Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis Willibald

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Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald

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und hatte nicht die mindeste Furcht vor ihr. Dagegen sah sie in ihrem Manne, der sich, den Stachel seines unseligen Lebens im Herzen, die Bürgschaft des Todes in Mark und Beinen, in düsterer Melancholie mit seinenm Dasein quälte, eine wandelnde Leiche. Nur zuweilen erleichterte ein Strom heißgeweinter Tränen seine Brust. Der Wahn, daß sein Leben zu nichts nütze sei als zu seiner eigenen Qual, und daß es eine Wohltat für ihn selbst werde, wenn er davon befreit würde, ward durch eine eigene Äußerung Miltenbergs bestärkt. Als man von einem unheilbaren Anverwandten sprach, sagte er: »Was sind das für Ärzte, daß sie ihm nicht ein wenig nachhelfen. Ihm ist ja doch mit seinem Leben nicht gedient.«

      Eine Wahrsagerin hatte seiner Frau um diese Zeit die Verheißung gegeben, ihre ganze Familie werde aussterben und sie allein übrigbleiben, um dann sehr gut leben zu können. Nun faßte der Glaube an die Notwendigkeit, daß ihr Mann sterben müsse, immer fester in ihr Wurzel. Sie wünschte seinen Tod und war entschlossen, nachzuhelfen.

      Da fiel ihr ein, daß ihre Mutter früher wohl zur Vertilgung der Ratten und Mäuse Gift gelegt hatte, und daß auch wohl Menschen daran sterben möchten.

      Der Gedanke durchzuckte sie so angenehm, wie wenn man ein Rätsel löst; es war dieselbe befreiende Empfindung, die sie bei der Öffnung der verschiedenen Kassen gehabt hatte. Gift sollte ihr zu ihrem Glück helfen, und der erste Gedanke wurde Entschluß.

      Sie klagte ihrer Mutter Ende Juli, daß sie in ihrer Bettkammer oben Mäuse hätte: ob sie wohl Rat dafür wüßte? Die Mutter brachte kleine Stücke Schwarzbrot, auf die Arsenik gestreut war, und legte sie oben in die Kammer. »Sei vorsichtig um Gottes willen, daß keins von den Kindern hinauf geht, ‘ist Gift.« Einige Tage nachher ging Gesina hinauf, kratzte das Gift mit einem Messer von den Butterbroten, doch so, als hätten es die Mäuse abgefressen, und nahm es mit hinunter, um es Miltenberg zu geben. Aber »sie kann nicht dazu kommen, wird ängstlich« und legt das Gift in Papier gewickelt in ihre Kommode. Die Mutter will einige Tage später hinaufgehen und nachsehen, ob die Mäuse dagewesen sind. Schnell erwidert die Tochter: »Sie haben alles aufgefressen«, und bittet sie, noch etwas zu bringen, was auch geschieht.

      Mehrere Wochen noch kämpfte sie mit sich selbst. »Endlich an einem Morgen fasse ich den schrecklichen Entschluß und gebe meinem Mann auf seinem Frühstück etwas davon ….« Miltenberg ging darauf hinaus. Sie geht hinauf und tritt ans Fenster und denkt: »Wenn er nun mal unterwegs stirbt, und sie bringen dir ihn tot zurück!«

      Miltenberg kam blaß nach Hause, ging zu Bett, stand zwar am nächsten Tage wieder auf, mußte sich jedoch wieder zu Bett legen, Nachdem er acht Tage bettlägerig gewesen war, wankt er an einem Stocke die Treppe herunter, zeigt seiner Frau einen Wagen, den er selbst verfertigt hatte, und spricht: »Wenn ich sterbe, verkaufe den, und laß mich davon beerdigen,«

      Vier Tage vor seinem Tode gab sie ihm noch einmal in einer Krankensuppe Gift.

      Die letzten vier Tage konnte sie sich nicht mehr seinem Bette nahen. Nicht aus Rührung oder Gewissensbissen: es war ihr nur immer, als ahne sie, daß er es wisse. Sie blieb an der Türe stehen. Einmal glaubte sie, er werde aus dem Bette springen und sie schlagen.

      Als Gottfried mehrere Tage vor Miltenbergs Tode nach Oldenburg reisen mußte, sagte der Kranke zu ihm: »Gottfried, lebendig findest du mich nicht wieder, wenn du zurückkommst, Ich weiß, du hast mit meiner Frau zu tun gehabt; ich vergebe dir gern. Versprich mir, sie nicht zu verlassen, und nimm dich der Kinder an,«

      Am 1. Oktober 1813 stiegen die Leiden des Unglücklichen unerhört. In seinem Schmerze krümmte und wälzte er sich, flog oft hoch in die Höhe und schrie wie rasend. Gesina ließ sich am Sterbebette nicht sehen. Etwa eine Stunde vor dem Tode rief man sie; sie kam nicht. Er verschied unter lautem Brüllen. Da erst trat Madame Miltenberg in der vor dem Spiegel vollkommen fertig einstudierten Rolle einer untröstlichen Witwe an das Lager des Verblichenen.

      Es war ihr gelungen. Kein Mitleid, keine Neue, keine Gewissensbisse, die Frucht der ersten Tat war für ihre Seele keine andere, als daß sie gelernt hatte, wie man an Gift stirbt, und daß man die Portion größer machen müsse als diesmal, wenn man schneller damit zum Ziele kommen wolle.

      Nur ein Schrecken bemeisterte sich ihrer. Sein Leib war hoch aufgeschwollen, der ganze Körper voller Flecken. Da bekam sie einen schrecklichen Frost. Sie hatte Angst, daß ihre Mutter Verdacht schöpfen könnte. Aber diese sagte nur zum Tischler, er möchte den Sarg gut mit Pech anmachen; sie befürchte, der Körper möchte bersten. Daß der Sarg ordentlich verpicht wurde, gereichte der Witwe zum wahren Herzenstrost; aber beim Zunageln beschlich sie noch einmal ein Gefühl der Angst, denn sie glaubte, der Mann könnte von dem Klopfen wieder erwachen.

      In Bremen war es Sitte, daß ein Kirchhof nach dem Namen des zuerst darauf Beerdigten genannt wurde. Der Kirchhof vor dem Heldentore war eben erst angelegt worden, und die Witwe schwebte in großer Angst, daß Miltenbergs Leiche ihm für alle Zukunft den Namen geben und ihr das Gedächtnis des Toten zurückrufen werde. Zu ihrer Beruhigung ward indes Miltenberg als Zweiter begraben. Keine Blume ward auf sein Grab gepflanzt.

      Gottfried kam von der Reise zurück, als die Leiche noch über der Erde stand; in schonender Achtung lenkte er sein Pferd um und schlich zu Fuß in das Haus. Anders benahm sich eine schwangere Weibsperson, die an Miltenberg Rechte zu fordern hatte. Vier Wochen lang kam sie in den Hof und schrie unter den Fenstern, wenn das Kind zur Welt komme, wolle sie es ins Haus schmeißen.

      »Jetzt will ich mich deiner annehmen! Du hast nach deiner Eltern Willen geheiratet«, so sprach der alte Timm zur Tochter und hielt redlich Wort. Im schlechtesten Rock, den ältesten Hut auf, ging er mit einer Schrift bei allen Gläubigern Wittenbergs umher und akkordierte mit ihnen. Das bare Geld in der Tasche und seine Versicherung, wie schlecht es mit dem Nachlaß bestellt sei, wirkten; er konnte sich eines Tages erschöpft auf einen Stuhl niederwerfen und sprechen: »Miltenbergin! nun bist du schuldenrein!« Er ordnete ihre Wirtschaft, verschaffte ihr tüchtige Gesellen, kaufte Vorräte zum Geschäft, und sie betrieb es zuerst mit Eifer. Gottfried rekommandierte sie überall, sie konnte auf Borg holen, und sie war ganz zufrieden. In Wirklichkeit war sie ja durchaus nicht insolvent, im Gegenteil, sie war eine reiche Witwe.

      Von jetzt ab teilte sie ihre ungestörte Liebe zwischen Gottfried und dem wieder erscheinenden Kassow. Mit letzterem führte sie ein buhlerisches Leben außer dem Hause. Gottfried betrachtete sich mehr als gemütlichen Freund, der durch Galanterie, Aufmerksamkeiten aller Art und eine herzliche Unterhaltung die junge Witwe zu trösten suchte. Die Kinder liebten ihn als ihren Vater, krochen in sein Bett, und wenn er kam, brachte er Geschenke; aber er hielt sich in einer scheuen Entfernung, welche die Leidenschaft der Liebenden unbefriedigt hielt.

      Als ein Beweis der ungeheueren Selbstsucht der Verbrecherin und dafür, daß sie sich für nichts interessierte, was nicht zu ihrem Wohlleben beitragen konnte, wird angeführt, daß sie von den gewaltigen Weltereignissen jenes Jahres (1813) später nicht die Spur mehr wußte und sich nur noch der großen Freude entsann, die ihr ein Erlaß von fünfunddreißig Talern gewährte, welche sie von seiten der Einquartierungskommission zurückerhielt.

      Ihr ältester Geselle, ein geschickter junger Mann, hielt bald um die Hand der jungen Witwe an. Alles sprach für ihn, die Kinder liebten ihn. Sie lehnte höflich den Antrag ab, und der Geselle verließ bald nachher die Werkstatt; doch – um wieder zu kommen. Es schmeichelte der Eitelkeit der Miltenberg – weiter wollte sie hier nichts, und der Antrag ward im Vertrauen Bekannten und Freunden mitgeteilt. Gottfried soll darauf geantwortet haben (wir wissen es nur aus den Geständnissen der eitlen Verbrecherin): »Wenn ich das noch erlebte, daß du dich verheiratetest, die Kugel ginge durch meinen Kopf.« Die Mutter aber sagte ihr: »Nicht wahr, du liebst Gottfried? Mit unserem Willen wirst du nie mit ihm zusammenkommen« – ein Motiv zum späteren Elternmorde.

      Wir wissen von ihrem Gemütszustande um diese Zeit mit Bestimmtheit, daß auch keine

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