu­di­gem und ver­trau­en­dem Fa­ta­lis­mus, der nicht re­vol­tirt, der nicht er­mat­tet, der aus sich eine To­ta­li­tät zu bil­den sucht, im Glau­ben, daß erst in der To­ta­li­tät Al­les sich er­löst, als gut und ge­recht­fer­tigt er­scheint.

      *

      96.

      Pe­ri­ode der Auf­klä­rung, – dar­auf Pe­ri­ode der Emp­find­sam­keit. In­wie­fern Scho­pen­hau­er zur »Emp­find­sam­keit« ge­hört (He­gel zur Geis­tig­keit).

      *

      97.

      Das 17. Jahr­hun­dert lei­det am Men­schen wie an ei­ner Sum­me von Wi­der­sprü­chenl’a­mas de con­tra­dic­ti­ons«, der wir sind); es sucht den Men­schen zu ent­de­cken, zu ord­nen, aus­zu­gra­ben: wäh­rend das 18. Jahr­hun­dert zu ver­ges­sen sucht, was man von der Na­tur des Men­schen weiß, um ihn an sei­ne Uto­pie an­zu­pas­sen. »Ober­fläch­lich, weich, hu­man«, – schwärmt für »den Men­schen« –

      Das 17. Jahr­hun­dert sucht die Spu­ren des In­di­vi­du­ums aus­zu­wi­schen, da­mit das Werk dem Le­ben so ähn­lich als mög­lich sehe. Das 18. sucht durch das Werk für den Au­tor zu in­ter­es­si­ren.

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