Dr. Daniel Staffel 4 – Arztroman. Marie-Francoise
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»Ich schätze, seine Freude wird sich bald wieder in Grenzen halten«, scherzte Karina, dann sah sie ihren Vater an. »Und Tante Irene führt dir immer noch mit Leib und Seele den Haushalt?«
Dr. Daniel nickte. »Ich bin jeden Tag aufs neue froh, daß ich sie bei mir habe.« Er lächelte schelmisch. »Gelegentlich sind ältere Schwestern eben doch für etwas gut.«
Drohend hob Karina den Zeigefinger. »Mein lieber Papa, was glaubst du, was dir blüht, wenn ich das Tante Irene erzähle?«
»Dann bekommt dein alter Vater von seiner lieben Schwester vermutlich ein paar hinter die Ohren.«
Karina schmunzelte. »Das kann ich natürlich nicht verantworten. Also werde ich Stillschweigen bewahren.«
Inzwischen hatten sie Dr. Daniels Auto erreicht, verstauten Karinas Gepäck im Kofferraum und stiegen dann ein, um zur Villa hinaufzufahren. Hier wurde Karina von ihrer Tante aufs herzlichste begrüßt, dann trug sie das reichhaltige Menü auf, das sie anläßlich der Ankunft ihrer Nichte zubereitet hatte.
»Ich sehe schon, wie meine schlanke Linie verlorengeht«, prophezeite Karina. »Für die Rückkehr nach Freiburg brauche ich sicher keine Fahrkarte. Da kann ich dann kugeln.«
»Na, na, übertreib mal nicht«, wehrte Irene ab, während sie daranging, den Tisch abzuräumen.
»Also, Papa, jetzt kannst du erzählen«, wandte sich Karina ihrem Vater gespannt zu. »Was ist in der Waldsee-Klinik los?«
Dr. Daniel seufzte. »Es geht eigentlich gar nicht um die Klinik selbst, sondern…« Er zögerte. Wenn er doch nur genau wüßte, wie Karina jetzt wirklich gefühlsmäßig zu Dr. Metzler stand. Falls sie ihn nämlich noch immer liebte…
»Sondern?« hakte Karina nach, weil ihr Vater nicht weitersprach.
»Es geht um Erika Metzler«, gestand er schließlich und beobachtete Karina dabei ganz genau. Daher entging es ihm auch nicht, wie es um ihren Mund leicht zuckte.
»Gibt es Probleme in ihrer Ehe mit Wolfgang?« brachte sie ein wenig mühsam hervor.
»Diese Frage gefällt mir ganz und gar nicht, Karina«, meinte Dr. Daniel stirnrunzelnd.
»Was hast du erwartet?« Mit einer fahrigen Handbewegung strich Karina ihr langes, goldblondes Haar zurück. »Ich liebe Jean, und ich bin mit ihm verlobt, aber ein Teil meines Herzens schlägt nach wie vor für Wolfgang, und ich fürchte, es wird sich auch nicht mehr ändern.« Sie seufzte. »Ich habe auch keine Ahnung, wie es sein wird, wenn ich ihn wiedersehe.« Dann blickte sie ihren Vater an. »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Papa.«
»Es gibt keine Probleme in ihrer Ehe«, erklärte Dr. Daniel, »ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich haben sich Wolfgang und Erika nie so dringend gebraucht wie jetzt. Erika hatte vor knapp sechs Wochen eine Fehlgeburt.«
Karina erschrak sichtlich. »O mein Gott. Die Arme.« Sie senkte den Kopf. »Ich weiß, wie schlimm so etwas ist… ich weiß es aus eigener Erfahrung.« Langsam hob sie den Blick wieder. »Was meinst du, Papa, soll ich sie besuchen und mit ihr sprechen?«
»Ich fürchte, das mußt du ganz allein entscheiden, Karina. Kannst du es ertragen, die glückliche Ehe von Wolfgang und Erika so hautnah mitzuerleben?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Karina ehrlich. »Und ich kann es nur herausfinden, indem ich zu Erika hinübergehe.«
*
Erika Metzler war sehr erstaunt, als sie so unverhofften Besuch bekam.
»Karina, seit wann sind Sie denn wieder in Steinhausen?«
»Seit heute«, antwortete Karina. »Hat Wolfgang Ihnen nicht gesagt, daß ich komme?«
Erika erstarrte förmlich. Natürlich wußte sie, wie sehr sich Karina damals, als Wolfgang nach Steinhausen zurückgekommen war, in ihn verliebt hatte. Doch diese Liebe hatte nicht auf Gegenseitigkeit beruht, was für Karina eine große Enttäuschung gewesen war. Diese Enttäuschung war vermutlich noch größer geworden, als sie mitbekommen hatte, wie sehr sich Wolfgang in Erika verliebt und sie schließlich auch geheiratet hatte, und obwohl sich Erika der Liebe ihres Mannes sehr sicher war, nagte gelegentlich doch irgendwie die Angst an ihr, daß sie Wolfgang an die sehr viel jüngere und ausgesprochen hübsche Karina verlieren würde. Gerade jetzt, da sich Erika ohnehin nicht als vollwertige Frau fühlte, war diese Angst besonders groß.
»Wolfi hat gewußt…«, brachte sie mühsam hervor.
Das Kosewort schnitt Karina ins Herz, doch sie zwang sich, auf Erikas angedeutete Frage zu antworten.
»Papa hat ihn gefragt, ob ich während der Semesterferien in der Klinik arbeiten dürfte.« Dann legte sie impulsiv eine Hand auf Erikas Arm. »Papa hat mir erzählt, was geschehen ist. Es tut mir so leid, Erika. Ich weiß besser als jede andere Frau, wie Sie sich jetzt fühlen müssen.«
Erika wandte sich ab, dann brach sie in Tränen aus, und ohne zu zögern nahm Karina sie tröstend in die Arme. Was sie in diesem Augenblick empfand, überstieg alles, was sie bisher für eine Frau gefühlt hatte. Es war, als würde sie ihre allerbeste Freundin im Arm halten, nicht aber ihre Rivalin um die Gunst eines faszinierenden Mannes.
»Wein dich nur aus, Erika«, flüsterte Karina ihr zu und ging dabei ganz zwanglos zum vertrauten Du über. Irgendwie schien es ihr passender zu sein, diese zutiefst verzweifelte Frau zu duzen.
»Es tut so weh«, brachte Erika hervor, als ihr Schluchzen endlich ein wenig verebbte. »Als ich die Schmerzen fühlte… und das Blut sah… mir war, als müßte ich sterben.«
»Ich weiß, wie das ist«, entgegnete Karina leise, »auch wenn ich das alles damals erst viel später durchlitten habe. Weißt du, zum Zeitpunkt meiner Fehlgeburt wußte ich gar nicht, daß ich schwanger war… besser gesagt, ich habe diesen Gedanken verdrängt, weil es zwischen Jean und mir zu jener Zeit einen tiefen Riß gegeben hatte.« Daß Wolfgang der Grund für diesen Riß gewesen war, verschwieg sie lieber. Wahrscheinlich wußte Erika das ohnehin, denn schließlich hatte sie Karina damals im Krankenhaus besucht und ganz offen mit ihr über ihre unglückliche Liebe zu Wolfgang gesprochen. Dann war auch eine Art Freundschaft zwischen ihnen entstanden, die jetzt offenbar ihren Höhepunkt erlebte, obwohl sich Karina noch immer nicht von ihrer unseligen Liebe hatte lösen können.
»Wolfi ist sehr lieb zu mir«, erklärte Erika und riß Karina damit aus ihren Gedanken. »Er versucht mich zu trösten, obwohl er selbst auch sehr unter dieser Fehlgeburt leidet.« Sie blickte auf, und in ihren Augen lag dabei ein ganz eigenartiger Ausdruck. »Ich habe Angst, ihn zu verlieren.«
Verständnislos schüttelte Karina den Kopf. »Aber warum denn, Erika?«
»Ich fühle mich, als hätte ich versagt«, gestand sie offen. »Was bin ich denn für eine Frau, wenn ich es nicht einmal schaffe, eine Schwangerschaft durchzustehen? Wenn Wolfi nun genauso über mich denkt? Wenn er sich eine Frau sucht, die ihm das geben kann, wozu ich nicht in der Lage bin?« In ihrem Blick konnte Karina lesen, daß Erika sie für diese Frau hielt, aber noch