Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer
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»Du hast schon Kinder. Wie entsetzlich! Ich habe mir doch selbst Kinder gewünscht«, presste sie unter Tränen hervor. »Ein Kind mit dir …, das hätte mich für allen Kummer entschädigt. Und nun …«
»Wir werden ein Kind haben, Anette. Für zwei Menschen wie uns, die sich wie durch ein Wunder voller Liebe gefunden haben, ist ein gemeinsames Kind das Natürlichste auf der Welt.«
»Aber du hast schon zwei! Und sie haben dich verlassen! Wie schrecklich das sein muss! Die Enttäuschung darüber wird unsere Beziehung vergiften. Deine Sehnsucht nach ihnen wird immer wie ein Schatten über uns liegen.«
Anette war einfach nicht dazu geschaffen, sich mit unerwarteten Situationen abzufinden. Alle Enttäuschungen der letzten Jahre standen wieder vor ihr. Und plötzlich erkannte sie, dass Stefans Bemühungen, aus ihr eine selbstbewusste Frau zu machen, ganz vergeblich gewesen waren.
Sie hatte eine neue Frisur und einen schicken Hosenanzug wie Marie, aber sie war immer noch die scheue und strebsame Lehrerin, der es gerade mal gelang, ihre Schüler in den Bann zu ziehen. So würde es bleiben. Damit musste sie sich abfinden.
Wie vom Schock betäubt, wanderte ihr Blick durch sein Arbeitszimmer und traf auf die Silberrahmen auf seinem Schreibtisch. Da standen seine hübschen und fast erwachsenen Kinder! Sie ertrug den Anblick nicht mehr. Da war es besser, diesen Raum, diese Wohnung und diesen Mann gleich zu verlassen.
»Vertrau mir doch, Anette!«, bat er sie. »Natürlich werde ich meine Kinder mal vermissen. Deshalb werde ich dieses Haus verkaufen und mit dir in England ein neues Leben beginnen.«
»In England?!«
»Ja, um dort als Arzt auf dem Land arbeiten zu können. Ben und Sara werden uns besuchen und, wenn Gott will, sich auch über ein kleines Geschwisterchen von dir freuen. Und du und ich, wir werden in einem hübschen Häuschen mit Garten leben und nur füreinander da sein …«
»Nur füreinander da sein? Wir zwei?« Sie entzog ihm ihre Hände. Gerade wollte er bestätigend nicken, da holte sie tief Luft und fuhr ihn an. »Du lügst schon wieder, Frank. Du gaukelst mir etwas vor, was nie eintreffen wird! Denn du wirst deine Kinder, sooft es geht, zu uns holen. Und sie werden von ihrer Mutter sprechen, sodass die Frau, die ich für tot hielt, auch noch zwischen uns stehen wird. Du hast sie doch einmal sehr geliebt …! Und das soll ich ertragen? Das willst du mir antun?! Und dafür soll ich alles aufgeben? Meine Familie, meine Schüler in Altendorf, meine Freunde, den Kirchenchor, nur, damit du in der Nähe deiner Kinder leben kannst und – wenn sie dich nicht sehen wollen, weil es ihnen bei ihrer Mutter und den kleinen Zwillingen besser gefällt nicht ganz allein zurückbleibst?« Sie rang direkt nach Luft.
Frank war fassungslos. Noch nie hatte Anette so hastig geredet. Er wusste nicht, was ihn mehr verletzte. Ihre heftigen Worte oder die Kälte, die daraus sprach. War das die Frau, die ihm bewiesen hatte, dass er doch wieder zur Liebe fähig war? Begriff sie nicht, wie ungern er ihr sein privates Unglück verheimlicht hatte, und wie froh er war, sich ihr nun endlich anvertraut zu haben?
Wie gelähmt blieb er sitzen, als sie von der Couch aufsprang. Schweigend beobachtete er, wie sie an seinen Schreibtisch trat, um noch einmal die Fotos von Ben und Sara zu betrachten.
»Wer von den beiden ähnelt deiner Frau?«, fragte sie leise, aber in dem strengen Tonfall einer Lehrerin, die damit rechnete, etwas vorgeschwindelt zu bekommen.
Frank schloss die Augen. Er dachte nach, aber er wusste es nicht mehr. Seine Liebe zu Anette hatte die Erinnerung an Sylvias Gesicht ausgelöscht. Und wenn er Ben und Sara vermisste, betraf es Sylvia bestimmt nicht.
»Wahrscheinlich sehen sie ihr beide ähnlich!«, hörte er Anette bitter sagen. »Sie sehen ja wirklich sehr, sehr gut aus.«
Und damit warf Sylvia, die Frau, an deren Gesicht er sich kaum noch erinnern konnte, tatsächlich einen Schatten über das Glück, das er sich mit Anette erträumt hatte. Er beugte sich vor und schlug die Hände vors Gesicht. Ja, er war ein Versager. Er hatte zu lange gezögert und damit alles, wovon er gerade zu träumen wagte, zerstört.
Nach einer Weile hörte er die Wohnungstür zuschlagen. Kurz darauf sprang der Motor von Anettes Wagen an. Er sprang auf und wusste, er hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Versagte er etwa schon wieder? Nein, das durfte er nicht. Er musste sie zurückerobern, um ihr zu beweisen, wie fest entschlossen er war, ein neues Leben mit ihr zu beginnen.
*
Reserl verstand die Welt nicht mehr. Während sie die winzigen Knöpfchen ihres Nachthemdes schloss, sah sie aus dem Fenster ihres Zimmers in den noch taghellen Frühlingsabend hinaus. Fast sehnsüchtig blickte sie zum Neubau mit den Wohnungen der Angestellten hinüber. Der alte Sepp hatte Besuch von seiner Nichte. Und die hatte ihre beiden Söhne mitgebracht, die jetzt auf dem Hof herumtobten.
»Blöd!«, stieß Reserl wütend aus. Und damit meinte sie die frühe Abendstunde, in der sie und ihre Geschwister heute schon zu Bett mussten.
Sie hörte ihren Papi die Treppe hochkommen und im Elternschlafzimmer verschwinden. Der schaute heute nicht wie sonst in ihr Zimmer! Es war echt ätzend!
»Typisch!«
Nebenan, wo Jossi und Dany sich das Zimmer teilten, flog ein Gegenstand durch die Luft. Dany krähte empört, und das bedeutete, die beiden stritten schon wieder. Mit einem Seufzer ging sie hinüber. Sofort sprang Jossi nach oben aufs Stockbett, zog sich die Decke bis ans Kinn und rief Reserl zu: »Er hat’s geworfen, Reserl. Weil er kein Bilderbuch will. Dany will, dass er vorgelesen bekommt!«
»Jaa, aber nur von Mami!«, schmollte Dany.
Reserl seufzte wieder. Es war manchmal wirklich schwer, die Älteste der Weißenberg-Kinder zu sein. »Mami hat keine Zeit. Sie geht heute mit Papi aus.«
»Schon wieder?«, riefen Jossi und Dany wie aus einem Mund, und der Kleine strampelte wütend mit den Beinen.
»Lass sie doch!«, meinte Reserl hochnäsig. »Sollen sie doch sehen, wie es ist, wenn sie Rabeneltern sein wollen und uns vergessen haben!« Sie trat an das Regal mit den Büchern und griff nach der Geschichte vom ›Zambo, dem Schneckenhäuptling‹. Die liebte Dany besonders.
Aber kaum hatte sie sich an sein Bett gesetzt und die ersten Zeilen vorgelesen, begann er wieder mit den Füßen zu strampeln. Und die bekam sie so zu spüren, dass sie das Buch zur Strafe sofort zuklappte.
»Das kenn ich doch schon!«, verteidigte er sich.
Jossi beugte sich von oben herab. »Gestern warst du schon auf Seite fünf.«
»Nee, Seite drei!«, tat Dany sich wichtig, obwohl er noch gar nicht lesen und nur bis zehn zählen konnte, und streckte Jossi noch frech die Zunge heraus. Das ließ die sich nicht gefallen. Ihr linkes Bein kam herunter, ihr nackter Fuß berührte erst das Buch und dann Danys Kopf.
»Auaa!«, jammerte er dramatisch.
»Schluss mit