Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis Willibald

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald

Скачать книгу

an andere Beschäftigungen gewöhnt, allmählich anwiderte. Sie gab das Geschäft auf und damit den letzten äußeren Halt gegen die Stürme in ihrem Inneren. Es fiel die letzte morsche Stütze; sie selbst äußerte sich darüber: »Ich kam dadurch außer Tätigkeit, jetzt war ich mir allein überlassen.«

      Gottfried kam von einer Reise zurück. Leidenschaftlich empfing ihn die Witwe, mit deutlichen Worten forderte sie ihn zur Eingehung der Ehe auf. Er wich aus; vielleicht im Vorgefühl einer bevorstehenden, schweren Krankheit, vielleicht in dunkler Empfindung, »des gewissen von vielen schon verspürten Grauens vor der Frau«. Wie die Erhitzte und Gekränkte darüber dachte, ergibt sich aus einer ihrer vertraulichen Äußerungen, indem sie es als etwas ihr selbst Unbegreifliches bezeichnete, daß sie den Gottfried, der damals krank wurde, nicht vergiftet habe: »Denken Sie, damals hatte ich Gift in der Kommode, und doch fiel es mir nicht ein, Gottfried etwas zu geben.«

      Sie gab ihre Hoffnung nicht auf. Der kranke Gottfried ward mit aller Aufopferung gepflegt; bei augenblicklichen Geldbedürfnissen zahlte sie für ihn, indem sie ihre eigenen Effekten versetzte. Er genas unter ihrer Pflege und schien endlich den Netzen, die sie um ihn spannte, zu erliegen. Beim Punsch am Silvesterabend 1816 auf ihrem Sofa kosend, »verließ uns«, wie die Verbrecherin sich ausdrückt, »die Tugend«. Die Folgen stellten sich ein. Nun mußte doch Gottfried, der gemütliche, redliche Gottfried, auf ihre Wünsche eingehen. Aber er glaubte, daß Kassow der Vater sei, oder eine dunkle Ahnung, welche Schlangen aus dem Busen des liebreizenden Weibes hervorzückten, durchschauerte ihn. Ihrem Jammer über den Verlust ihrer Ehre begegnete er nur mit dem Rate, »unten im Lande«, wo er Bekannte habe, heimlich die Niederkunft abzuwarten.

      In Tränen schwimmend, flammte jetzt ihr Haß gegen den auf, um den sie solche Opfer umsonst gebracht haben sollte. Nicht mehr um seine Person war es ihr zu tun - ihre Sinnlichkeit war befriedigt oder erwartete keine Befriedigung mehr, es galt seinen Rang, sein vermeintliches Vermögen. Dazu kam die Furcht, durch ihre Niederkunft, die sie umsonst durch Abtreibungsversuche zu vermeiden gesucht hatte, um die sorgsam gehütete bürgerliche Ehre zu kommen.

      Sie wandte sich an seine genauesten Freunde. Die Überredungskünste derselben wirkten; Gottfried und die Miltenberg machten ihre Verlobung bekannt. Sie hatten schon die ersten Besuche miteinander abgestattet, als das innere Grauen ihn überwältigte. Er trat zurück: »Ich kann und will sie nicht zur Frau haben«, sagte er zu seinen Freunden. Aber er ließ sich dann doch wieder überreden.

      Schon waren sie zweimal an einem Sonntag aufgeboten worden, als die Angst sie folterte, er könne etwas von ihren Taten wissen und sie deshalb nicht heiraten wollen. Dazu kam ihr die sehr natürliche Überzeugung: »Er liebt dich nicht, er nimmt dich nur gezwungen; du wirst unglücklich mit ihm.« Der längst gereifte Vorsatz, auch ihn zu vergiften, wurde zum Entschluß. Der gezwungene Bräutigam schwankte aufs neue. Irgendein dazwischentretendes Hindernis konnte sie um ihren neuerrungenen Gewinn bringen; sie wollte ihn nunmehr durch einen moralischen Impuls zu einem Entschluß nötigen und sich sicherstellen.

      Montag nach dem Aufgebot gab sie ihm vergiftete Mandelmilch. Erbrechen und Durchfall traten ein. Das Übel griff mit Riesenschritten um sich. Schnell ward ein Prediger geholt, um die Trauung mit dem Sterbenden zu vollziehen. Nach der Trauung mußte sie Gottfried versprechen, sich nicht wieder zu verheiraten. Er sagte, dann sterbe er ruhig. In der Nacht darauf, als die unerhörten Schmerzen des Unglücklichen sich zur Raserei steigerten, soll er den Trauring mit wütendem Ingrimm zu Boden geschleudert haben. Nach der Aussage der Verbrecherin aber fiel ihm der Ring vom Finger, da er von der Krankheit so mager geworden war. Er starb am 5. Juli, drei Tage nach der Trauung.

      Alle diese bisherigen Taten hatten ihre bestimmten Motive. Die Höllenmacht in ihrem Busen war dadurch so genährt, die Begierde zum Vernichten so gesteigert worden, daß jedes neues Verbrechen ihr in der Folge immer gleichgültiger und der kleinste Beweggrund hinreichend wurde, es unter Verleugnung aller Gefühle und Rücksichten mit einer wunderbaren Ruhe und Selbstbeherrschung zu begehen.

      Sechs Jahre lang, vom Jahre 1817 bis 1823, verübte die Gottfried keine Mordtaten. Die Akten berichten auch nicht einmal von Vergiftungsversuchen.

      Dagegen stellte sich unwillkürlich etwas von Reue ein bei dem Gedanken: Was hat mir das alles nun geholfen? In ihren Bekenntnissen heißt es: »Reue über den Verlust meiner Kinder habe ich, seit mein Heinrich nicht mehr war, oft genug empfunden. Ich schloß mich oft auf meiner Bodenkammer ein und weinte unbeschreiblich. Ich konnte es nicht sehen, wenn den Kindern von ihren Eltern Geschenke eingekauft wurden, und wich dem Schmerze aus. Wenn die Kinder aus der Schule kamen, mußte ich immer wegsehen. Oft im Mondschein saß ich im Garten; und wenn dann das große, schöne Erbe vor mir lag und ich mich darüber freute, dann durchfuhr mich oft der Gedanke, was für eine Person ich sei, der das gehöre! Dann schämte ich mich.«

      Sie tröstete sich aber mit dem Phantasiespiel, wie glücklich sie wäre, wenn sie reich genug wäre, allen Unglücklichen wohlzutun oder, wie sie ausdrücklich bekannte, ihre Sünden wieder gutzumachen und - selbst ohne Sorgen zu leben!

      Nachdem die Motive, die aus dem Geschlechtstriebe entsprangen, ausgegangen waren, reichten für die Folge zwei schwächere Beweggründe, Sucht nach Genuß und eitlen Freuden und Sorge wegen ihres Auskommens, zu den neuen Verbrechen aus.

      Nach Gottfrieds Tode erwartete sie eine bittere Enttäuschung. Sie hatte Gottfried für reich gehalten, statt dessen hatte er Schulden. Statt daß er von seinem Prinzipal sechshundert Taler zu fordern gehabt hatte, hatte dieser Prinzipal eine hohe Forderung an ihn gehabt, und die Witwe mußte mit der goldenen Uhr, der eleganten Bibliothek, einigen Kupferstichen und der Guitarre, den einzigen wirklichen Erbstücken, die sie übernahm, auch diese Schulden mit übernehmen. Diese Erbschaft scheint drückend; erscheint es für die Familie Gottfried aber nicht noch drückender, daß ihr unschuldiger Name um einer Ehe willen, die keine war, auf die Verbrecherin überging, und daß unter demselben ihre Schandtaten nun auf alle Zukunft übergehen werden? Ein kleines Erbteil hatte Gottfried zwar noch in Regensburg stehen. Als aber seine Brüder der Witwe die drückende Lage einer reichgewesenen, jetzt verarmten Schwester vorstellten, wurde sie durch die einmal übernommene Rolle der Mildherzigen genötigt, so unangenehm es ihr war, von diesem Anspruch abzustehen.

      Aber Geld mußte sie haben, bares; und Lügen, weshalb sie dessen bedürfe, waren stets zur Hand. Sie maß anderen gegenüber im Vertrauen ihrem seligen Gottfried eine Schuldenlast von dreitausendzweihundert Talern bei, die sie tilgen müsse; außerdem dichtete sie ihm, wie schon früher ihrem Vater, eine uneheliche Tochter an, für deren Schicksal zu sorgen die Ehrenrettung des teueren Verstorbenen ihr gebiete. Sie erntete für dieses ehrenhafte Benehmen die größten Lobsprüche ein.

      Gottfrieds nachgeborenes Kind war tot zur Welt gekommen. Die Stelle des Vaters schien bald, bei den noch immer großen und durch den Schmerz erhöhten Reizen der Witwe, durch mehrere Bewunderer ersetzt zu werden. Auch der Ruf ihres Wohlstandes lockte noch immer Bewerber an. Wie weit die Vertraulichkeit der Witwe mit den neuen Freunden gegangen ist, darüber geben die Akten kein gewisses Licht, und die Gottfried leugnete alles Unerlaubte. Allerdings spricht der Umstand, daß sie diese Freunde nur benutzte, um Geschenke und Darlehen von ihnen zu erpressen, für diese Behauptung.

      In vielfacher Berührung erscheint die Gottfried namentlich mit einem ungenannten angesehenen Manne, der als Herr X in der Biographie figuriert und bald als Liebhaber, Bewunderer, Beschützer, bald als Gläubiger auftritt. Er hatte sie schon als Kind bewundert, den Vater auf ihren Wert aufmerksam gemacht und diesen gebeten, sie ihm zu verwahren, bis er von einer Reise zurückkehre. Er erscheint darauf eine Zeitlang immer als Freund in der Not, Ratgeber und Tröster. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der selige Gottfried schon auf ihn eifersüchtig war. Er schoß alle nötigen Gelder, deren die Witwe zu den Begräbniskosten bedurfte, vor und trug auch später zu diesen und jenen Ausgaben bei. Aber als ein wohlhabender Mann und sehr gewiegter Finanzier übte er seine großmütigen Handlungen mit einem scharfen Umblick auf die pekuniären Verhältnisse seiner Freundin, und während

Скачать книгу