Menschen, die Geschichte schrieben. Christine Strobl

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Menschen, die Geschichte schrieben - Christine  Strobl marixwissen

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Wieder also soll wohl in der Faustus-Figur etwas dämonisiert und ausgegrenzt werden, was, in anderer Sicht betrachtet, die Renaissance recht eigentlich charakterisiert.

      In dieser umgekehrten Sicht lässt sich im Übrigen der Titel der Historia, der oben zitiert wurde, ebenfalls anders lesen: „allen hochtragenden, fürwitzigen und gottlosen Menschen zum schrecklichen Beyspiel und abscheulichen Exempel“ kann die Geschichte von D. Johann Fausten zweifellos nur deshalb dienen, weil es von solchen Menschen offenbar etliche gibt. Als Exempel ist Faustus gerade nicht ein Ausnahme-, sondern ein Modellfall. Seine Lebensbeschreibung, kompiliert aus vorliegenden Schriften, zeigt damit etwas, das in hohem Maße typisch, weitverbreitet und charakteristisch ist für jene Zeit, so dass sich viele Leser darin wiederfinden mögen. Bei dem „Fürwitz“ nämlich, der auf dem Titelblatt genannt wird, handelt es sich um jene Curiositas, die bald zur Leitidee der neuzeitlichen Forschung aufsteigt und signalisiert, dass hier fortwährend Grenzen des Bekannten und Erlaubten überschritten werden. Die Grenzüberschreitung manifestiert sich mit den Entdeckungs- und Eroberungsfahrten, beispielsweise in die Neue Welt, zudem im konkreten geographischen Sinn: Sie erweitert physisch den Horizont, führt über die Säulen des Herkules, die für die Antike das Ende der bekannten Welt darstellten, hinaus und begründet dadurch die neue Wissenschaft.

      Damit sollte die eingangs aufgestellte These ausgeführt und in ihrem Kern begründet sein. In Doktor Faustus, so hat sich gezeigt, sieht die Gelehrtenwelt der Renaissance einen Zwischengänger, der die Ungewissheit ihrer eigenen Zwischenstellung figuriert – sei es die zwischen Gott und Teufel oder zwischen der Autorität des Alten und des Neuen oder auch zwischen Selbsterhöhung und christlicher Demut. In jedem dieser Fälle wird der Zwischengänger Faustus dämonisiert, ausgegrenzt, ausgewiesen, um so die eigene Position von neuem abzusichern.

      Was bislang noch nicht diskutiert wurde, betrifft den zweiten Aspekt dieser These: dass es sich bei solcher Zwischengängerei ausdrücklich um einen Akt der Performanz und des Theaters handelt, dass Faustus also seine wirkungsvollste Rolle als Spielfigur auf dem Theater findet. Die Kultur- und Religionskonflikte, die in dem Faustus-Mythos ausgetragen werden, lassen sich erst dann wirklich verstehen, wenn wir den Blick auf die Bühne richten, d. h. auf Christopher Marlowe und seine englische Bühnenversion der Historia, die schon bald nach 1600 über Wanderschauspielgruppen den Weg zurück nach Deutschland findet.

      BÜHNE UND BLICKE

      Zu Marlowes Tragical History of Doctor Faustus ist gewiss sehr viel mehr zu sagen, als im Rahmen und zum Ende dieses Beitrags möglich ist. Deshalb soll an dieser Stelle nur eine einzige Szene exemplarisch betrachtet werden, weil sie das bisher Ausgeführte mit den Mitteln des Theaters wiedergibt und zugleich auf interessante Weise steigert. Es handelt sich um den bereits bekannten Auftritt Faustens vor dem Kaiser und seine Beschwörung Alexanders. In Marlowes Bühnentext wird diese Begegnung wie folgt formuliert:

      EMPEROR:

      Wonder of men, renowned magician,

      Thrice-learned Faustus, welcome to our court. […]

      FAUSTUS:

      The Doctor stands prepared, by power of art,

      To cast his magic charms […]

      To compass whatsoe’er your Grace commands.

      BENVOLIO (aside):

      Blood, he speaks terribly! But for all that, I do not greatly

      believe him. He looks as like a conjuror as the Pope to a

      coster-monger.

      EMPEROR:

      Then, Faustus, as thou late didst promise us,

      We would behold that famous conqueror,

      Great Alexander, and his paramour,

      In their true shapes and state majestical,

      That we may wonder at their excellence.

      FAUSTUS:

      Your Majesty shall see them presently. […]

      BENVOLIO:

      Well, Master Doctor, an your devils come not away quickly,

      you shall have me asleep presently. Zounds, I could eat myself

      for anger, to think I have been such an ass all this while, to

      stand gaping after the devil’s governor, and can see nothing.

      FAUSTUS:

      I’ll make you feel something anon, if my art fail me not. […]

      And I’ll play Diana, and send you the horns presently.

      Sennet. Enter at one the EMPEROR ALEXANDER, at the other DARIUS. They meet. DARIUS is thrown down; ALEXANDER kills him, takes off his crown, and, offering to go out, his PARAMOUR meets him. He embraceth her and sets DARIUS’ crown upon her head, and coming back, both salute the EMPEROR, who, leaving his state, offers to embrace them, which FAUSTUS seeing, suddenly stays him. Then trumpets cease and music sounds.

      My gracious lord, you do forget yourself.

      These are but shadows, not substantial.

      EMPEROR:

      Oh pardon me, my thoughts are so ravished

      With sight of this renowned Emperor,

      That in mine arms I would have compassed him. […]

      FAUSTUS:

      Away, be gone.

      Exit

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