Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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der Eltern zu stürmen.

      Das war leer. Ihr Eltern unterhielten sich nebenan im Bad. »Es soll eine Überraschung sein, mein Schatz!«, hörte sie ihre Mami sagen. »Mal etwas anderes, ein kleines Abenteuer, sozusagen eine Entführung in fremde Welten … Du wirst staunen! Aber eine Krawatte muss sein.«

      Reserl verhielt sich mucksmäuschenstill. Was ihre Mami da Komisches laberte?

      »Marie …, nach fast zehn Stunden Arbeit …, muss es wirklich eine Krawatte sein?« Das war die Stimme ihres Papis, und die hörte sich schon normaler an.

      »Sicher! Krawatten machen dich so sexy. Tu’s mir zuliebe, mein Schatz.«

      Reserl rollte mit den Augen. Ihre Mami faselte Zeugs wie im Fernsehen. Und da kam sie schon ins Schlafzimmer. Sie trug ein enges schwarzes Kleid ohne Ärmel und befestigte gerade das zweite der diamantenen Ohrgehänge, die Reserl immer so bewunderte. Ihre Mami hatte sie von der Oma Weißenberg zur Hochzeit bekommen und trug sie nur zu besonderen Anlässen.

      »Reserl!«, rief Marie überrascht. »Schlaft ihr noch nicht?«

      »’s ist doch gerade kurz nach sieben, Mami! Und Dany will, dass du ihm was vorliest.«

      »Heute nicht. Papi und ich gehen aus, mein Engel.«

      »Das sagst du immer!«, schmollte Reserl. Damit hatte sie sogar recht. Marie und Stefan gingen natürlich nicht jeden Abend, aber viel häufiger aus als sonst. Mal war es das Dorftheater in Altendorf, mal eine feierliche Einladung bei Irma Osterloh, und wenn Stefan in den ›Seehof‹ zum Stammtisch fuhr, begleitete Marie ihn neuerdings auch.

      »Wilma kann auch vorlesen.« Marie tupfte sich Parfüm hinters Ohr.

      »Das hat sie schon einmal in dieser Woche. Und sauer ist sie auch«, gab Reserl zu bedenken.

      »Wilma ist sauer? Warum?« Stefan trat aus dem Bad. Er trug ein hellblaues Hemd mit einer noblen Krawatte und griff nach seinem Jackett, das über der Sessellehne hing.

      »Also, Papi! Das weißt du doch! Weil sie jetzt immer so gesunde Sachen kochen soll, nur damit du fit und schlank bleibst.«

      »Na, so was! Bin ich etwa nicht fit und schlank?« Mit komisch naiver Miene strich Stefan sich über seine Mitte, und sofort schlang Marie ihre Arme um ihn und schwärmte: »Du bist ein Traum, Stefan!«

      »Mamiii«, stöhnte Reserl. Das war ja nicht auszuhalten, wie die sich benahm!

      »Reserl, mein Engel, deine Eltern lieben sich nun mal von ­ganzem Herzen. Sei dankbar dafür.«

      »… aber wenn ihr so oft weggeht? Und Dany sich so aufführt, weil du ihm lange nicht mehr vorgelesen hast? Wieso soll ich dafür dankbar sein?«

      Sie bemerkte den wachen Blick ihres Papis. Ob der sie verstand? Stefan spürte, was seine Reserl da von sich gab, hatte ja Hand und Fuß. Sie war eben ein aufgewecktes Mädchen, seine Älteste. Und schon setzte sie noch eins drauf: »Lucias Eltern haben sich auch lieb. Die gehen nur aus, wenn sie in die Kirche müssen.«

      »Das ist etwas anderes. Lucias Eltern haben eine Pizzeria. Also, komm, Stefan. Wir müssen fahren.« Marie griff nach ihrem Samtmäntelchen, schob ihren Arm unter Stefans, hauchte Reserl einen Kuss auf die Wange und fügte tröstend hinzu: »Morgen lese ich euch vor. Ganz bestimmt.«

      Stefan löste sich gerde noch von ihr, um Reserl auf den Arm zu heben. Er trug sie vor die Zimmertür von Jossi und Dany.

      Da blieb er mit ihr stehen und schaute sie ernst an. Obwohl er ihr innerlich recht gab, hatte er das Gefühl, er müsse sie mal in ihre Schranken weisen.

      »Ich habe dich heute wieder auf dem Fahrrad gesehen, meine Große. Ganz allein, hinten bei den Obstwiesen und ohne deinen Helm! Du weißt, wie uneben der Boden dort ist und dass Mami und ich dich in Sichtnähe wissen wollen. Wenn du weiter weg fährst, sollst du Mamis Handy mitnehmen.«

      Reserl schluckte. »Ja, Papi!«, hauchte sie schuldbewusst.

      »Mami regt sich in letzter Zeit so leicht auf. Also, lies Dany jetzt bitte vor. Tust du das für mich?«

      »Ja, Papi.« Ihre Augen wurden riesengroß. »Aber warum will Mami denn immer mit dir weg? Regt sie sich dann weniger auf? Wenn ihr hierbleibt und wir zusammen spielen, regt sie sich nur auf, wenn sie verliert! Das ist wenigstens lustig.«

      »Ich weiß. Aber Mami wünscht sich nun mal viel Zeit mit mir allein.«

      »Hat sie uns nicht mehr lieb?«

      »Mehr, als ihr drei ahnen könnt, mein Reserl.« Und während er sie zu Boden ließ, lächelte er ihr liebevoll und ermunternd zu.

      Natürlich war jede Stunde mit seiner Frau allein ein Geschenk für ihn. Aber sie waren über ein Jahrzehnt ein Ehepaar und Eltern von drei Kindern. Vergaß Marie das so einfach? Oder brauchte sie diese ständigen Abwechslungen, um sich wieder jung zu fühlen?

      Marie wartete unten auf ihn und verriet, dass sie mit ihrem Wagen fahren wolle, damit er sich heute Abend endlich mal total entspannen könne.

      »Reserls Plappereien haben dir nicht gefallen«, bemerkte sie. »Ich seh’s dir an der Nasenspitze an.«

      »Sie hat ja nicht ganz unrecht«, schmunzelte er mit der Freude eines Vaters am wachen Verstand seiner Kinder.

      Das Schmunzeln verging ihm allerdings, als sie zwanzig Minuten später in den Park des Hotels ›Ludwigshöhe‹ einbog.

      »Du lädtst mich zum Diner in der ›Ludwigshöhe‹ ein?«

      Mit diesem Hotel und Feinschmecker-Restaurant hatte er so seine Schwierigkeiten. Seit Jahren versuchte er, mit der Besitzer-Familie Moosbrugger ins Geschäft zu kommen. Aber die alte Dame Moosburger reagierte nicht mal auf seine Angebote. Das wurmte ihn noch immer. Und hier sollte er heute einen romantischen Abend mit seiner Marie verbringen?

      »Es ist doch mal etwas ganz Besonderes, mein Schatz. Eine feinste Speisefolge bei Kerzenlicht und exquisitesten Weinen. Freust du dich nicht?«

      »Es geht!«, murrte er.

      Marie versprach sich viel von diesem romantischen Abend. Sie hatte sich vorgenommen, mit ihm über ihre Ehe zu sprechen. Sie musste doch herausbekommen, warum Stefan so viel Reizvolles an Anette fand und ob ihre Ehe nur noch von ihrer Liebe zu den Kindern und dem Einerlei auf dem Hof zusammengehalten wurde. Ja, ein ernstes Gespräch sollte es werden, so wie Anette es seiner Meinung nach gern führte. Hatte er das nicht auch notiert?

      Stefan ließ sich doch von der stilvollen Atmosphäre einfangen. An der Aufmerksamkeit des Personals und am Aperitif gab es nichts zu kritisieren.

      »Nimm den Gemüsegratin!«, bat er unbekümmert, als man ihnen die Speisekarten vorlegte. »Ich versuche etwas Fisch mit viel Salat dazu.«

      Marie nickte sofort. Sie durchschaute ihn natürlich. »Du willst nur, dass ich am Gemüse etwas zu mäkeln habe und du den Salat nicht knackig genug findest.«

      »Ja, mein Schatz und bester Kumpel! So ist es!«

      Und in diesem Moment brummte sein Handy. Er sah schnell hin, las Anettes Namen auf dem Display, drückte ihn weg und steckte das Handy wieder zurück.

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