Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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und war klug genug, sich klarzumachen, daß dieser Unterschied eher in seinen Möglichkeiten als in seinen bereits erzielten Erfolgen lag. Was er tun konnte, konnten sie auch tun, aber in seinem Innern lebte ein wirres, gärendes Gefühl, daß mehr in ihm steckte, als er bereits getan hatte. Ihn peinigte die wunderbare Schönheit der Welt, und er hätte gewünscht, daß Ruth bei ihm gewesen wäre, um sie mit ihm zu teilen. Er sagte sich, daß er ihr die Schönheit beschreiben wollte, die er in der Südsee gesehen hatte. Der schöpferische Geist in ihm flammte bei diesem Gedanken auf und spornte ihn an, all diese Schönheit vor einem größeren Kreise als Ruth allein wiedererstehen zu lassen. Und da kam, in Glanz und Pracht, der große Gedanke. Er wollte sehreiben. Er wollte eines der Augen werden, durch die die Welt sah, eines der Ohren, durch die sie hörte, eines der Herzen, durch die sie fühlte. Er wollte schreiben – alles – Poesie, Prosa, Romane, Beschreibungen und Dramen, wie Shakespeare sie geschrieben hatte. Das war eine Karriere, und das war eine Möglichkeit, Ruth zu gewinnen. Die Männer, die Bücher schrieben, waren die Großen der Welt, und er hatte das Gefühl, daß sie weit größer waren als Charles Butler und seinesgleichen, die dreißigtausend Dollar jährlich verdienten und, wenn sie wollten, Mitglieder des Reichsgerichts werden konnten.

      Als der Gedanke erst geboren war, unterwarf er sich ihm schnell und legte die ganze Rückreise nach San Franzisko wie im Traum zurück. Er war von einer ungeahnten Macht berauscht und fühlte, daß er alles, was es auch sei, tun konnte. Mitten auf dem großen, einsamen Meer gewann er den Überblick über die Dinge. Zum erstenmal sah er Ruth und ihre Welt klar und deutlich. Sie stand vor seinen Gedanken wie etwas Greifbares, etwas, das er in seinen Händen heben, wenden und untersuchen konnte. Es gab soviel Unklares, Verschleiertes in der Welt, aber er sah sie als ein Ganzes, nicht in Einzelheiten, und er sah auch, wie er ihrer Herr werden konnte. Schreiben! Der Gedanke brannte wie Feuer in ihm. Gleich nach seiner Rückkehr wollte er anfangen. Das erste sollte eine Schilderung der Schatzsucherreise sein. Er wollte die Beschreibung an eine der San-Franziskoer Zeitungen verkaufen, er wollte Ruth nichts davon sagen, und sie sollte freudig überrascht werden, wenn sie seinen Namen gedruckt las. Während er schrieb, wollte er seine Studien fortsetzen. Jeder Tag hatte vierundzwanzig Stunden. Er war unüberwindlich. Er wußte, wie er arbeiten sollte, und die stärksten Festungen sollten vor ihm in den Staub sinken. Er brauchte nie mehr zur See zu gehen, jedenfalls nicht mehr als Matrose, und im Augenblick träumte er sogar von einer Dampfjacht. Es gab Schriftsteller, die Dampfjachten besaßen. Natürlich, das sagte er sich warnend, würde es etwas dauern, bis er so weit war, und im Anfang mußte er froh sein, wenn er durch seine schriftstellerische Tätigkeit Geld genug verdiente, um sein Studium fortzusetzen. Und wenn er nach einiger Zeit – der Begriff war sehr dehnbar – genug gelernt und sich vorbereitet hatte, dann wollte er das wirklich Große schreiben, und sein Name sollte auf aller Lippen sein. Weit größer, unendlich größer, ja, am größten von allem war, daß er sich dann Ruths würdig gezeigt hatte. Ruhm mochte recht schön sein, aber es war Ruths wegen, daß er seine strahlenden Träume träumte. Er war keiner, dem der Ruhm es angetan hatte, er war nur einer von Gottes erkorenen, wahnsinngeschlagenen Liebenden.

      Mit einem netten Sümmchen in der Tasche wieder in Oakland, bezog er sein altes Zimmer bei Bernard Higginbotham und begann zu arbeiten. Er ließ nicht einmal Ruth wissen, daß er wiedergekommen war. Er wollte sie erst besuchen, wenn der Aufsatz über die Schatzsucher fertig war. Es wurde ihm nicht einmal schwer, sich des Besuches zu enthalten, denn die mächtige Flamme des schöpferischen Fiebers brannte in ihm. Dazu sollte der Aufsatz, den er schrieb, sie ihm näherbringen. Er wußte nicht, wie lang der Aufsatz sein durfte, aber er zählte die Wörter eines doppelseitigen Aufsatzes in der Sonntagsbeilage des San Francisco Examiner und richtete sich danach. Drei Tage arbeitete er mit wilder Hast an seiner Erzählung, als er sie aber sorgfältig, mit großen, ungeschickten, leicht lesbaren Buchstaben ins reine geschrieben hatte, erwischte er in der Bibliothek ein Buch über Rhetorik, aus dem er lernte, daß es etwas gab, was Abschnitte und Anführungsstriche hieß. Er hatte noch nie an etwas Derartiges gedacht und begann jetzt sofort den Artikel umzuschreiben, wobei er immer wieder das Buch zu Rate zog. So lernte er an einem einzigen Tage mehr, als ein Schulknabe in einem ganzen Jahr. Als er den Aufsatz zum zweitenmal ins reine geschrieben und sorgsam zusammengerollt hatte, las er in einer Zeitung einige »Winke für Anfänger« und erfuhr das unerbittliche Gesetz, daß ein Manuskript nie zusammengerollt, und daß es nur einseitig beschrieben werden darf. Er hatte das Gesetz in beiden Punkten übertreten. Aus derselben Notiz erfuhr er ferner, daß die großen Zeitungen mindestens zehn Dollar die Spalte bezahlten, und so tröstete er sich, während er das Manuskript zum drittenmal abschrieb, indem er zehn Spalten mit zehn Dollar multiplizierte. Das Ergebnis war immer dasselbe – hundert Dollar –, und er entschied, daß das besser war, als zur See zu fahren. Wenn er nicht alle diese Fehler gemacht hätte, würde er den Aufsatz in drei Tagen geschrieben haben. Hundert Dollar in drei Tagen. Zur See hätte er drei Monate und länger gebraucht, um eine solche Summe zu verdienen. Man mußte ein Narr sein, um zur See zu gehen, wenn man schreiben konnte, sagte er bei sich, obwohl das Geld an und für sich ihm nichts bedeutete. Wert hatte in seinen Augen nur die Freiheit, die es ihm verschaffen, die gute Kleidung, die er sich dafür kaufen konnte – lauter Dinge, die ihn dem schlanken, blassen jungen Mädchen näherbringen sollten, das in sein Dasein eingegriffen und ihn angespornt hatte.

      Er legte das Manuskript in einen großen Umschlag und schickte es an den Redakteur des San Francisco Examiner. Er dachte sich, daß ein von einem Blatt angenommener Aufsatz sofort veröffentlicht würde, und da er das Manuskript am Freitag eingesandt hatte, erwartete er, seinen Aufsatz am folgenden Sonntag gedruckt zu sehen. Er meinte, das wäre eine hübsche Art und Weise, Ruth von seiner Rückkehr zu unterrichten. Dann wollte er am Sonntag nachmittag zu ihr gehen und sie begrüßen. Unterdessen beschäftigte ihn eine andere Idee, die, wie er glaubte, wirklich vernünftig, gesund und bescheiden war. Er wollte eine Abenteuergeschichte für Knaben schreiben und sie dem Jugendmagazin verkaufen. Er ging in den Lesesaal der Volksbibliothek und blätterte mehrere Jahrgänge des Jugendmagazins durch. Er sah, daß die Geschichten durchweg in fünf Fortsetzungen zu je etwa dreitausend Wörtern gedruckt waren. Er sah aber auch mehrere Erzählungen, die sich über sieben Nummern erstreckten, und er entschloß sich, eine von dieser Länge zu schreiben.

      Er hatte einmal eine Walfangexpedition in den Arktischen Meeren mitgemacht – eine Reise, die auf drei Jahre berechnet gewesen war, aber nach einem halben Jahr durch Schiffbruch ihr Ende fand. Seine Einbildungskraft war lebhaft, zeitweise sogar phantastisch, gleichzeitig aber besaß er einen ausgeprägten Wirklichkeitssinn, der ihn zwang, nur über Dinge zu schreiben, die er kannte. Er kannte den Walfang und begann das Material, das er besaß, zu den abenteuerlichen Erlebnissen umzugestalten, die das Los der beiden Knaben werden sollten, welche er zu Helden seiner Geschichte machen wollte. Am Sonnabend entschied er, daß es eine leichte Arbeit war. Er hatte an diesem Tage den ersten Abschnitt von dreitausend Wörtern beendet – zur großen Belustigung Jims und zum offenen Spott Bernard Higginbothams, der beim Essen andauernd Bemerkungen über den »Literaten« machte, der plötzlich in ihrer Mitte aufgetaucht war. Martin tröstete sich damit, daß er sich die Überraschung seines Schwagers ausmalte, wenn er am Sonntagmorgen den Examiner öffnete und den Aufsatz über die Schatzsucher sah. Am Sonntagmorgen war er ganz früh auf der Straße und überflog die Spalten der dicken Zeitung. Er durchsuchte sie noch einmal sehr sorgfältig, faltete sie dann zusammen und legte sie wieder an ihren Platz zurück. Er freute sich, daß er keinem etwas von seinem Aufsatz erzählt hatte. Dann kam er zu dem Ergebnis, daß er sich geirrt hatte in bezug auf die Schnelligkeit, mit der ein Artikel in den Spalten der Zeitung erscheinen konnte. Zudem war sein Aufsatz nicht eigentlich aktuell gewesen, und höchstwahrscheinlich würde der Redakteur ihm erst schreiben.

      Nach dem Frühstück arbeitete er weiter an seiner Erzählung. Die Worte flossen ihm aus der Feder, obwohl er häufig innehielt, um etwas im Lexikon nachzuschlagen oder sich mit der Rhetorik zu beraten. In diesen Pausen las er auch oft, und zwar wiederholt, ein ganzes Kapitel durch und tröstete sich damit, daß er, wenn er auch nicht die großen Dinge schrieb, die er, wie er fühlte, in sich hatte, doch auf jeden Fall dabei schreiben lernte und sich übte, seine Gedanken zu formen und auszudrücken. Er arbeitete bis zum Dunkelwerden und ging dann in den Lesesaal, wo er Magazine und Zeitschriften bis zum Bibliothekschluß um zehn Uhr abends durchlas. Dieses

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