MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Robert Mccammon страница 13
In der Stadt brannten den ganzen Tag über die unzähligen Feuer des Handels – sei es in den Schmieden oder unter den Talgtöpfen der Kerzenzieher – und schickten ihre in Rauch geschriebenen Nachrichten durch ein Labyrinth von Schornsteinen empor. Darunter zimmerten Arbeiter neue Häuser für den Marsch der Zivilisation nach Norden. Das Dröhnen der Holzhämmer und Knirschen der Sägeblätter schien nie zu verstummen und führte dazu, dass manche der alten holländischen Einwohner sich sehnsüchtig an die Stille der guten alten Zeit erinnerten.
Das Ziel des neuen Bürgermeisters Philip French, einem kompakten, geradlinigen Mann, der sich vor Arbeit nicht scheute und mehr Straßen pflastern wollte, erregte das allgemeine Interesse. Auch dieses Vorhaben konzentrierte sich auf die Gegend nördlich der Wall Street, kostete die Schatzkammer aber Geld und war daher zurzeit von Gouverneur Lord Cornbury mit einem Berg von Papieren und Genehmigungen begraben worden. Den Gouverneur bekamen New Yorks Einwohner in letzter Zeit nur selten außerhalb seines Herrenhauses in Fort William Henry zu Gesicht.
New York setzte sich aus all diesen Facetten zusammen, die sich auf die eine oder andere Art endlos wiederholten. An diesem Nachmittag jedoch, laut Matthews Silberuhr Punkt vier Uhr am Nachmittag, ereignete sich etwas noch nie Dagewesenes: Berry Grigsby erklomm die schmale Treppe des Rathauses, die zu Ashton McCaggers‘ Reich unter dem Dach führte.
»Pass auf«, sagte Matthew, damit sie nicht stolperte, aber beim nächsten Schritt war er es, der hinter ihr danebentrat. Um nicht hinzufallen, griff er nach ihrem Rock.
»Pass selbst auf«, wies sie ihn knapp zurecht und befreite ihren Rock im selben Moment, in dem er ihn losließ, als hätte er sich die Hand verbrannt. Dann fasste sie sich wieder und stieg den Rest der Treppe hinauf, bis sie die Tür erreichte. Sie warf ihm einen Blick zu, er nickte, und sie klopfte in dem Rhythmus an, den er ihr vorher gesagt hatte.
Die genaue Beziehung der beiden war, wie ein Ermittler vielleicht sagen würde, schwierig zu ermitteln. Beide wussten, dass ihr Großvater Berry weniger aus England eingeladen hatte, damit sie eine Stellung fand, sondern ein Stelldichein und einen Bräutigam. Zualleroberst auf Liste der infrage kommenden Heiratskandidaten stand, zumindest was Marmadukes ränkeschmiedenden Kopf anging, ein gewisser New Yorker namens Corbett – und daher war Matthew angeboten worden, aus dem Kühlhaus sein eigenes Miniaturherrenhaus zu machen und den Mahlzeiten und der Gesellschaft der Grigsbys zu frönen, die nur ein paar Schritte von seiner Tür entfernt wohnten. Zeigt ihr nur ein bisschen die Stadt, hatte Marmaduke ihn gedrängt. Führt sie aus zum Tanzen. Das würde Euch doch nicht umbringen.
Da war Matthew sich nicht so sicher. Ihr letzter Tanzpartner, Matthews Freund und Schachpartner Effrem Owles, der Sohn des Schneiders, war am East River in ein Bisamrattenloch getreten, als er Berry eines Abends nach Hause geleitet hatte. Bis die Schwellung seines Fußgelenks abgeklungen war, hatte es sich für ihn ausgetanzt. Aber jedes Mal, wenn Matthew seinen Freund entweder auf einem Stuhl im Trot Then Gallop sitzen oder auf Krücken die Straße entlanghumpeln sah, wurden Effrems Augen hinter den runden Brillengläsern groß und er wollte wissen, was Berry heute anhatte, wo sie hinging und ob sie ihn je erwähnte – und weiter derartiges Zeugs.
Was weiß ich!, hatte Matthew etwas zu scharf geantwortet. Ich bin doch nicht ihr Aufpasser! Und mir fehlt sowieso die Zeit, über sie zu reden.
Aber Matthew, Matthew! Es war wirklich bemitleidenswert, wie Effrem an den Krücken humpelte. Findest du nicht, dass sie das hübscheste Mädchen ist, das du je gesehen hast?
Auch da war Matthew sich nicht so sicher. Er wusste nur, dass sie hier, wo sie auf der schmalen Treppe vor McCaggers Tür dicht vor ihm auf Einlass wartete, sehr angenehm roch. Vielleicht war es der Geruch der Zimtseife, mit der sie ihre kupferroten Locken wusch oder das leichte Aroma von Heu, das die blauen Wildblumen auf ihrem Strohhut verströmten. In der letzten Juniwoche war sie neunzehn Jahre alt geworden, ein Geburtstag, den sie noch an Bord des vom Pech verfolgten Schiffes verbracht hatte, das sie über den Atlantik gebracht und in schimmeligen Kleidern und auf wackeligen Seebeinen im New Yorker Hafen über das Fallreep an Land stolpern gelassen hatte, wo Matthew sie das erste Mal sah. Aber das war im Sommer gewesen und inzwischen war es zum Glück Herbst. Berrys Wangen und ihre feine Nase waren von Sommersprossen übersät, ihr Kinn fest und resolut, und in ihren dunkelblauen Augen lag ebenso viel Neugierde wie in denen ihres verehrten Großvaters. Sie trug ein lavendelfarbenes Kleid und hatte einen Spitzenschal um die Schultern geschlungen, da die Luft vom Regen in der Nacht noch immer kühl war. Bevor er sie das erste Mal sah, hatte Matthew einen ähnlichen Gnom wie Marmaduke erwartete, aber sie war fast so groß wie er und alles andere als zwergenhaft. Matthew fand tatsächlich, dass sie hübsch war. Sogar mehr noch: Er fand sie interessant. Ihre Beschreibungen während der gemeinsamen Mahlzeiten an Marmadukes Tisch, wenn sie von London, dessen Einwohnern und ihren Reisen – und vom Pech geplagten Abenteuern – in England erzählte, schlugen ihn in den Bann. Er hoffte, diese Großstadt eines Tages selbst zu sehen, denn sie zog ihn nicht nur durch ihre bunte Vielseitigkeit an, sondern auch durch die von Intrigen und Gefahr durchwobene Atmosphäre, die aus den Seiten der von ihm gelesenen London Gazette emporstieg. Da er in New York von mehr als genug Intrigen und Gefahren umgeben war, hoffte er, lange genug zu leben, um eines Tages London sehen zu können.
»Was guckst du mich so an?«, fragte Berry.
»Wie denn?« Er hatte seine Gedanken schweifen und seine Augen auf ihr ruhen lassen. Hastig erinnerte er sich daran, weswegen sie hier waren. Eine kleine quadratische Luke in der Tür wurde auf Berrys Klopfen hin geöffnet und ein dunkelbraunes Auge hinter Brillenglas spähte hinaus. Als Matthew das erste Mal hier oben gewesen war, hatte er mit angesehen, wie McCaggers‘ an Elsie und Rosalind, zwei Schneiderpuppen, die als Zielscheiben dienten, Schießexperimente durchführte. Und dann waren da noch all die anderen Dinge hinter der Tür … in Kürze würde Berry im Eilschritt Rückzug die Treppe hinunter einschlagen.
Die Tür wurde geöffnet. Ashton McCaggers sagte mit leichter und angenehmer Stimme: »Guten Tag. Bitte tretet ein.«
Matthew bedeutete Berry vorzugehen, aber sie beachtete ihn sowieso nicht und war schon halb über die Türschwelle getreten. Matthew folgte ihr. McCaggers schloss die Tür und Matthew wäre fast gegen Berry geprallt – denn sie war wie angewurzelt stehen geblieben und sah sich das Reich des Leichenbeschauers an.
Durch die Dachfenster strömte Licht hinein und fiel auf etwas, das über ihren Köpfen an den Dachsparren hing: McCaggers‘ Engel, wie er sie Matthew gegenüber einmal bezeichnet hatte; die menschlichen Skelette von drei Erwachsenen und einem Kind. Die Wände der makabren Mansarde waren mit zwanzig oder mehr Totenköpfen verschiedener Größen geschmückt. Manche waren vollständig, anderen fehlte der Unterkiefer oder ein anderes Teil. Mit Draht zusammengebundene Bein- und Armknochen, Brustkörbe und Hände vervollständigten die Dekoration, die nur einem Leichenbeschauer gefallen konnte. Einige honigfarbene Aktenschränke standen mitten im großen Zimmer. Auf ihnen lagen weitere Knochen. Es waren auch Tierskelette darunter, ein Anzeichen dafür, dass McCaggers Knochen um ihrer Form und Mannigfaltigkeit willen sammelte. Neben einem langen Tisch, der mit Bechergläsern vollgestellt war, in denen seltsame – aber mit Sicherheit beunruhigende – Dinge in Flüssigkeiten trieben, stand McCaggers‘ Gestell, das seine Degen, Äxte, Messer, Musketen, Pistolen und rohere Waffen wie mit grausig aussehenden Nägeln beschlagene Knüppel beherbergte. Vor dieser Sammlung von Instrumenten, die Menschen zu Knochen reduzierten, stand Hudson Greathouse und bewunderte die üppig verzierte Pistole in seiner Hand.
Er sah von der Pistole hoch, warf Berry einen Blick zu und sagte mit einem unscheinbaren Lächeln: