Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer
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»Pst …? Pst …?!«, ahmte Frank sie nach, als er ihr auf der Treppe entgegeneilte. »Hast du eine Katze oder einen Hund mitgebracht?«
»Ach, Frank! Doch nur Flaschen!«
Immer, wenn er bei ihr war, löste sich beim nichtigen Anlass ein Gelächter in ihr aus. Das war ein Glück! Daran gab es nichts zu zweifeln und zu rütteln! Und heute war das Glück besonders greifbar – sie würde bei ihm bleiben – für eine zweite gemeinsame Nacht!
»Ein Wahnsinnshaus, Frank!«, staunte sie, als er ihr den Mantel abgenommen und sie an der Hand durch den Eingangsraum in der Küche führte. Es duftete köstlich.
»Kalbslendchen, Anette. Das kann ich wenigstens. Mit Fenchelgemüse!«
Sofort rümpfte sie die Nase! »Schrecklich! Fenchel! Habe ich Husten oder was? Typisch Arzt! Kaum hat er seine Geliebte in sein Heim gelockt, muss sie Medizin zu sich nehmen.«
»Noch eine so freche Bemerkung, und du bekommst Hustensaft statt Rotwein!«
Anette hob eine Schulter und blickte ihn kokett an. »Am liebsten wäre mir ein richtiger Begrüßungskuss von dir!«
Frank küsste sie voller Zartheit, aber sie spürte trotzdem, dass etwas anders war. Oder lag das an ihrer Ungeduld? Seinem Kuss fehlte vielleicht nur etwas vom Feuer ihrer ersten gemeinsamen Nacht.
Danach sah er sie auch ernster an. Hatte sie etwas falsch gemacht? Oder quälten ihn plötzlich Zweifel, ob das, was sie verband, auch Bestand habe? Oder dachte er an seine verstorbene Frau und verglich sie mit ihr? Ob sie das ertragen konnte?
»Vor deinem köstlichen Essen mit oder ohne Hustensaft will ich erst deine Wohnung sehen, Frank!«, schlug sie betont heiter vor. Wenn er erst feststellte, wie wohl sie sich hier fühlte, würde sich das neue und so berauschende Gefühl von Zusammengehörigkeit schon wieder einstellen.
»Anette!«, sagte er da, ohne sie aus seinem Armen zu entlassen, »ich muss dir ein Geständnis machen. Es bedrückt mich seit Langem …«
»Du bereust, was in meiner Wohnung geschah?!«, fragte sie erschrocken.
»Nein, Anette.« Ein mattes Lächeln lag auf seinem Gesicht. »Komm, ich zeig dir etwas.« Er nahm sie an die Hand und führte sie durch den großen Wohnraum mit den hellen, modernen Möbeln und dem schon gedeckten Tisch durch eine Tür in sein Arbeitszimmer. Da ließ er ihre Hand los, um zwei Silberrahmen vom Schreibtisch zu nehmen.
Anette sah auf dem einen Foto ein hübsches Mädchen und auf dem anderen einen jungen Mann mit sehr schmalem, ernstem Gesicht. Ihr Blick wanderte von einem zum anderen.
»Ben und Sara heißen sie. Es sind meine Kinder, die ich dir bis heute verschwiegen habe und dir jetzt erklären möchte, warum.«
Kein Wort brachte sie heraus. Warum verschwieg ein Vater seine Kinder? Das glich einem Verrat …, nicht nur an den beiden …, nein! Hauptsächlich an ihr!
»Sie gehören zu meinem Leben, obwohl sie nicht mehr bei mir sind. Als ich vor einigen Wochen zu dir kam, waren sie gerade nach England zu ihrer Mutter geflogen.« In seinem Blick lag Bitterkeit. »Und kehrten nicht mehr zu mir zurück.«
»Zu ihrer Mutter? Aber die lebt doch gar nicht mehr?!«
Er nahm ihr die Fotos ab, stellte sie zurück und legte den Arm um sie. »Sie lebt noch, aber nicht mehr in meinem Herzen. Sie hat mich verlassen, Anette.«
»Aber du hast …, du bist doch verwitwet?« Sie begann am ganzen Körper zu beben. Wie konnte dieser Tag, der so vielversprechend begonnen hatte, so schrecklich enden? Kam da schon wieder eine Katastrophe aus falschen Hoffnungen und schmutzigen Lügen auf sie zu? Warum geschah das immer ihr? War sie zu leichtgläubig, rannte sie ohne Verstand auf die nächste Illusion zu, um sich von ihr noch brutaler in einen Abgrund aus Selbstzweifeln stürzen zu lassen?
Behutsam führte er sie zur Couch im Arbeitszimmer. Er setzte sich neben sie und sah ihr in die Augen.
»Seit unserer ersten Begegnung lastet diese Wahrheit auf mir, Anette. Aber ich war immer fest entschlossen, sie dir einzugestehen – wenn ich sicher war, auch dein Herz erobert zu haben und an eine Zukunft mit dir glauben zu dürfen. Ja, jetzt bin ich sicher und überzeugt, dass du mir verzeihen kannst.«
»Verzeihen? So einfach? Du hast mich belogen, Frank! Das tut doch weh, so weh!«
»Ich habe dir nur etwas verschwiegen, Anette!«, beschwor er sie und streckte den Arm, um ihn um ihre Schulter zu legen. Aber sie beugte sich zur Seite und wich seinem Blick aus.
»Das macht doch keinen Unterschied!«
»Doch. Ich verschwieg dir einen Teil meines Lebens, weil ich kein Mitleid von dir wollte. Als strahlender und unwiderstehlicher Held, der dich glücklich machen kann, wollte ich von dir wahrgenommen werden.«
Weil er schon merkte, wie verstört sie war, versuchte er, ihr seine Situation in den letzten Jahren zu schildern. »Ich war ein bekannter Arzt und nun plötzlich alleinerziehender Vater. Wo ich auch erschien, im Tennis- oder Golf-Club, mir kam eine Flut von Freunden und Bekannten entgegen, die mich mit mitleidigem Schulterklopfen aufzurichten versuchten und mich doch nur demütigten. Frauen, die behaupteten, Freundinnen von Sylivia zu sein, zeigten sich plötzlich, bereit, ihren Platz an meiner Seite einzunehmen. Ich, der arme Verlassene und alleinerziehende Vater, dazu ein bekannter Arzt, sollte doch nun endlich glücklich sein …, so, als müsste ich nur einen Schalter umlegen, um das Geschehene zu vergessen.«
Anette sah ihn an. Er konnte sich rechtfertigen, so viel er wollte, etwas in ihr zerbrach. Das alles war doch kein Grund, ihr etwas vorzumachen! War das die Strafe für ihren Leichtsinn? Musste sie wieder für den Wunsch bezahlen, sich endlich wieder so richtig und von Herzen zu verlieben?
Wie versteinert saß sie neben ihm, und er sprach von seinen Kindern, für die er jahrelang ein guter Vater sein wollte und die ihm trotzdem eines Tages ankündigten, zu ihrer Mutter nach London zu wollen.
»Das war ein solcher Schlag für mich, dass ich fast unser erstes Rendezvous abgesagt hätte. Aber dann kamst du. Du warst zart und wirktest so verletzlich auf mich, aber sprühtest auch von Lebensfreude und Zuversicht, dass ich den Kummer mit Sara und Ben vergessen konnte. Aber dann, als ich kurz nach unserer ersten Liebesnacht erfuhr, dass sie in London bleiben wollten …, da brauchte ich Zeit, um eine weitgehende Entscheidung für dich und mich …, für uns zu treffen.«
Sie sah ihn unsicher an. War das der Mann, der sie für die schönste Frau der Welt hielt – und sich sogar für ihre Dirndl begeisterte? Dem es gefiel, wenn sie ihm Anekdoten aus der Geschichte erzählte? Nein. In erster Linie war er ein Lügner!
»Entscheiden, wofür? Für ein Leben, das auf Heimlichkeiten aufbaut?«
»Nein, nein! Jetzt, da du alles weißt, wollte ich einen Versuch wagen …, ganz anders als in meiner Vergangenheit, mit viel Zeit für uns. Für dich!«, fügte er hinzu.
»Versuchen? Ich bin nur ein Versuch für dich!«
»Anette!« Das klang fast tadelnd. »Du bist alles für mich, seitdem ich weiß, dass du mich liebst.«