Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
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Daß diesem »Deutschen, wie er noch nicht ist« – etwas Besseres zukommt, als die heutige deutsche »Bildung«; daß alle »Werdenden« ergrimmt sein müssen, wo sie eine Zufriedenheit auf diesem Bereiche, ein dreistes »Sich-zur-Ruhe-setzen« oder »Sich-selbst-anräuchern« wahrnehmen: das ist mein zweiter Satz, über den ich auch noch nicht umgelernt habe.
c) Anzeichen der Erstarkung.
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109.
Grundsatz: es giebt etwas von Verfall in Allem, was den modernen Menschen anzeigt: aber dicht neben der Krankheit stehen Anzeichen einer unerprobten Kraft und Mächtigkeit der Seele. Dieselben Gründe, welche die Verkleinerung der Menschen hervorbringen, treiben die Stärkeren und Seltneren bis hinauf zur Größe.
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110.
Gesammt-Einsicht: der zweideutige Charakter unsrer modernen Welt, – eben dieselben Symptome könnten auf Niedergang und auf Stärke deuten. Und die Abzeichen der Stärke, der errungenen Mündigkeit könnten auf Grund überlieferter ( zurückgebliebener) Gefühls-Abwerthung als Schwäche mißverstanden werden. Kurz, das Gefühl, als Werthgefühl, ist nicht auf der Höhe der Zeit.
Verallgemeinert: Das Werthgefühl ist immer rückständig, es drückt Erhaltungs-, Wachsthums-Bedingungen einer viel früheren Zeit aus: es kämpft gegen neue Daseinsbedingungen an, aus denen es nicht gewachsen ist und die es nothwendig mißversteht: es hemmt, es weckt Argwohn gegen das Neue …
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111.
Das Problem des neunzehnten Jahrhunderts. Ob seine starke und schwache Seite zu einander gehören? Ob es aus Einem Holze geschnitzt ist? Ob die Verschiedenheit seiner Ideale, und deren Widerspruch, in einem höheren Zwecke bedingt ist: als etwas Höheres? – Denn es könnte die Vorbestimmung zur Größe sein, in diesem Maße in heftiger Spannung zu wachsen. Die Unzufriedenheit, der Nihilismus könnte ein gutes Zeichen sein.
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112.
Gesammt-Einsicht. – Thatsächlich bringt jedes große Wachsthum auch ein ungeheures Abbröckeln und Vergehen mit sich: das Leiden, die Symptome des Niedergangs gehören in die Zeiten ungeheuren Vorwärtsgehens; jede fruchtbare und mächtige Bewegung der Menschheit hat zugleich eine nihilistische Bewegung mitgeschaffen. Es wäre unter Umständen das Anzeichen für ein einschneidendes und allerwesentlichstes Wachsthum, für den Übergang in neue Daseinsbedingungen, daß die extremste Form des Pessimismus, der eigentliche Nihilismus, zur Welt käme. Dies habe ich begriffen.
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113.
A
Von einer vollen herzhaften Würdigung unsrer jetzigen Menschheit auszugehen: – sich nicht durch den Augenschein täuschen lassen: diese Menschheit ist weniger »effektvoll«, aber sie giebt ganz andere Garantien der Dauer, ihr Tempo ist langsamer, aber der Takt selbst ist viel reicher. Die Gesundheit nimmt zu, die wirklichen Bedingungen des starken Leibes werden erkannt und allmählich geschaffen, der »Asketismus« ironice –. Die Scheu vor Extremen, ein gewisses Zutrauen zum »rechten Weg«, keine Schwärmerei; ein zeitweiliges Sich-Einleben in engere Werthe (wie »Vaterland«, wie »Wissenschaft« u.s.w.).
Dies ganze bild wäre aber immer noch zweideutig: – es könnte eine aufsteigende oder aber eine absteigende Bewegung des Lebens sein.
B
Der Glaube an den »Fortschritt« – in der niederen Sphäre der Intelligenz erscheint er als aufsteigendes Leben: aber das ist Selbsttäuschung;
in der höheren Sphäre der Intelligenz als absteigendes.
Schilderung der Symptome.
Einheit des Gesichtspunktes: Unsicherheit in Betreff der Werthmaaße.
Furcht vor einem allgemeinen »Umsonst«.
Nihilismus.
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114.
Thatsächlich haben wir ein Gegenmittel gegen den ersten Nihilismus nicht mehr so nöthig: das Leben ist nicht mehr dermaaßen ungewiß, zufällig, unsinnig in unserem Europa. Eine solch ungeheure Potenzirung vom Werth des Menschen, vom Werth des Übels u.s.w. ist jetzt nicht so nöthig, wir ertragen eine bedeutende Ermäßigung dieses Werthes, wir dürfen viel Unsinn und Zufall einräumen: die erreichte Macht des Menschen erlaubt jetzt eine Herabsetzung der Zuchtmittel, von denen die moralische Interpretation das stärkste war. »Gott« ist eine viel zu extreme Hypothese.
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115.
Wenn irgend Etwas unsre Vermenschlichung, einen wahren tatsächlichen Fortschritt bedeutet, so ist es, daß wir keine excessiven Gegensätze, überhaupt keine Gegensätze mehr brauchen …
wir dürfen die Sinne lieben, wir haben sie in jedem Grade vergeistigt und artistisch gemacht;
wir haben ein Recht auf alle die Dinge, die am schlimmsten bisher verrufen waren.
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116.
Die Umlehrung der Rangordnung. – Die frommen Falschmünzer, die Priester, werden unter uns zu Tschandala’s: – sie nehmen die Stellung der Charlatans, der Quacksalber, der Falschmünzer, der Zauberer ein: wir halten sie für Willens-Verderber, für die großen