Menschen, die Geschichte schrieben. Christine Strobl

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Menschen, die Geschichte schrieben - Christine  Strobl marixwissen

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populär, dass sie allenthalben nachgespielt und vielfach neu entworfen wurde. Ihren Ausgang nahm diese Bühnenkarriere seinerzeit in England, wo die Theater-Kultur in den späten Regierungsjahren von Elisabeth I. sehr viel höher als auf dem Kontinent entwickelt war. Umso aufschlussreicher ist es daher, dass in London um 1590 ein junger brillanter Kopf und sprachmächtiger Dramatiker namens Christopher Marlowe nach diesem brisanten Renaissance-Mythos griff und daraus eine spektakuläre Tragödie formte, die das Publikum förmlich in Bann schlug und ohne deren dramatische Errungenschaften – darunter so zentrale Bühnenmittel wie der tragische Monolog – beispielsweise Shakespeares Hamlet zehn Jahre später völlig undenkbar wäre. Auf Marlowes Stück werde ich zum Ende dieses Beitrags noch zurückkommen, um meine These weiter zuzuspitzen, und zwar dahingehend, dass der Faustus-Mythos im Grunde ein Mythos von der Macht der Bühne ist. Denn mir scheint, dass die fragwürdigen Vermittlerdienste der Magie und Zauberei, die er vorführt, zugleich und zuerst Mittel des Theaters sind, wie sie bei allen Bühnen-Akten in Aktion treten und wie sie gerade die zitierte Alexander-Szene zeigt. Aber der Reihe nach. Bevor wir uns dem englischen Theater der Frühen Neuzeit zuwenden, soll hier vor allem die deutsche Tradition der Faustus-Überlieferung im 16. Jahrhundert – oder, wie man wohl auch sagen könnte, der Erfindung des Faustus-Mythos im 16. Jahrhundert – geschildert und danach befragt werden, was sie uns über das Programm wie das Problem der Renaissance erzählt.

      VORFAHREN UND NACHFAHREN

      Das genau bedeutet ja im Wortsinn „Renaissance“: Wiedergeburt. Und genau aus diesem Grund ist das Erkennungsmal am Körper Alexanders so entscheidend, die Warze, anhand derer ihn der Kaiser identifiziert. Nur wer nämlich von derlei intimen Körpermalen weiß, ist mit dem Überlieferten offensichtlich so vertraut, dass er eine solche Genealogie in Anspruch nehmen kann. Die Identifikation des Anderen dient zur Identifizierung des Selbst, so dass die Ankunft des Neuen als Abkunft vom Alten dargestellt wird. Das aber zeigt nicht nur den Mythos der Renaissance, sondern überhaupt das Mythische schlechthin. Sich mit dem, was von alters her erzählt wird, zu identifizieren, sich im Hergebrachten zu spiegeln und darin immer wieder und zumal in Krisenzeiten vergewissern zu können, unsere je aktuelle Selbstverständigung also dadurch zu gewinnen, dass wir auf vorrätige Figuren, Bilder und Geschichten zurückgreifen und sie in unseren Dienst stellen: Das verstehe ich als Leistung des Mythos, und das leistet für die Renaissance das große Repertoire der antiken Überlieferungen. Alexander der Große steht hier gewiss nur als ein Repräsentant dieses großen Zusammenhangs von Texten und Figuren, die aus dem Altertum in die Neuzeit ragen und die immer wieder neu und programmatisch anzueignen sind. Die Frage also, die wir im Zusammenhang mit Faustus untersuchen müssen, lautet: Welche Rolle spielt dabei die Magie? Was leistet seine Zaubermacht für dieses Programm?

      HEILIGE UND GOTTLOSE

      Faustus ist ja seinerseits ein Mythos der Renaissance, aber ein höchst sonderbarer. Wie wir in der Historia lesen, bietet seine Beschwörungsmacht auf kaiserlichen Wunsch die Chance, die Selbstpositionierung der höchsten weltlichen Autorität zu zeigen und damit den Renaissancekaiser als Wiedergänger eines großen Vorfahren zu inszenieren. Andererseits lässt gerade die Historia keinen Zweifel, dass solcherlei Beschwörungen als Schwarze Kunst und Teufelsspuk zutiefst verdammungswürdig sind. Wir sind, wie gesagt, im dritten Teil der Geschichte, der, wie die Überschrift ankündigt, mit Faustens schrecklichem Tod endet. Doch schon bevor wir überhaupt mit der Lektüre dieser Lebensschilderung beginnen, stellt der Titel der Historia alles klar:

      Historia von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer vnnd Schwartzkünstler / Wie er sich gegen dem Teuffel auff eine benandte Zeit verschrieben / Was er hierzwischen für seltsame Abentheuwer gesehen / selbs angerichtet vnd getrieben / biß er endtlich seinen wol verdienten Lohn empfangen.

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