Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

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Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad

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aber da drinnen war es dunkel, die Leute waren schon schlafen gegangen. So pochte er denn mit dem Knöchel vorsichtig an die Scheibe, aber er mußte mehrmals klopfen, bis jemand auf ihn aufmerksam wurde.

      Ein Mensch huschte auf bloßen Füßen drinnen durch das Zimmer. Bald darauf wurde die Rollgardine zurückgezogen, und ein graufahles Gesicht zeigte sich dicht an der Scheibe. Das war der Segelmacher, der nachsah, wer da klopfte. Der Lotsenälteste machte ihm ein Zeichen, die Tür zu öffnen, und der Segelmacher nickte.

      Das brauchte immerhin einige Zeit, denn der Segelmacher mußte erst ein paar Kleidungsstücke umwerfen. Aber endlich wurde die Tür geöffnet, und der Lotsenälteste trat in einen großen dunklen Vorraum.

      »Sprich leise,« flüsterte der Segelmacher, »die Bälger schlafen. Was ist denn mitten in der Nacht los?«

      »Ich muß mit dir reden«, sagte der Lotsenälteste. »Ich kann nicht schlafen. Ich bin in großer Unruhe, Segelmacher.«

      Aus dem anstoßenden Zimmer hörte man Kinderweinen, und eine Frauenstimme fragte erschrocken, was dieser Lärm zu bedeuten habe.

      Der Segelmacher schlurfte auf seinen bloßen Füßen hinein und beruhigte sie damit, daß es nur der Lotsenälteste wäre. Er beugte sich über das Kopfkissen der Frau und flüsterte:

      »Mir scheint, er hat getrunken ... er ist ein bißchen angesäuselt ... wir gehen einstweilen in die Werkstatt hinüber ... ich werde ihn schon bald los.«

      Endlich fand er Zündhölzchen und konnte Licht anzünden. Der Lotsenälteste stand draußen im Flur und wartete auf ihn. Das war ein großer Raum, der durch die ganze Breite des Raumes ging und die Wohnung des Segelmachers von der Werkstatt trennte.

      Der Segelmacher hielt die brennende Kerze dicht vor das Gesicht des Lotsenältesten, denn er wollte sehen, ob er wirklich betrunken war.

      »Wie blaß du bist«, flüsterte er. »Oder vielleicht macht es die Beleuchtung.«

      Der Segelmacher flüsterte immer, ein heiseres, pfeifendes Flüstern. Nach einem Fall vom Mast war sein Rücken ganz schief. Alles hing an ihm herunter. Die Arme hingen schwer und unnatürlich lang von den Schultern herab, der Bart hing grau und verfilzt über seine welken Lippen. Die Kleider hingen an ihm – und nun hingen auch die Hosenträger von seinem Hosenbund herab und schleiften klirrend über den Boden. Wenn er ohne Strümpfe ging, schubste er sich in ein paar ausgetretenen Pantoffeln vorwärts. All dies Hängende, Abgetragene und Schleppende gab seinem ganzen Wesen im Verein mit der heiseren Stimme etwas Verstecktes.

      Der Segelmacher öffnete die Tür des Schlafzimmers, und die beiden Männer begaben sich in die Werkstatt. Hier zündete der Segelmacher eine Öllampe aus Blech an, die von einem eisernen Nagel an der Decke herabhing.

      Die Werkstatt war ein sehr großer Raum. Das Licht der Öllampe drang nicht bis zu den Wänden, und es war daher unmöglich, all das Gerümpel zu überblicken, das hier herumlag. Der Boden war mit ganzen Haufen von Segeln, Takelwerk, Stricken und anderen Schiffsbestandteilen bedeckt. In der Tiefe des Zimmers hing ein zerrissenes Segel von der Decke herab, und seine Falten, die sich in der schwachen Beleuchtung undeutlich abzeichneten, verliehen diesem Teil des Raumes ein geheimnisvolles Aussehen.

      Hier war seit hundert Jahren die Segelmacherwerkstatt, und diese hundert Jahre hatten den Raum mit einer Unzahl von Geräten und Nutzgegenständen erfüllt; alles, was zum Schiffsgebrauch gehörte, war hier zu finden. In diesem Raum hatte sich auch ein unausrottbarer See- und Schiffsgeruch eingenistet, ein teeriger, scharfer, wilder Geruch, der die jungen sehnsüchtigen Knaben, die hereinkamen, unwillkürlich berückte. Wenn der Segelmacher an Regentagen seine Werkstatt den Kindern der Nachbarn öffnete, wurde dieser Raum ein Märchengarten, hier hatten die Spiele eine geheimnisvoll erregende Phantastik wie nirgends sonst. Selbst am Tage war der Raum halbdunkel, die zwei kleinen Fenster, deren Scheiben mit Staubhäutchen überzogen waren, ließen keine Helligkeit durch.

      Unter der Lampe stand ein Tisch, der ebenfalls mit Geräten überfüllt war. Er war wie ein Nähtisch, aber in vergrößerter Form, alles war riesenhaft, die Scheren eine halbe Elle lang, die Nadeln wie Spieße, auch der Fingerhut hatte eine andere Form, ein grober Leinenhandschuh mit einer Platte aus Eisen im Innern. Der Segelmacher schob ein paar Holzstühle an den Tisch und bot dem Lotsenältesten Platz an. Doch zuerst versicherte er sich, daß die Fenster mit Holzläden verschlossen waren, so daß niemand hereinschauen konnte.

      Der Lotsenälteste setzte sich mit einer Art feierlichen Würde, man konnte ihm ansehen, daß er der Träger einer wichtigen Botschaft war.

       Anfangs verhielt er sich schweigend, er saß hochaufgerichtet da, von der Last seiner Sendung beklommen. Er war blaß – wenn man in diesem wettergebräunten kupferfarbenen Gesicht von Blässe sprechen konnte. Es war eher eine Art grün, das sich am deutlichsten um die Augen lagerte. Der Blick war aufwärts auf einen Punkt der Zimmerdecke gerichtet, den er vielleicht festhalten wollte, um den Kurs nicht zu verlieren. Der Segelmacher beugte sich über den Tisch zu ihm vor und spürte nun deutlich den Branntweingeruch.

      »Du hast getrunken, Lotsenältester«, flüsterte er freundlich – denn er war froh, Nachsicht üben zu können.

      »Das habe ich,« erwiderte der Lotsenälteste, noch immer zur Höhe blickend, »das habe ich ...«, er sagte es wie ein Geständnis.

      »Aber du weißt, Segelmacher, daß das nicht meine Gewohnheit ist. Aber die Dinge, die ich heute abend erlebt habe, haben mich so nachdenklich gestimmt, daß ich mir eine kleine Herzstärkung leisten mußte. Daraus darfst du mir keinen Vorwurf machen, Segelmacher.«

       Der Segelmacher schien darüber ganz erschrocken. Er hob beschwörend die Hand.

      »Nein, nein, nein«, rief er. »So war es nicht gemeint.«

      Plötzlich bekam er Angst, daß er mit seiner heiseren Stimme zu laut geschrien hatte. Er schielte über die Schulter zurück, und mit einschmeichelnder Freundlichkeit fuhr er im Flüsterton fort:

      »Ich nehme ja selbst ein kleines Schnäpschen ...«

      Er erhob sich und schleppte sich vorsichtig zur Tür hin, wo er mit dem Ohr am Schlüsselloch lauschte.

      » ... wenn ich spüre, daß ich –«

      So geräuschlos es in den ausgetretenen Pantoffeln möglich war, schlich er sich in die dunkelste Ecke der Werkstatt, wo das Segel von der Decke herabhing. Während er an dem Lotsenältesten vorbeipassierte, brachte er seinen Satz zu Ende:

      » ... daß ich die Trostlosigkeit dieses Lebens nicht mehr aushalten kann.«

      Der Lotsenälteste merkte, daß der andere nach Branntwein suchte. Das Schlurfen der Pantoffel und das geheimnisvoll versteckte Wesen des Segelmachers und sein Verschwinden zwischen den Falten des dunklen Segels – all dies rief in dem umnebelten Hirn des Lotsenältesten die Vorstellung eines seltsamen mystischen Vorgangs hervor: es war eine große Reise, die sein Freund da unternahm, eine Reise zu fremden Himmelsstrichen. Im nächsten Augenblick kam der Freund aus den Falten des Segels mit der Flasche in der Hand zum Vorschein.

      XIII. »Andreas ist gekommen!«

       Inhaltsverzeichnis

       Nach den ersten Gläsern wurde der Lotsenälteste mitteilsamer. Aber er sprach anfangs so rätselhaft und unverständlich,

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