Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis Willibald

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Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald

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und Vorstellungen zur Sparsamkeit mit sehr genauen Berechnungen, daß sie ihr Vermögen über ihre Kräfte angreife, und gab um seiner Neigung willen keineswegs seine Forderung an die schöne Schuldnerin auf. Er war der erste, der ihre Aufrichtigkeit in Zweifel zog. Wenn sie wirklich in innigem Verhältnis zu X gelebt hat, so war diese Liebschaft gewiß für sie eine der peinigendsten, da der Liebhaber so klug, schlau und überdem ein Gläubiger war, der sie von Haus und Hof treiben konnte. Aber er blieb der einzige ihrer Freunde, der vor ihrer Mäusebutter gesichert war. Sie konnte wohl ihn vergiften, aber nicht die Papiere, welche in den Händen seiner Erben blieben. Der Gottfried Verhältnis zu X gehört zu den unklareren Partien ihrer Lebensgeschichte. Die Familie des Betreffenden scheint sowohl von dem Herausgeber als von der Gottfried selbst geschont und von letzterer gefürchtet worden zu sein. Obwohl der Tod auf dem Schafott ihr gewiß war, ist dies doch das Merkwürdigste, in welcher Art sie ihre Geständnisse umhüllte und beschönigte, was dritte Personen anlangte, immer in der entsetzlichen Angst, daß der Einfluß der Familie derselben ihr Schicksal noch erschweren, ihre Strafe noch verstärken könne.

      Von den Geschenken und Komödienbilletts und den Einladungen zum Essen usw. fing die Gottfried wieder an, wie sie sich ausdrückte, »von neuem zu leben!« Über den Umgang und die Aufmerksamkeiten des X vergaß sie alle ihre Vergehungen, fing an ihn zu lieben und glaubte die Glücklichste auf der Welt zu sein.

      Im Glück dieser Verbindung schlug sie drei ehrenwerte Heiratsanträge aus, stets unter dem Vorwand, daß sie dem seligen Gottfried versprochen habe, sich nicht wieder zu verheiraten. Im übrigen war diese Verbindung auch um deswillen angenehm für die Sünderin, weil Herr X ihr in ihrem Umgang vollkommen freie Hand ließ. Sie hatte viele Mieter, und einer derselben, der Kommissionär Johann Mosees, trat, wie sie sich ausdrückte, »in des seligen Gottfrieds Fußtapfen«. Er pflegte den Garten, sang, ging mit ihr spazieren. Und dabei war er sehr religiös! »Da wurde sein jüngster Bruder konfirmiert. Ach, das war eine schöne Zeit! Acht Tage zuvor betete er jeden Nachmittag mit seinem Bruder. Wäre ich damals zu einem Prediger geeilt und hätte ihm meinen Herzenskummer mitgeteilt! Denn durch diesen jungen Mann konnte ich wieder gut werden!«

      Sie lebte »sehr glücklich, einig und zufrieden«. Um diese Zeit knüpfte sie ihre alten Freundschaften wieder an, was ihr um so leichter fiel, als sie von ihren Freundinnen als eine unerhörte Dulderin betrachtet wurde. »Der liebe Gott legt mir ein schweres Joch auf, aber er macht mich stark!« sagte sie. Einer Freundin wollte sie kaum Dräsekes Predigten leihen, aus Furcht, sie könnte das kostbarste Buch verlieren; »denn das ist es, was mich einzig erhält«. Sie hatte aber nie ein Blatt darin gelesen. Es scheint während dieser Zeit des Stillstandes im Vergiften gewesen zu sein, daß sie allen Ernstes glaubte, durch ihre Wohltätigkeitshandlungen alle auf ihrer Seele lastenden Mordtaten wieder gutzumachen. Im Jahre 1819 war der Ruf, der sie zu einem Engel des Lichtes, zum Vorbild frommer Duldung und wohltätiger Liebe erhob, schon allgemein verbreitet.

      Neue Heiratsanträge erfolgten, ein ehrenwerter Witwer hielt in fast romanhafter Weise um sie an. Als ein solches Glück für die Familie wurde die Heirat betrachtet, daß selbst die Tochter des Mannes die Witwe bat, sie möge doch die Hand ihres Vaters nicht ausschlagen. Sie schlug sie doch aus mit den rührenden Worten: »Sie sind für mich viel zu gut!« Diese demütige Selbsterkenntnis war indessen nichts weniger als der Grund. Herr X war entschieden gegen diese Heirat, und die Gottfried klagte noch oft darüber, daß sie den ehrenwerten, wohlhabenden Mann nicht genommen habe, sie »hätte dann ohne Sorgen leben können und wohl nie wieder an Vergiftungen gedacht!«

      Ihre Vermögensverhältnisse wurden immer verwickelter. Herr X sah ihr zu sehr in die Karten, er wagte zu eigenmächtige Eingriffe in ihren Wirkungskreis; dazu gab es nun auch ein ihrem sittlichen Rufe unvorteilhaftes Gerede. Sie suchte sich von ihm loszumachen; aber die drückenden Geldverbindungen ließen es nicht zu. Sie blieb abhängig von ihm bis zu ihrer Entdeckung.

      Mosees war jetzt ihr Herzensfreund, ihre Beta nicht mehr Magd, sondern Freundin geworden, und wenn die alte Furcht sie beschlich, so bediente sie sich als Trost des Umgangs und der Liebe junger Mädchen. Um nicht im Alter allein zu stehen, schloß sie, spekulativ in allem, Bündnisse mit der Jugend. Zugleich gab das Zerstreuung und Aufheiterung von außen. Der erfrischende Umgang wirkte heilsam den Gespenstern des Wahnsinnes entgegen. Die Mädchen herzten und küßten sie als ihre liebste mütterliche Freundin, verehrten ihr Geschenke, versprachen unter teueren Gelöbnissen, sie nie zu verlassen. Zwar klopfte dann zuweilen das Gewissen an; und manchmal, wenn sie mit den Kleinen am Kirchhof vorüberfuhr, dachte sie an ihre Kinder, die dort im Grabe ruhten.

      Bald trieb es sie aus dem Hause, an dem so viele Verbrechen hafteten. Auch hatte sich ihre Beta inzwischen an den Küfer Schmidt verheiratet. Ihr fehlte deren zerstreuender Umgang, und sie wollte den Besuchen des X entgehen. Sie bezog eine elegante, freundliche Wohnung in der schöneren Oberstraße bei Herrn Eckerlien. Die Zerstreuungen, welche die Aussicht auf die lebhafte Passage bot, konnten ihre innere Unruhe indessen nicht beschwichtigen. Willkommen kam ihr deshalb eine Einladung zu einer in der Stadt verheirateten Freundin, die sich in größeren Verhältnissen bewegte als die Gottfried in Bremen, und wo die schöne, liebenswürdige Witwe mit besonderer Zuvorkommenheit aufgenommen wurde. Der vornehmen Rolle gemäß, die man sie spielen ließ, mußte ihre vermutete Wohlhabenheit sich durch Freigebigkeit äußern; plötzlich fand sie zu ihrem Schrecken die Kasse erschöpft.

      Schnell weiß sie Rat: ihr Geld ist ihr gestohlen worden. In einem günstigen Augenblick ergreift sie den Schlüsselbund ihrer Freundin, dreht den Bart eines Schlüssels in ihrem Kommodenschlosse ab, wirft den Schlüssel weg, macht Lärm, Die Kommode wird geöffnet. Es ist richtig, ihr Geld fehlt. Alles lief glücklich ab. Wer konnte an ihrer Angabe zweifeln? Nur eine Magd, mit der die Herrschaft schon unzufrieden war, kam in Verdacht und entlief, ward später ergriffen und während einer langwierigen Untersuchung in Haft behalten. Die Richter kamen ins Haus zur Feststellung des Tatbestandes des Diebstahles. Sie sollte ihn beschwören. Aber etwas hatte die Gottfried nicht voraus bedacht, die gerichtliche Untersuchung. Zurücktreten konnte die feine, vornehme Dame nicht, ohne ihr ganzes schwer errungenes Ansehen bloßzugeben. Sie schwor und beging den ersten Meineid. Dieser unangenehme Vorfall wurde indessen bald durch die Zerstreuungen des vornehmen Lebens ganz in den Hintergrund gedrängt. Madame Gottfried, allenthalben geehrt und umschmeichelt, konnte nicht wieder fort. An Geld gebrach es ihr nun nicht mehr, und als sie endlich zurückkehrte, begleiteten sie die dringendsten Einladungen, wiederzukehren.

      In Bremen dagegen erwarteten sie die alten Erinnerungen und neue Sorgen um die Zukunft. Herr X drängte, und sie schuldete ihm bereits mehrere tausend Taler. Ihre Immobilien, 1817 nur mit zweitausendfünfhundert Talern belastet, waren jetzt schon mit über fünftausend Talern verhaftet, sie schienen dem Liebhaber und Gläubiger zu keiner weiteren Sicherheit zu genügen.

      Da, in ihren Nöten, meldete sich ein neuer Freiwerber, der Stiefsohn ihres Wirtes Eckerlien, den ihr dieser Ehrenmann selber aufs dringenste anempfahl. Zimmermann war ein Modewarenhändler, von rechtlichem Charakter, der einem einträglichen Geschäft vorstand, und jedenfalls mußte diese Verbindung bei ihren jetzt so zerrütteten Vermögensumständen als ein Glück betrachtet werden.

      Auch war ihr der Heiratsantrag sehr willkommen. Aber heiraten konnte sie den Mann nicht; sie konnte überhaupt nicht mehr daran denken, eine eheliche Verbindung einzugehen. »Ihr ganzes Wesen war geistig und körperlich nur eine große Lüge, ein Schein ohne Wesen, unfähig, den durchschauenden Blick täglicher eng vertrauter Beobachtungen eines Ehegatten zu ertragen. Ihr Körper mit übertünchten Wangen, elfenbeinernem Gebiß, falschem Busen und einer durch zehnfache Kleidung erkünstelten Wohlbeleibtheit, unter der sich ein sündenabgezehrtes Gerippe barg, stand mit ihrer Seele im Wetteifer der Heuchelei zur Verbergung des Wahren, steter Aufmerksamkeit bedürftig. Aber noch schwerer, ja unmöglich war der Verbrecherin die bei täglichem ehelichen Zusammenleben erforderliche Spannung zur heuchlerischen Verbergung ihres wahren Inneren.«

      Heiraten konnte, heiraten wollte sie Zimmermann nicht; aber sie hatte ja auch ihren Gottfried nicht eigentlich geheiratet, sondern nur die kurze Ehe

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