Sein. Lilly Grunberg
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Nun, vielleicht hatte Myriam sich ja in der Zwischenzeit verändert. Nadine tendierte dazu, jedem eine zweite Chance zu geben, und hinter allem erstmal das Beste zu vermuten. Das war möglicherweise ein wenig naiv, wie Laurin mitunter bemängelte, entsprach aber ihrem positiven Denken. Sie konnte einfach nicht anders.
»So, was darf ich denn für dich tun?«, zwitscherte Myriam unbefangen.
Nadine kramte in ihrer Handtasche. »Ich hab einen Gutschein, den hat Sophie mir zum Geburtstag geschenkt. Du erinnerst du dich doch noch an Sophie?«
»Na klar«, lachte Myriam. »Ihr wart ja wie siamesische Zwillinge. Wo sie war, warst auch du.« Genau in dieser Reihenfolge, nicht umgekehrt, fügte Nadine in Gedanken hinzu. Wobei sie nie das Gefühl gehabt hatte, hinter Sophie hergelaufen zu sein. Sophie war eben viel selbstbewusster und abenteuerlustiger als sie gewesen, und hatte Dinge gewagt, über die Nadine niemals nachgedacht hätte.
Myriam warf einen kurzen Blick auf den Gutschein. »Okay, also, die Classic-Behandlung. Na, dann nimm mal Platz. Die Bluse solltest du ausziehen, damit sie keine Flecken bekommt.«
Sie nahm einen neuen Bügel vom Garderobenständer und sah Nadine dabei zu, wie diese sich auszog, ihr die Kleidungsstücke reichte, und es sich dann auf den weißen Tüchern, mit denen der Behandlungsstuhl abgedeckt war, bequem machte.
»Schönes Dessous«, merkte Myriam mit Blick auf Nadines Busen anerkennend an, während sie ein großes Handtuch über ihrem Oberkörper ausbreitete, und dann ihre Haare mit einem Band aus der Stirn zurücknahm.
Nadine war selbst ein wenig stolz auf den fein gearbeiteten, rosaroten Spitzenbüstenhalter, bei dem es sich um das Produkt einer Designerlinie handelte. Laurin verfügte über einen ausgesprochen guten Geschmack und beschenkte sie gerne mit schöner Unterwäsche. Da machte das Auspacken gleich nochmal soviel Spaß. Es war durchaus verständlich, wenn aus Myriams Worten ein wenig Neid herauszuhören war.
»Mein Freund legt viel Wert darauf.«
»Bezahlt er die Teile wenigstens auch?«
Nadine kicherte. »Oh ja, von meinem schmalen Gehalt könnte ich mir das nicht leisten, und was Einfaches, Billiges darf ich nicht tragen.« Bestimmt fragte Myriam nun gleich, womit sie ihr Geld verdiente.
»Und wie ist er sonst so, dein Freund?«
Okay, ihr Job war also nicht von Interesse.
»Laurin ist ein echter Schatz«, schwärmte Nadine, während Myriam die Behandlung nun damit begann, das Makeup zu entfernen und das Classic-Programm, bestehend aus Peeling, Augenbrauenzupfen, Hautpflege und Gesichtsmassage mit sanfter Massage auszuführen. »Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können. Er sieht gut aus, hat einen tollen Job, ein Haus geerbt und vor allem ist er immer für mich da. Und du? Was macht dein Freund?«
»Ich? Ach, ähm, mein Freund ist viel unterwegs, gerade wieder mehrere Wochen im Ausland. Er arbeitet für einen großen Konzern. Da gehört das Reisen mit zum Job.«
Nadine hatte die Augen geschlossen und genoss den leichten Druck von Myriams Fingern, mit denen sie ihr Gesicht massierte. Die leise, unaufdringliche Instrumentalmusik, die aus zwei Lautsprechern an der Wand klang, wirkte zusätzlich entspannend. »Oh, das wäre nichts für mich. Wie kommst du damit klar, wenn dein Freund so lange weg ist?«
»Ach, das gehört halt dazu, wenn er erfolgreich sein will. Dafür bringt er mir dann immer etwas Tolles mit und außerdem genieße ich zwischendrin meine Freiheit. Ähm, wenn du möchtest, kann ich dir noch ein tolles Nageldesign machen.«
Offensichtlich wollte Myriam nicht weiter über ihr Privatleben reden. Für Nadine war dies ein sicheres Zeichen, dass es in der Beziehung nicht optimal lief und Myriam die Situation nur schön redete. Aber interessierte sie das überhaupt?
»Im Augenblick sind alle ganz versessen auf unseren zweifarbigen Glitterlack mit einem kleinen Schmetterling in der Mitte.«
»Oh nein, vielen Dank«, lehnte Nadine ab und unterdrückte ein Gähnen. »Du machst das übrigens toll, sehr angenehm, so total entspannend.«
»Gefällt dir so ein Nagelstyling denn nicht?« Myriam ließ nicht locker.
»Doch«, kicherte Nadine schläfrig. »Ich fänd’s ja ganz lustig. Aber mein Dom steht nicht drauf und ich habe gerade keine Lust auf eine Lektion.«
»Lektion? Was meinst du damit?«
Ach du meine Güte, jetzt hatte sie sich verplappert. »Na ja, also, mein Freund steht nicht auf Mädchenkram wie Glitter und Bildchen auf den Nägeln und so.« Nadines Herz schlug schneller. Plötzlich war sie wieder hellwach. Hoffentlich gab Myriam sich mit dieser Begründung zufrieden.
»Aha. Und, was ist ein Dom?«
Verdammt, darüber wollte und durfte sie nicht reden. Nadine schlug die Augen auf und blickte direkt in Myriams Katzenaugen.
»Dom? Ach, das ist eine Art – Abkürzung von Dominik.«
Es war Myriams Mimik anzusehen, dass sie dieser Erklärung keinen Glauben schenkte. »Den Bären kannst du jemand anderem aufbinden, Nadine. Deine Betonung, die klang nicht wie ein Name, sondern eher wie – wie eine Art Titel. Komm schon, mir kannst du es erzählen, wir kennen uns doch schon ewig.«
Das war gelinde gesagt übertrieben. Eigentlich kannten sie sich gar nicht, obwohl sie Jahre in dieselbe Klasse gegangen waren. Allerdings hörte es sich so an, als würde ihre ehemalige Schuldkameradin nicht klein beigeben.
»Du hast gesagt, der Dom würde dir eine Lektion erteilen«, beharrte Myriam auf einer Antwort. Sie schien verdammt gut zuzuhören.
»Na ja«, presste Nadine gequält hervor. »Ich darf nicht darüber reden.«
Myriam grinste breit und zupfte Härchen von Nadines Oberlid, um die Augenbraue in eine perfekte Form zu bringen. Kam es ihr nur so vor, oder zog Myriam besonders langsam an jedem einzelnen Haar, um sie zu quälen?
»Das klingt erst recht interessant. Du willst mir doch nicht weismachen, dass du dir von irgendjemandem sagen lässt, worüber du mit wem sprechen darfst?«
Stimmt, das klingt lächerlich. Bevor der Zufall der ehemaligen Schulkameradin Gerüchte zuspielte und diese eins und eins zusammenzählte, war es vermutlich besser, dieses Thema selbst in die Hand zu nehmen und so harmlos wie möglich darzustellen.
»Okay, es ist so, ich lebe in einer etwas speziellen Beziehung. Hast du schon mal von BDSM gehört?« Nadine bemühte sich um einen eher gelangweilten, beiläufigen Tonfall. Dabei hämmerte ihr Herz protestierend wie eine Aneinanderreihung von Paukenschlägen.
Myriam zog die Augenbrauen hoch. »Ähm, nicht wirklich. Was ist das?«
Sie sollte die Hoffnung begraben, schnell aus dieser Nummer herauszukommen. Nadine ballte die Fäuste unter dem Tuch. »Aber von Sadomaso hast du gehört, oder?«
»Ja, schon.« Myriam kniff die Augen zusammen. »Marquis de Sade, oder?«
Nadine nickte. »Unter anderem.«
»Okay,