Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

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Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad

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mit den Augen, um das Bild auf der Tür festzuhalten.

      »Es kann schon so aussehen, wenn die Felder im Schatten liegen,« sagte er, »man kann viele seltsame Figuren aus der Stellung der Planken herausbekommen. Es ist so, wie wenn man fremde Menschenköpfe auf den Felsschroffen in der Ferne sieht.«

      Er hörte Kaisa die Treppe herunterkommen und fragte:

      »Sollen wir gehen? Oder willst du zuerst hören, was sie zu sagen hat?«

      Ann-Mari wollte nicht gehen.

      Kaisa humpelte durch die Küche, sich auf ihren Stock stützend. Sie murmelte etwas in sich hinein, es war der letzte Nachhall des Zankes mit dem Mann. Und zwischen den Worten stieß sie Kehllaute aus, die einen unheimlichen Anstrich von Fröhlichkeit hatten.

      Die Fährleute gingen immer so herum und murmelten Flüche in sich hinein. Als sie über die Schwelle trat, hörte sie mit ihrem Gebrumm nicht auf, aber tat, als spräche sie zu einem großen schwarzen Kater mit buschigem Schwanz, der um ihre Röcke strich.

      »Die Lampe geht aus«, sagte sie. Dabei warf sie einen Blick von einem zum andern und lächelte. Kaisa hatte noch alle Zähne im Munde, das Lächeln flackerte weiß in ihrem Gesicht und hob dessen zigeunerhaftes Gepräge hervor.

      »Für Liebesstunden ist die Dunkelheit gerade recht,« sagte sie, »geh und hol eine Kerze.«

      Sigvard ging in die Küche, aus der er gleich darauf mit einer angezündeten Kerze in der Hand zurückkehrte. Er stellte sie auf den Tisch und löschte die rauchende Lampe aus. Es wurde nun noch dunkler in der Stube. Gewaltige Schattenfiguren huschten lautlos über die Wände, wenn die Menschen sich bewegten.

      »Ist sie dagewesen?« fragte Kaisa.

      Man verstand sofort, wen sie meinte. Sigvard nickte.

      »Sie ist wieder fort«, sagte er.

      »So närrisch wie heute habe ich sie noch nie gesehen ... das Luder«, fügte sie hinzu.

      »Ihr seid zu hart gegen sie«, bemerkte der junge Bursche ernst. »Ihr vergeßt, daß sie krank und vom Unglück gezeichnet ist. Wenn Ihr nachsichtiger gegen sie wäret, würde es vielleicht besser werden.«

      »Nachsichtig, schöntun, was denn noch ...«

      Die alte Kaisa stieß die Worte hervor und schlug den Takt dazu mit dem Stock auf dem Boden. Aber sie fauchte nicht vor Wut wie sonst. Sie war eher sanft. Aber diese leicht spöttische Freundlichkeit, die sie zur Schau trug, indem sie sich lächelnd über den Stock vorbeugte, ließ die andern erschauern.

      »Demütig und nachsichtig gegen die Menschen ... so soll man sein, ja.«

      Plötzlich rief sie laut:

      »Ist ein einziger Mensch hier, der mir nicht Unglück gebracht hat? Viele, viele Jahre konnte ich niemanden ansehen, ohne Haß und Abscheu in aller Augen zu lesen. Ich verstehe vielleicht nicht viel von den Wünschen der Menschen, aber das ist nur, weil ich rings um mich keine anderen Wünsche merke, als daß es mir so recht hundeelend ergehen möge. Vor einer Stunde saß ich am offenen Fenster und blickte über das Dorf hin. Ich konnte alle beleuchteten Fenster zählen und mir die Namen all der alten Vetteln dort drinnen vorsagen, alte Vetteln in Hemden und Hosen. Das war eine Geschichte für mich. Sie war ohne Worte, aber ich konnte doch hören, was hinter jeder hellen Gardine gesagt wurde. Jetzt wird der alten Hexe der Garaus gemacht, jetzt wird sie in der Luft zerrissen! Nein, wie es aus allen Fenstern von befriedigter Selbstgerechtigkeit strahlte! Das war der Widerschein aus dem Bethaus! Da bin ich heute ohne Schonung verurteilt worden. Ich habe mir ja nichts anderes erwartet. Ich kenne das Leben! Wenn ich von einem Unglück getroffen werde, kann ich von diesen Menschen nicht einen nennen, der mir eine hilfreiche Hand reichen würde. Denn ich weiß –«

      Sie streckte ihre gichtbrüchigen krummen Finger vor:

      »Ich weiß, daß alle noch herbeieilen würden, um meine blutigen Hände von den Stützen wegzureißen, die mich retten könnten ... und gegen diese Menschen soll ich demütig, sanft und milde sein – wieder entblößte sie ihre schneeweißen Zähne in einem Lächeln –, ja freilich!«

      Plötzlich stieß sie mit dem Stock hart auf den Boden auf und rief:

      »Meine eigene Rechnung stelle ich selbst auf, und die geht niemanden etwas an. Ich werde sie schon abschließen.«

       »Ihr nehmt das Leben zu schwer,« wendete Sigvard ein, »es ist ja wahr, daß hier viel Feindseligkeit herrscht, aber das kommt daher, daß die Menschen an nichts Freudiges zu denken haben. Alle sind sie gleich gehässig gegeneinander. Niemand will es anders.«

      Kaisa schüttelte nur unwillig den Kopf.

      »Darum sollten alle, die es können, trachten, von hier fortzukommen«, fuhr der Knabe mutig fort. »Das Leben kann nicht überall so erbärmlich sein wie hier. Namentlich wer jung ist, sollte trachten, von hier loszukommen.«

      Ann-Mari packte ihn am Rockärmel. Aber Sigvard sprach unerschrocken weiter:

      »Namentlich die Jugend, ja. Die hat die Zukunft vor sich. Ann-Mari und ich haben oft darüber gesprochen.«

      »Dann solltest du auch mit deinem Vater darüber sprechen«, gab Kaisa scharf zurück. »Er als Großbauer könnte das mit der Zukunft ganz leicht ordnen.«

      »Ach, der Vater gibt schon nach, wenn nur ich nicht nachgebe.«

      »Ja, er könnte sich vielleicht so weit herablassen, hier in der Schenke der Hexe die Hochzeit zu feiern, in dem Haus der Verfluchten. Hier ist es übrigens heute abend leer.«

      »Dafür habt Ihr selbst gesorgt, Mutter Kaisa«, sagte Sigvard. »Ihr waret wahrhaftig nicht entgegenkommend gegen die wenigen Menschen, die da waren.«

      Kaisa verfiel wieder in ihren scherzhaften Ton:

      »Es ist heute Sonntagabend«, sagte sie. »Ich muß doch anfangen, mich nach den Wünschen des Herrn Pfarrers zu richten und den Ruhetag heiligen.« Plötzlich fragte sie:

      »Aber warum hockt ihr hier herum? Soll man vielleicht auch noch von mir sagen, daß ich die Jugend hindere, in Gottes freie Natur hinauszugehen? Im Walde wird getanzt. Ich hörte es durch das offene Fenster.«

      »So habt Ihr also nichts dagegen, daß wir heute abend fortgehen?«

      »Nein, nein –«

      »Aber wenn Ihr etwas dagegen habt –«

      »Ich erwarte niemanden mehr. Nur den fremden Gast. Die Kerze kann stehenbleiben und brennen, bis er kommt. Er bleibt übrigens nicht lange hier.«

      Kaisa nahm die Kerze und putzte sie mit ihrer langen, mageren Kralle. Die anderen konnten nun ihr Gesicht nicht mehr sehen.

      »Fährt er weiter?« fragte der Junge.

      »Er fährt weiter«, sagte Kaisa.

      Als sie allein geblieben war, nahm sie die Kerze, um eine Runde durch das Haus zu machen. Die Schatten folgten ihr wie ein großer schleppender Mantel durch die Räume, und mit der Dunkelheit begann ein anderes Leben in der großen Schankstube.

      Durch die obersten Fensterluken fiel ein feines Lichtgespinst

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