Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer
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»Freilich, Sepherl! Nun heul net, du bist ja net aus der Welt, gell?« Obwohl es der Mutter Oberin schwerfiel, sich von einem ihrer liebsten »Schäfchen« zu trennen, wünschte sie ihr von ganzem Herzen Gottes Segen für ihr neues Leben auf dem Achnerhof. »Möge der Herr dir beistehen, meine Tochter!«
Martin war bereits vorausgegangen, um den Abschied der beiden Menschen nicht zu stören. Er spürte, daß es für das Mädchen schwer sein mußte, aus der Geborgenheit des Klosters herausgerissen zu werden.
Mit gesenktem Kopf verließ Josepha das vertraute Gebäude, ging langsam auf ihren ersten Brotherrn zu, der unter dem Portal auf sie wartete.
»Verzeih, Bauer, aber es hat doch etwas länger gedauert.« Verständnisheischend sah sie ihn an.
Martin lauschte gebannt dem weichen Klang ihrer Stimme. Es waren die ersten Worte, die sie zu ihm sagte. Verwirrt wich er ihrem Blick aus und öffnete umständlich das Portal.
»Das macht nix. Ich versteh das«, bemerkte er endlich, nachdem sie das Klostergelände längst verlassen hatten.
»Dann ist’s ja gut. Magst mir vielleicht ein bisserl was über dein Töchterl erzählen?«
Überrascht warf er ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Hm. Da gibt’s net viel zu erzählen. Roserl ist drei Jahre alt, blondlockig, hat ein Engelsgesichterl, spricht schon recht gut für ihr Alter, ist ein lebhaftes, kleines Ding. Das wär’s.«
Josepha lachte leise. »Das reicht für den Anfang!«
Dem Burschen fiel plötzlich auf, daß das Dirndl kaum seinen weit ausholenden Schritten folgen konnte. Sie trippelte in ihren flachen Lackschuhen neben ihm her, eifrig bemüht, neben ihm zu bleiben. »Verzeih, Sepherl, ich bin ein rechter Flegel! Warum sagst denn net, daß ich zu schnell geh!«
»Wenn’s nimmer gangen wär, hätt ich schon was gsagt!« erwiderte sie lächelnd.
Wie weich und schön geschwungen ihre Lippen sind! dachte Martin leicht irritiert. Ihr Lächeln erreichte selbst die Augenwinkel und gab ihr etwas Bezauberndes. Die goldblonden langen Haare fielen weich über ihre schmalen Schultern, die von einem einfachen baumwollenen Tuch verdeckt wurden.
»Was ist mit deiner Frau, Bauer? Ist sie krank?« Josepha hatte den Ring an seiner Hand wohl gesehen.
»Krank? Nein, nein! Sie hat nur soviel am Hals mit dem großen Haus und den Gästen.« wehrte Martin unwirsch ab. Grad jetzt mußte sie ihn an Marianne erinnern!
»Hat sie denn das Roserl gar net lieb?« Es klang traurig.
»Ich weiß es net, Sepherl! Ich weiß es wirklich net! Manchmal kann sie recht lieb zu ihr sein, dann wieder ist Roserl einfach Luft für sie!«
Sie hatten den Bahnhof erreicht. Eine Gruppe Jugendlicher machte die Fortsetzung der Unterhaltung zu Martins Erleichterung unmöglich. Die jungen Leute scherzten und lachten, balgten und riefen lauthals durcheinander. Wie es ausschaute, wollten sie wohl auf den nächsten Campingplatz, vollbepackt wie sie waren!
Während der Fahrt mußte Martin sein neues Kindermädchen immer wieder anschauen. Er fragte sich, wie Marianne wohl reagieren würde, wenn er ihr das Dirndl präsentierte. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, wünschte er sich doch zutiefst, daß sich seine Frau ändern möge und wieder so sanft und liebevoll wäre, wie sie es mit zwanzig Jahren war, als sie sich kennengelernt hatten!
An der nächsten Station stiegen die jungen Leut aus und beklemmende Stille breitete sich im Abteil aus.
»Sepherl«, begann Martin ganz behutsam, »darf ich dich was fragen?«
»Freilich. Frag nur.«
»Wie kommt es, daß du im Kloster aufgewachsen bist?«
»Eigentlich ist’s gar kein richtiges Kloster, eher ein Kinderheim für die verlorenen Schafe, so hat es die Mutter Oberin immer genannt. Meinen Vater hab ich nie gekannt, nur meine Mutter. Sie ist Küchenmagd auf einem Hof. Die Bäuerin wollt kein uneheliches Balg auf dem Hof und so kam ich in das Heim.« Josepha schien unberührt von ihrem Schicksal zu sein.
»Warst niemals mit deinem Leben unzufrieden?« Martin konnte sich nicht vorstellen, daß das Mädchen mit dem zufrieden war, was ihm das Leben gegeben hatte.
»Nein, war ich nicht. Ich hatte doch alles. Vor allem bekam ich Liebe. Die Mutter Oberin war mir wie eine leibliche Mutter. Worüber sollt ich mich beklagen?« Das Dirndl lächelte den Bauern an.
Martin wandte sich ab. Wenn er an Marianne dachte… Sie bekam niemals genug. Es mußte immer noch mehr sein, mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Grund und Boden! Wie sehr sehnte er sich nach Frieden und Geborgenheit. Die Gegenwart des jungen Dirndls machte ihn froh, er konnte aufrichtig mit ihr sein, brauchte sich nicht zu verstellen und erhielt dafür ein verständnisvolles Lächeln.
Noch ehe sie in das kleine Dorf am Fuße des Watzmanns einfuhren, wußte Martin Achner, daß er recht gehandelt hatte. Er würde sein Töchterl einem Dirndl anvertrauen, das dem Kind Liebe und Geborgenheit geben konnte!
»Sepherl, nun müssen wir noch ein gutes Stück auf den Berg, dann sind wir endlich auf dem Hof!« Er zeigte hinauf in die Richtung, in der man das Bauernhaus nur vermuten konnte, denn von hier unten war es nicht auszumachen.
Sie mußten durch das Dorf gehen, um auf der anderen Seite zum Aufstieg zu gelangen.
Die Dämmerung war hereingebrochen. Nur hier und da begegnete ihnen einer der Dorfbewohner. Auf dem Marktplatz angelangt, sah Martin den Krankenwagen. Zwei Sanitäter trugen eine Bahre heraus und schoben sie vorsichtig in den Wagen. »Wer…«
»Martin! Martin Achner! Welch ein Glück, daß du mir über den Weg läufst!« Der kleine Doktor Baumann lief aufgeregt auf den Burschen zu, der wie versteinert auf dem Fleck stehenblieb. Josepha blieb bescheiden zurück.
Doktor Baumann zog Martin am Ärmel, hin zum Krankenwagen. »Du mußt mit ins Spital fahren! Wegen der Formalitäten.«
»Wegen welcher Formalitäten? Doktor, so reden Sie doch endlich! Was ist denn geschehen?«
»Auf, steig ein! Ich erklär dir alles auf der Fahrt!« bestimmte der Arzt.
Martin wandte sich zu Josepha. »Dirndl, es tut mir leid. Aber du wirst wohl auf mich warten müssen, bis ich zurück bin. Ich weiß selbst net, was los ist. Geh hinauf zur Praxis und unterhalt dich derweil mit Schwester Barbara.«
Wenn es der Doktor so dringend machte, mußte wohl etwas Arges passiert sein. Er setzte sich neben Doktor Baumann und sah ihn ratlos an. Die schmale Gestalt auf der Bahre war unter einem weißen Tuch verborgen. Bei ihrem Anblick hatte Martin eine grausame Ahnung erfaßt. Der alte Mann nickte. »Ja, Martin, es ist Marianne. Sie wurde am rückwärtigen Hirschbichl gefunden.«
»Am Hirschbichl? Was… Wie schlimm steht es um sie?« fragte er mit zitternder Stimme.
»Es steht schlimm. Sie hat sehr viel Blut verloren. Ich weiß net, ob sie die Nacht übersteht.«
Der junge Achnerbauer schlug die Hände vors Gesicht. Er hatte es wahrhaftig nicht leicht gehabt an Mariannes Seite, aber dieses Unglück hatte er ihr nicht gewünscht! Was hatte sie nur zum Hirschbichl getrieben? Der war doch ein ganzes Stock vom Hof weg!
Der