Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi

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Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi - Leo Tolstoi

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Floh in seinem Fell fängt als starke Knochen zerbeißt. Wenn es irgend etwas besonderes Schwieriges oder Mühsames zu tun gab, einen Wagen mit der Schulter aus dem Schlamme zu schieben, oder ein Pferd am Schweif aus einem Sumpf zu ziehen, oder sich mitten unter die Franzosen zu schleichen, so deuteten alle lachend auf Tichon. Einmal schoß ein Franzose mit einer Pistole nach ihm und traf in die Weichteile seiner Rückenseite. Diese Wunde, die Tichon mit Branntwein heilte, den er äußerlich und innerlich anwandte, war der Gegenstand vieler zarter Scherze in der ganzen Abteilung. Niemand verstand besser als er, eine Gelegenheit zu einem Überfall zu erkunden, niemand hatte mehr Franzosen als er gefangengenommen und getötet. Jetzt war er von Denissow noch in der Nacht nach Schamschewo gesandt worden, um eine »Zunge« zu fangen. Aber entweder weil er sich nicht mit einem Franzosen begnügen wollte, oder weil er die Nacht verschlafen hatte, schlich er bei Tage mitten in die Büsche unter die Franzosen und wurde entdeckt, wie Denissow vom Berge aus sah.

      234

       Inhaltsverzeichnis

      Während Denissow sich noch mit dem Esaul besprach, kam ein Mensch in einer Jacke, mit Bastschuhen, einem Hut und einem Gewehr über die Schulter und einem Beil im Gürtel, mit großen Schritten durch den Wald. Als er Denissow erblickte, warf er hastig etwas ins Gebüsch, nahm seinen nassen Hut ab und näherte sich dem Anführer. Das war Tichon. Sein faltiges Gesicht mit den kleinen Äuglein glänzte vergnügt und selbstzufrieden.

      »Nun, wo bist du hingekommen?« fragte Denissow.

      »Bei den Franzosen war ich«, erwiderte Tichon mit heiserem Baß.

      »Warum bist du bei Tage dorthin geschlichen, du Einfaltspinsel? Nun, hast du keinen gebracht?«

      »Einen habe ich gefangengenommen.«

      »Wo ist er?«

      »Ich habe ihn in den Wald geführt, aber ich sah, daß er nichts taugte, und da dachte ich, ich werde einen anderen, akkurateren holen.«

      »Ach, du Strolch, warum hast du ihn nicht hergebracht?«

      »Er taugte nichts«, erwiderte Tichon hastig, »ich weiß ja, welche Sorte Sie brauchen.«

      »Ach, du Bestie! Nun?«

      »Ich ging nach einem anderen«, fuhr Tichon fort, »und kroch so durch den Wald und legte mich nieder.« Dabei warf er sich plötzlich nieder, um zu zeigen, wie er es gemacht hatte. »Einen habe ich so auch erwischt! ›Komm mit zum Obersten!‹ sagte ich. Und wie er mich anstarrte! Es waren aber ihrer vier und sie stürzten mit den Säbeln auf mich zu, aber ich gab ihnen so mit dem Beil!« schrie Tichon und schwang mit drohender Miene das Beil.

      »Mach keine Dummheiten«, sagte Denissow. »Aber warum hast du den ersten nicht hergebracht?«

      Tichon kratzte mit einer Hand den Rücken und mit der anderen den Kopf und verzog den Mund zu einem dummen, strahlenden Lachen. »Er taugte nichts«, sagte er. »Er war auch schlecht gekleidet und solch ein Grobian, Euer Wohlgeboren.«

      »Dummkopf!« sagte Denissow. »Ich muß doch jemand befragen.«

      »Wozu? Ärgern Sie sich nicht«, sagte Tichon. »Wenn es dunkel wird, so bringe ich drei, wenn Sie wollen.«

      Denissow ritt ärgerlich weiter, und Petja hörte, wie die Kosaken sich lustig machten und von Stiefeln sprachen, die Tichon ins Gebüsch geworfen hatte. Als das Gelächter verstummte, begriff Petja mit Grausen, daß Tichon einen Menschen erschlagen hatte, aber er faßte sich bald wieder.

      Bald kam ein Offizier von Dolochow und meldete, Dolochow werde sogleich selbst kommen, und seinerseits sei alles in Ordnung. Denissow wurde plötzlich wieder heiter und rief Petja zu sich.

      235

       Inhaltsverzeichnis

      Als Petja Moskau und seine Eltern verließ, eilte er seinem Regiment nach und wurde bald darauf Ordonnanz bei einem General, der einen großen Heeresteil befehligte. Dann nahm er auch an dem Gefecht bei Wjäsma teil. Beständig befand er sich in einem Zustand glücklicher Erregung darüber, daß er zu den Großen gehöre, und in entzückter Erwartung einer Gelegenheit zu einer wirklichen Heldentat. Am 21. Oktober, als der General den Wunsch aussprach, jemand zu Denissow abzusenden, bat Petja so inständig, ihn abzusenden, daß der General es ihm nicht abschlagen konnte. Der General erinnerte sich aber der Unzuverlässigkeit Petjas im Gefecht bei Wjäsma, wo er, anstatt auf dem Wege dahin zu reiten, wohin er gesandt worden war, unter dem Feuer der Franzosen in ihre Kette ritt und zweimal mit seiner Pistole schoß. Deshalb verbot er Petja, an irgendeiner Affäre Denissows teilzunehmen. Das war der Grund, warum Petja errötete, als er Denissow verlegen fragte, ob er bleiben könne. Anfangs war Petja der Meinung, er müsse sogleich zurückkehren, aber als er die Franzosen sah und erfuhr, daß in der Nacht ebenfalls ein Angriff unternommen werde, kam er sofort zu dem Schluß, der General, den er bis jetzt sehr geachtet hatte, sei eine Schlafmütze, ein Deutscher, Denissow aber und der Esaul und Tichon seien Helden, und es wäre eine Schande, sie in einem solchen Augenblick zu verlassen. Es dämmerte bereits, als Denissow mit Petja und dem Esaul zum Wachtposten ritt. Im Halbdunkel sah man gesattelte Pferde, Kosaken und Husaren, die in einer Waldschlucht Feuer anmachten, um nicht von den Franzosen gesehen zu werden. Im Vorhaus einer kleinen Hütte schlachtete ein Kosak einen Hammel, in der Hütte selbst befanden sich drei Offiziere Denissows, die aus einer Tür einen Tisch konstruiert hatten. Petja nahm seine nassen Kleider ab, um sie zu trocknen, und half den Offizieren, den Abendtisch zu decken. Nach zehn Minuten war alles bereit. Eine Flasche Branntwein, Weißbrot und Hammelbraten stand auf dem Tisch. Als Petja mit den Offizieren bei Tisch saß, befand er sich in jenem entzückten, kindlichen Zustand zärtlicher Liebe zu allen Menschen und der Zuversicht, daß alle anderen Menschen eine gleiche Liebe für ihn hegten.

      »Was denken Sie«, wandte er sich an Denissow, »es schadet wohl nichts, wenn ich noch einen Tag bei Ihnen bleibe?« Und ohne eine Antwort abzuwarten, antwortete er selbst: »Ich habe den Befehl, mich zu erkundigen, nun, und ich erkundige mich … Aber geben Sie mir nur gleich ein Kommando! Was suchen Sie?« fragte er den einen Offizier. »Ach, ein Messer? Bitte, nehmen Sie!« Er reichte ihm sein kostbares Taschenmesser, das der Offizier bewunderte. »Bitte, behalten Sie es! Ich habe noch viele solche«, sagte Petja errötend. »Ach, Himmel, ich habe ganz vergessen«, rief er plötzlich, »ich habe wunderbare Rosinen! Wir haben einen neuen Marketender mit so wundervollen Sachen. Ich habe zehn Pfund gekauft, denn ich bin an etwas Süßes gewöhnt. Wollen Sie?« Petja lief hinaus zu seinem Kosaken und brachte einen Futtersack herein, in welchem fünf Pfund Rosinen sein mochten. »Bitte, essen Sie, meine Herren! Aber haben Sie nicht Kaffeekessel nötig?« fragte er den Esaul. »Bei unserem Marketender habe ich vortrefflichen Kaffee getrunken, er hat prächtige Sachen! Er ist sehr ehrlich, das ist die Hauptsache! Ich werde Ihnen jedenfalls davon senden. Aber vielleicht sind Ihnen die Flintensteine ausgegangen? Das kommt vor! Ich habe welche mitgebracht, hier!« Er zeigte auf den Futterbeutel. »Hundert Stück! Ich habe sie sehr billig gekauft. Nehmen Sie soviel Sie wollen, oder alle!«

      Plötzlich errötete er und dachte nach, ob er nicht irgendeine Dummheit gemacht habe. Und dann fiel ihm der kleine Franzose ein. »Wir leben hier sehr gut, aber wie geht es ihm? Wohin hat man ihn gebracht? Hat man ihm auch zu essen gegeben? Was wird aus ihm? Und hat man ihn nicht schlecht behandelt« dachte er. Aber als er bemerkte, daß er sich verplappert hatte mit den Feuersteinen, wurde er furchtsam. »Kann ich nach ihm fragen?« dachte er. »Sie werden sagen: ›Er ist selbst noch ein

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