MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon
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Zed hob den Kopf dem schwarzen Himmel entgegen und gab tief in seiner Kehle einen Laut von sich, der ähnlich dem Brüllen eines verwundeten Stiers begann und hoch und höher emporstieg, hoch in die furchterregende Leere über den Dächern und Schornsteinen, den Docks und Scheunen, den Pferchen und Ställen und Schlachthäusern. Zuerst hörte er sich wie ein verwundeter Stier an, ja – aber irgendwo in seinem Höhenflug wurde aus dem Schrei der eines kleinen Kindes, das verlassen war und Angst vor der Dunkelheit hatte.
Das Geräusch erstickte allen Lärm. Man konnte hören, wie der Schrei in eine Richtung über die Stadt hinwegrollte und in die andere über das Wasser.
Alle Hände erstarrten. Alle Fäuste öffneten sich und alle Gesichter, selbst die höhnischen, versoffenen und gemeinäugigen, überfiel um den Mund herum die Beklemmung von Scham, denn jeder in der Menge kannte Wörter für Qual, aber niemand hatte darüber je so schrecklich ausdrucksvoll reden gehört.
Zed senkte wieder den Kopf. Matthew starrte zu Boden. Es war an der Zeit, dass sich alle zu ihren Frauen, Ehemännern, Liebhabern und Kindern nach Hause begaben. In ihre Betten. Nach Hause, wo sie hingehörten.
Blitze zuckten, Donner grollte, und noch bevor die Menschenmenge sich auflöste, ergoss der Regen sich mit solch wütender Gewalt auf sie, als hätte die Welt sich auf ihrer Achse verschoben und als drängte der kalte Atlantik in Flutwellen an Land. Manche rannten, um sich unterzustellen, andere stapften langsam mit hochgezogenen Schultern und grimmigen Gesichtern von dannen, und innerhalb weniger Minuten lag die Wall Street leer in den Regenfluten da.
Kapitel 3
»Also gut.« Matthew faltete auf dem Tisch die Hände. Er hatte gerade seinen Dreispitz an einen Haken gehängt und sich hingesetzt, aber Greathouse war zu beschäftigt damit, sein aus acht Eiern, vier ölig glänzenden Würstchen und sechs Maisfladen bestehendes Frühstück auf dem riesigen roten Servierteller zu verzehren, um ihm Aufmerksamkeit zu zollen. »Worum geht’s?«
Greathouse hielt beim Essen lange genug inne, um an seinem Tee zu nippen, der so heiß und schwarz war, wie es Sally Almonds Schänke in der Nassau Street zu servieren nur möglich war.
Man konnte sich kaum einen größeren Unterschied vorstellen als zwischen diesem geachteten Wirtshaus und der abstoßenden Pinte, die sie am Abend zuvor besucht hatten. Das Rathaus war einst der Mittelpunkt der Stadt gewesen, aber jetzt konnte man sagen, dass Sallys Gaststätte – ein ordentliches weißes Steinhaus mit grauem Schieferdach, über das eine massive Eiche ragte – diese Bezeichnung verdiente, denn die Straßen und Häuser dehnten sich immer mehr gen Norden aus. Die Schänke war warm und freundlich und roch stets nach Gewürzen, Räucherfleisch und frischgebackenem Kuchen. Die Fußbodenbretter wurden peinlich sauber gehalten, hie und da standen Vasen mit frischen Blumen, und beim ersten Herbstfrost wurde der große offene Kamin angefeuert. Sally Almonds Schänke wurde sowohl von Einheimischen als auch Durchreisenden zum Frühstück, Mittagstisch und Abendessen frequentiert, und Madam Almond spazierte oft mit einer Laute zwischen den Tischen umher und sang mit leichter und sehr angenehmer Stimme.
Die ganze Nacht über hatte es geregnet, doch zur Morgendämmerung hatte es aufgehört. Aus einem großen Fenster, das zu den Fußgängern, vorbeiratternden Pferdewagen, Karren und dem Vieh in der Nassau Street hinausging, konnte man silberne Streifen Sonnenlicht die Wolken durchbrechen sehen. Direkt gegenüber lag Mary Belovaires gelbgemauertes Gasthaus, in dem Greathouse wohnte, bis er, so seine Worte, »eine passendere Unterkunft für einen Junggesellen« finden konnte. Damit meinte er, dass Madam Belovaire bei aller Freundlichkeit dazu neigte, das Kommen und Gehen ihrer Gäste zu überwachen und dabei so weit ging, ihnen den regelmäßigen Besuch des Gottesdienstes, des Nichtgebrauchs von Schimpfworten und Alkohol, sowie beste Manieren im Umgang mit dem anderen Geschlecht gegenüber nahezulegen. All das verursachte bei Greathouse ständiges Zähneknirschen. Neuerdings hatte Madam Belovaire sich als Ehevermittlerin versucht und ihm eine ganze Anzahl respektabler und anständiger Damen vorgestellt, die in Greathouse ungefähr das gleiche Interesse wie eine Schüssel Sülze erregten. Daher war es nicht verwunderlich, dass Greathouse in letzter Zeit in der Stone Street 7 bis tief in die Nacht hinein arbeitete. Matthew wusste, dass der Mann dort in Gesellschaft einer Brandyflasche auf einem schmalen Klappbett schlief.
Was nicht heißen soll, dass die beiden sich in den letzten Wochen gelangweilt hatten. Ganz im Gegenteil. Seit die Herrald Vermittlung im Ohrenkneifer so häufig erwähnt worden war, hatte es keinen Mangel an Briefen und Besuchern gegeben, die Probleme gelöst haben wollten. Matthew war einem jungen Mann zur Hilfe gekommen, der sich in eine Indianerin verliebt hatte und ihrem Vater, dem Häuptling, beweisen wollte, dass er ihrer wert war. Dann war da noch der sonderbare und verstörende Ritt durch die Nacht gewesen, auf dem Matthew geschlussfolgert hatte, dass nicht alle Kreaturen auf Gottes Erde von Gott erschaffen worden waren, und außerdem der Zwischenfall bei einer Partie Jingo, in der ein Spieler von einer Gruppe Halsabschneider um sein hochgeschätztes Pferd betrogen worden war. Greathouse dagegen hatte die schwere Prüfung im Haus am Ende der Welt durchlitten, die ihn fast sein Leben gekostet hatte, und danach kam die unheimliche Sache mit dem Testament von Dr. Coffin.
Wie Mrs. Herrald Matthew eines Abends beim Essen im Sommer erklärt hatte, als sie ihm Arbeit als Ermittler in der Vertretung angeboten hatte, die ihr Mann Richard in London gegründet hatte: Ihr könnt mir glauben, Matthew, dass nicht nur die Verbrecherwelt Englands in diese Richtung schaut und das Potenzial erkannt hat, sondern die von ganz Europa. Damit meine ich zum Beispiel Entführungen, Fälschungen, Diebstahl und Mord auf Bestellung. Oder den Verstand und die Seele eines Menschen zu beherrschen, um daraus illegalen Gewinn zu schlagen. Ich könnte Euch eine Namensliste der Verbrecher geben, die am wahrscheinlichsten eines Tages hierhergelockt werden. Die kleinen Gauner machen mir keine Sorgen, sondern vielmehr die im Untergrund gedeihende Gesellschaft, die die Fäden zieht. Die äußerst mächtige und lebensgefährliche Gruppe von Männern – und Frauen –, die wie wir jetzt beim Essen sitzt, ihre Messer aber über einer Landkarte der Neuen Welt gezückt hat, und die einen Wolfshunger hat.
Wie wahr, dachte Matthew. Mit dem Mann, der das größte Messer besaß, war er bereits in Berührung gekommen, und in manchen dunklen Momenten kam es ihm vor, als würde ihm die Klinge an den Hals gedrückt.
Greathouse stellte seine Teetasse hin. »Zed ist ein Ga«, sagte er.
Matthew nahm sich, sich verhört zu haben. »Ein Ga?«
»Ein Ga«, antwortete Greathouse. Sein Blick schweifte zur Seite. »Da kommt Evelyn.«
Evelyn Shelton, eine der zwei Bedienungen der Schänke, kam auf ihren Tisch zu. Sie hatte funkelnde grüne Augen und blonde Haare wie eine gekämmte Wolke, und da sie nebenher auch Tanzlehrerin war, besaß sie flinke Füße, die sie sicher durch den morgendlichen Andrang von Gästen trugen. Armreifen aus Elfenbein und Kupfer klirrten an ihren Handgelenken. »Matthew!«, sagte sie mit offenem Lächeln. »Was darf ich Euch bringen?«
Einen neuen Satz Ohren, dachte er, da er immer noch nicht verstand, was ein Ga sein sollte. »Ach, ich weiß nicht. Gibt es heute Brezeln?«
»Frisch gebackene.«
»Die Würstchen sind gut«, empfahl Greathouse, der gerade eins kaute. »Sagt ihm, dass die einen Mann aus ihm machen, Evelyn.«
Ihr Lachen klang wie das Klingeln von Glasglocken. »Oh ja, die sind sehr würzig! Aber sie verschwinden den Leuten so schnell im Schlund, dass wir