Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше Gesammelte Werke bei Null Papier

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– und jene mo­der­ne Au­to­ren-Zu­dring­lich­keit und -Zu­spring­lich­keit – das sind Ge­gen­sät­ze. »Sich-pro­du­ci­ren« – da­mit ver­glei­che man die Ge­lehr­ten von Port-Roy­al.

      Al­fie­ri hat­te einen Sinn für großen Stil.

      Der Haß ge­gen das Bur­les­ke (Wür­de­lo­se), der Man­gel an Na­tur­sinn ge­hört zum 17. Jahr­hun­dert.

      *

      98.

      Ge­gen Rous­seau. – Der Mensch ist lei­der nicht mehr böse ge­nug; die Geg­ner Rous­seau’s, wel­che sa­gen »der Mensch ist ein Raubt­hier«, ha­ben lei­der nicht Recht. Nicht die Ver­derb­niß des Men­schen, son­dern sei­ne Ver­zärt­li­chung und Ver­mo­ra­li­si­rung ist der Fluch. In der Sphä­re, wel­che von Rous­seau am hef­tigs­ten be­kämpft wur­de, war ge­ra­de die re­la­ti­v noch star­ke und wohl­ge­rat­he­ne Art Mensch (– die, wel­che noch die großen Af­fek­te un­ge­bro­chen hat­te: Wil­le zur Macht, Wil­le zum Ge­nuß, Wil­le und Ver­mö­gen zu com­man­di­ren). Man muß den Men­schen des 18. Jahr­hun­derts mit dem Men­schen der Re­naissance ver­glei­chen (auch dem des 17. Jahr­hun­derts in Frank­reich), um zu spü­ren, worum es sich han­delt: Rous­seau ist ein Sym­ptom der Selbst­ver­ach­tung und der er­hitz­ten Ei­tel­keit – bei­des An­zei­chen, daß es am do­mi­ni­ren­den Wil­len fehlt: er mo­ra­li­sirt und sucht die Ur­sa­che sei­ner Mi­se­ra­bi­li­tät als Ran­cu­ne-Mensch in den herr­schen­den Stän­den.

      *

      99.

      Vol­tai­reRous­seau. – Der Zu­stand der Na­tur ist furcht­bar, der Mensch ist Raubt­hier; un­se­re Ci­vi­li­sa­ti­on ist ein un­er­hör­ter Tri­um­ph über die­se Raubt­hier-Na­tur: – so schloß Vol­tai­re. Er emp­fand die Mil­de­rung, die Raf­fi­ne­ments, die geis­ti­gen Freu­den des ci­vi­li­sir­ten Zu­stan­des; er ver­ach­te­te die Bor­nirt­heit, auch in der Form der Tu­gend; den Man­gel an De­li­ka­tes­se auch bei den As­ke­ten und Mön­chen.

      Die mo­ra­li­sche Ver­werf­lich­keit des Men­schen schi­en Rous­seau zu präoc­cu­pi­ren; man kann mit den Wor­ten »un­ge­recht«, »grau­sam« am meis­ten die In­stink­te der Un­ter­drück­ten auf­rei­zen, die sich sonst un­ter dem Bann des ve­ti­tum und der Un­gna­de be­fin­den: so­daß ihr Ge­wis­sen ih­nen die auf­rüh­re­ri­schen Be­gier­den wi­der­räth. Die­se Eman­ci­pa­to­ren su­chen vor Al­lem Eins: ih­rer Par­tei die großen Ac­cen­te und At­ti­tü­den der hö­he­ren Na­tur zu ge­ben.

      *

      100.

      Rous­seau: die Re­gel grün­dend auf das Ge­fühl; die Na­tur als Quel­le der Ge­rech­tig­keit; der Mensch ver­voll­komm­net sich in dem Maa­ße, in dem er sich der Na­tur nä­her­t (– nach Vol­taire in dem Maa­ße, in dem er sich von der Na­tur ent­fernt). Die­sel­ben Epo­chen für den Ei­nen die des Fort­schritts der Hu­ma­ni­tät, für den An­dern Zei­ten der Ver­schlim­me­rung von Un­ge­rech­tig­keit und Un­gleich­heit.

      Vol­taire noch die u­ma­nità, im Sin­ne der Re­naissance be­grei­fend, ins­glei­chen die vir­tù (als »hohe Cul­tur«), er kämpft für die Sa­che der »honnêtes gens« und »de la bon­ne com­pa­gnie«, die Sa­che des Ge­schmacks, der Wis­sen­schaft, der Küns­te, die Sa­che des Fort­schritts selbst und der Ci­vi­li­sa­ti­on.

      Der Kampf ge­gen 1760 ent­brannt: der Gen­fer Bür­ger und le seigneur de Fer­ney. Erst von da an wird Vol­taire der Mann sei­nes Jahr­hun­derts, der Phi­lo­soph, der Ver­tre­ter der To­le­ranz und des Un­glau­bens (bis da­hin nur un bel es­prit). Der Neid und der Haß auf Rous­seau’s Er­folg trieb ihn vor­wärts, »in die Höhe«.

      Pour »la ca­nail­le« un dieu ré­munéra­teur et ven­geur – Vol­taire.

      Kri­tik bei­der Stand­punk­te in Hin­sicht auf den Werth der Ci­vi­li­sa­tion. Die so­cia­le Er­fin­dung die schöns­te, die es für Vol­taire giebt: es giebt kein hö­he­res Ziel, als sie zu un­ter­hal­ten und zu ver­voll­komm­nen; eben Das ist die honnêteté, die so­cia­len Ge­bräu­che zu ach­ten; Tu­gend ein Ge­hor­sam ge­gen ge­wis­se nothwen­di­ge »Vor­urt­hei­le« zu Guns­ten der Er­hal­tung der »Ge­sell­schaft«. Cul­tur-Mis­sio­när, Ari­sto­krat, Ver­tre­ter der sieg­rei­chen, herr­schen­den Stän­de und ih­rer Wer­thun­gen. Aber Rous­seau blieb Ple­be­jer, auch als hom­me de lett­res, das war un­er­hör­t; sei­ne un­ver­schäm­te Ver­ach­tung al­les Des­sen, was nicht er selbst war.

      Das Krank­haf­te an Rous­seau am meis­ten be­wun­dert und nach­ge­ahm­t. (Lord By­ron ihm ver­wandt; auch sich zu er­ha­be­nen At­ti­tü­den auf­schrau­bend, zum ran­cunö­sen Groll; Zei­chen der »Ge­mein­heit«; spä­ter, durch Ve­ne­dig in’s Gleich­ge­wicht ge­bracht, be­griff er, was mehr er­leich­ter­t und wohl­thut, … l’in­sou­cian­ce.)

      Rous­seau ist stolz in Hin­sicht aus Das, was er ist, trotz sei­ner Her­kunft; aber er ge­räth au­ßer sich, wenn man ihn dar­an er­in­ner­t…

      Bei Rous­seau un­zwei­fel­haft die Geis­tes­stö­rung, bei Vol­taire eine un­ge­wöhn­li­che Ge­sund­heit und Leich­tig­keit. Die Ran­cu­ne des Kran­ken; die Zei­ten sei­nes Irr­sinns auch die sei­ner Men­schen­ver­ach­tung und sei­nes Miß­trau­ens.

      Die Vert­hei­di­gung der Pro­vi­denz durch Rous­seau (ge­gen den Pes­si­mis­mus Vol­tai­re’s): er brauch­te Gott, um den Fluch auf die Ge­sell­schaft und die Ci­vi­li­sa­ti­on wer­fen zu kön­nen; Al­les muß­te an sich gut sein, da Gott es ge­schaf­fen; nur der Mensch hat den Men­schen ver­dor­ben. Der »gute Mensch« als Na­tur­mensch war eine rei­ne Phan­ta­sie; aber mit dem Dog­ma von der Au­tor­schaft Got­tes et­was Wahr­schein­li­ches und Be­grün­de­tes.

      Ro­man­tik à la Rous­seau: die Lei­den­schaft (»das sou­ve­rä­ne Recht der Pas­si­on«); die »Na­tür­lich­keit«; die Fas­ci­na­ti­on der Ver­rückt­heit (die Narr­heit zur Grö­ße ge­rech­net); die un­sin­ni­ge Ei­tel­keit des Schwa­chen; die Pö­bel-Ran­cu­ne als Rich­te­rin (»in der Po­li­tik hat man seit hun­dert Jah­ren einen Kran­ken als Füh­rer ge­nom­men«)

      *

      101.

      Kant: macht den er­kennt­niß­theo­re­ti­schen Skep­ti­cis­mus der Eng­län­der mög­lich für Deut­sche:

      1) in­dem er die mo­ra­li­schen und re­li­gi­ösen Be­dürf­nis­se der Deut­schen für den­sel­ben in­ter­es­sirt: so wie aus glei­chem Grun­de die neue­ren Aka­de­mi­ker die Skep­sis be­nutz­ten als Vor­be­rei­tung für den Pla­to­nis­mus (vi­de Au­gus­tin); so wie Pas­cal so­gar die mo­ra­lis­ti­sche Skep­sis be­nutz­te, um

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