Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
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Nach dem Essen lernten die beiden dann Habakuk und auch das Aquarium mit den vielen buntschillernden Fischchen kennen. Henrik kannte seit einiger Zeit die meisten Fischarten und gab seine Weisheit stolz zum besten.
»Diese Namen werde ich niemals behalten«, seufzte Kuni und ging wieder zu dem großen Käfig, in dem der Papagei Habakuk auf der Stange saß und sich sein Gefieder putzte. »Warum sagt er denn nichts?« fragte sie enttäuscht.
»Habakuk ist sehr launisch«, entschuldigte Henrik den Vogel. »Es gibt Tage, an denen er ganz einfach keine Lust zum Sprechen hat. Habakuk, sag’ doch endlich was«, forderte er den Papagei auf.
»Dummer Junge«, krächzte Habakuk und zog dann eine Schwanzfeder langsam durch seinen krummen Schnabel.
Kuni lachte hellauf. »Der ist aber frech«, meinte sie.
Ihr Lachen erregte Habakuks Aufmerksamkeit. Plötzlich ließ er seinen ganzen Wortschatz los. Staunend kam Mathias angelaufen und stellte sich neben seine Schwester.
Da man überein gekommen war, daß immer nur ein Teil der Kinder an einem Tag das Tierheim besuchen sollte, fuhr diesmal Nick und Pünktchen mit den beiden Laurens-Kindern und Peter Heidenreich nach Bachenau. Doch Henrik setzte im letzten Augenblick durch, daß er ebenfalls mitgenommen wurde.
Andrea von Lehn erwartete die Besucher vor dem Haus. Seitdem sie wußte, daß sie ein Kind erwartete, hatten ihre lebhaften Bewegungen etwas nachgelassen. Ihre Augen leuchteten noch intensiver, und ein neuer Zug verschönte ihr Antlitz noch mehr. Das weiche, verträumte Lächeln verlieh ihr etwas Mütterliches, das selbst Nick auffiel, der seine Stiefschwester nach wie vor vergötterte. Er freute sich riesig darauf, Onkel zu werden. Ganz im Gegensatz zu Henrik, der sich dazu noch zu jung fühlte. Er konnte sogar sehr wütend werden, wenn Nick ihn damit hänselte, daß er bald Onkel sein würde.
Die brüderlichen Rippenstöße, die Nick seiner Schwester immer so gern versetzt hatte, unterließ er seit einiger Zeit wohlweislich. Auch an diesem Tag begrüßte er Andrea zurückhaltender als früher. Als sie anbot, mit den Kindern zum Tierheim zu gehen, erklärte er: »Nein, mein zukünftiges Mütterchen, du sollst dich nicht anstrengen.«
Das trug ihm einen leicht verärgerten Blick seiner Schwester ein. »Du tust ja geradeso, als ob ich schwer krank sei«, empörte sie sich.
»Trotzdem bleibst du lieber im Haus, Andrea. Herr Koster ist ja da.«
»Also gut, dann lauft allein hin-über.« Andrea rief ihre vier Dackel zurück, die laut bellend hinter den Kindern herliefen. Nur zögernd gehorchten sie ihrem Frauchen und kehrten um.
Helmut Koster, der Tierpfleger, führte die Kinder durch das Tierheim. Kuni und Mathias waren kaum von dem Zwinger der Affen und der drei Bären fortzubekommen. Die beiden Schimpansen Luja und Batu zeigten gern ihre vielen Kunststücke und brachten die Kinder immer wieder zum Lachen.
Die Braunbärin Isabell und ihre Kinder Taps und Tölpl flößten Kuni und Mathias dagegen soviel Respekt ein, daß sie kaum etwas sagten. Als Henrik ihnen vorschlug, doch mit in den Käfig zu kommen und die kleinen Bären zu streicheln, faßten sie sich ängstlich bei den Händen und erklärten einstimmig, daß sie nicht den Mut hätten.
»Laß sie nur«, meinte Nick. »Später, wenn sie gesehen haben, daß andere Kinder ohne weiteres in den Käfig gehen, werden sie ihre Angst überwinden.«
Dankbar blickten die Geschwister ihn an und bewunderten dann den halbblinden Esel Benjamin, der ein freudiges Iah hören ließ, als Pünktchen ihn streichelte. Diesmal überwandten Kuni und Mathias ihre Angst und betasteten zaudernd das struppige Fell des Esels.
Später dann saßen die Kinder im Wohnzimmer am Tisch. Sie tranken süßen Kakao und aßen dazu Apfelkuchen mit Schlagsahne.
*
Am Abend lagen Kuni und Mathias glücklich in ihren weichen Betten. Sie waren rechtschaffen müde von den vielen neuen Erlebnissen, doch sie waren viel zu aufgeregt, um sofort einschlafen zu können.
Ingrid, die ihre Kinder zu Bett gebracht hatte, sagte ihnen liebevoll gute Nacht. Kuni schlang ihre Arme um ihren Hals. »Mutti, mir gefällt es hier sehr gut. Am liebsten möchte ich länger hierbleiben«, gestand sie.
»Ich auch«, echote ihr Bruder gähnend.
»Wirklich?« Ingrid fiel ein Stein vom Herzen.
»Ja, Mutti. Aber du sollst auch hierbleiben.«
Ingrid hielt es für klüger, darauf im Augenblick nicht zu antworten. Sie gab den beiden noch einen Kuß und verließ dann das Zimmer.
Kuni und Mathias schliefen auf der Stelle ein. Ingrid aber fand noch lange keinen Schlaf. Zuviel ging ihr im Kopf herum. Auch sehnte sie sich mit der ganzen Kraft ihres Herzens nach ihrem Mann. Wie schön wäre es, wenn er hier wäre, dachte sie. Ihm würde es in Sophienlust bestimmt auch gefallen.
Ingrid zog sich aus und nahm noch eine lauwarme Dusche in dem an-schließenden Badezimmer. Der Komfort in diesem wunderschönen Herrenhaus tat ihr unendlich wohl. Und der Gedanke, daß sie jederzeit nach Sophienlust kommen durfte, hatte etwas unendlich Beruhigendes für sie.
Am nächsten Vormittag sprach Ingrid mit ihren Kindern, die sofort damit einverstanden waren, in Sophienlust zu bleiben. Selbst als sich Ingrid gegen Abend von ihnen verabschiedete, vergossen sie keine Träne.
Nick schmunzelte in sich hinein. Da sieht man wieder einmal, was für eine Zaubermacht Sophienlust hat, dachte er glücklich. Trotz seiner fünfzehn Jahre hatte er noch die romantische Vorstellung, daß das Herrenhaus von einer guten Fee erbaut worden sei und allen Menschen, die hier lebten, nur Glück bringe.
Schwester Regine kümmerte sich um die Geschwister. Als die beiden dann im Bett lagen, bekamen sie noch Besuch von Pünktchen, Angelika, Vicky, Henrik und Peter. Letzterer zeigte deutlich, wie sehr er sich freute, daß die beiden für unbestimmte Zeit in Sophienlust bleiben würden. Er fühlte sich stark zu ihnen hingezogen.
*
Ingrid schlief die erste Nacht ohne ihre Kinder in der kleinen Wohnung sehr unruhig. Immer wieder schreckte sie hoch und war froh, als endlich der Morgen dämmerte. Auch das Frühstück schmeckte ihr nicht ohne ihre Lieblinge, obwohl sie sich sagte, daß die Kinder in Sophienlust am besten aufgehoben seien.
Ingrid fürchtete sich auch in den nächsten Tagen vor dem Alleinsein. Darum blieb sie so lange wie möglich im Krankenhaus. Auf diese Weise verging die Woche schneller, als sie geglaubt hatte.
Wie sie sich vorgenommen hatte, fuhr sie am Freitagabend dann mit dem Nachtzug von Frankfurt nach München. Sie war fest entschlossen, durchzusetzen, daß sie im Laufe des Monats mit ihren Kindern nach München übersiedeln konnte. Sollte Guido nicht ganz damit einverstanden sein, würde sie zwar die Kinder noch einen Monat in Sophienlust lassen, aber selbst bei ihrem Mann bleiben.
Im letzten Augenblick hatte Ingrid noch ein Bett im Liegewagen bekommen. So verschlief sie die halbe Fahrt. Trotzdem erwachte sie unausgeschlafen und wie gerädert. Dementsprechend war auch ihre Stimmung. Zweifel begannen sie nun zu quälen. Sie dachte daran, daß sie Guido ihre Ankunft vielleicht hätte mitteilen sollen. Dann hätte er sie bestimmt vom Bahnhof abgeholt.
Aber nun war es dazu zu spät. Ingrid kam sich, als der Zug in München ankam wie eine Nichtschwimmerin vor, die brutal ins tiefe Wasser geworfen worden war. Eine graue Nebeldecke