Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson
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Der dritte Bruder schrieb seinen Namen in der Stadt Glasgow auf ein messingnes Türschild so lang wie sein Arm: »Mr. Clemens Elliott«, nicht mehr und nicht weniger. In seinem Falle hatte jener Geist der Neuerung, der sich bei Hob nur schüchtern in Versuchen mit Düngemitteln hervorwagte und sich bei Gilbert an umstürzlerische Politik und ketzerische Dogmen verschwendete, die Form von sinnreichen, mechanischen Erfindungen angenommen und wahrhaft nützliche Früchte getragen. Als Knabe hatte man ihn dank seiner Neigung zu allerlei seltsamen Versuchen mit Hölzchen und Bindfaden für den Sonderling der Familie gehalten. Aber das war jetzt längst vorbei: Clemens war inzwischen Teilhaber seiner Firma geworden und würde aller Wahrscheinlichkeit nach als Alderman sterben. Auch er hatte geheiratet und zog nun inmitten des Rauchs und Lärms von Glasgow eine zahlreiche Familie auf; er war reich, und man flüsterte, er könne seinen Bruder, den Dungkärrner, sechsmal auskaufen; und wenn er sich jetzt auf Cauldstaneslap eine wohlverdiente Erholung gönnte, was er so oft tat, als es ihm möglich war, setzte er die Nachbarn durch seinen feinen Tuchanzug, seinen Kastorhut und die üppigen Falten seines Halstuchs in Erstaunen. Obgleich im Grunde seines Herzens ein durchaus solider Mann nach dem Vorbilde Hobs, hatte er sich eine gewisse Glasgower Smartneß und einen Aplomb angeeignet, die ihn vor allen auszeichneten. Alle übrigen Elliotts waren mager wie die Heringe, Clemens aber setzte allmählich Fett an und schnaufte zum Gottserbarmen, wenn er sich die Stiefel anzog. Dand pflegte dann wohl kichernd zu bemerken: »Ja, Clem, der hat die Elemente zu einem ganzen städtischen Gemeinderat in sich.« »Zum Bürgermeister und zum Rat«, erwiderte Clem, und seine Schlagfertigkeit wurde viel bewundert.
Der vierte Bruder, Dand, war seines Zeichens nach ein Schäfer und tat sich zeitweise in seinem Beruf hervor, wenn er sich dazu zwingen konnte, ihn auszuüben. Niemand verstand wie Dandie einen Hund zu dressieren; keiner zeichnete sich in den Fährnissen der großen winterlichen Schneestürme durch größere Tapferkeit aus. Allein trotz seiner vollendeten Geschicklichkeit war er nur ein unregelmäßiger Arbeiter, und er diente seinem Bruder lediglich gegen Wohnung und Beköstigung und ein geringes Taschengeld, das er auf Verlangen erhielt. Er liebte Geld zwar sehr und wußte es auch auszugeben. Ja, er verstand sich sogar gelegentlich, wenn er wollte, zu einem schlauen, vorteilhaften Handel. Aber er zog doch das unklare Bewußtsein, genügend Kleingeld im Beutel zu haben, der genauen Kenntnis der Summe in seiner Tasche vor; er fühlte sich reicher so. Hob hielt ihm dann vor: »Du machst; daß ich in der Schafzucht nur ein Stümper bleibe«, worauf Dand gewöhnlich erwiderte: »Ich werd’ dir deine Schafe hüten, wenn ich Lust dazu habe, aber meine Freiheit hüt’ ich mir auch. Ich lasse keinen Menschen an mir rumnörgeln.« Clem pflegte ihm die wunderbaren Resultate von Zins und Zinseszins auseinanderzusetzen und ihm eine Anlage seiner Ersparnisse zu empfehlen. »Was?« meinte Dandie: »Mann, glaubst du wirklich, wenn ich Hob das Geld aus der Tasche zöge, daß ich’s nicht in Schnaps und in Geschenken für die Mädels anlegte? Überhaupt ist mein Reich nicht von dieser Welt. Entweder bin ich ein Dichter, oder ich bin gar nichts.« Clem gemahnte ihn an seine alten Tage. »Ich sterbe jung wie Robbie Burns«, lautete die tapfere Antwort. Ohne Frage zeichnete er sich auch wirklich durch eine Begabung für volkstümliche Verse aus. Sein Lied »Der Bach von Hermiston« mit dem einschmeichelnden Refrain
Gedankenvoll weil’ ich beim Bache, so eilig,
Von Hermiston unten im Tal;
seine »alten, alten Elliotts, todeskalten Elliotts, harten, heißen Elliotts alter Zeit« sowie seine wahrhaft faszinierende Ballade von »Des betenden Webers Stein« erwarben ihm in der ganzen Gegend den in Schottland immer noch möglichen Ruf eines lokalen Barden; und obgleich er niemals gedruckt wurde, erntete er doch die Anerkennung wirklicher und berühmter Autoren. Walter Scott verdankte den Text zu dem »Raid of Wearie« in seiner »Minstrelsy« niemand anderem als Dandie, hieß ihn in seinem Hause willkommen und lobte auf seine warmherzige Art seine bescheidenen Talente. Der Schäfer von Ettrick war sein geschworener Busenfreund; bei ihren Zusammenkünften betranken sie sich regelmäßig bis zur Bewußtlosigkeit, brüllten sich ihre Gedichte gegenseitig in die Ohren und zankten und versöhnten sich wieder, alles in der nämlichen Sitzung. Neben diesen als offiziell zu bezeichnenden Anerkennungen wurde Dandie dank seiner Kunst auch in den Bauernhäusern zahlreicher Nachbartäler willkommen geheißen; so wurde er denn mannigfachen Versuchungen ausgesetzt, die er indes eher suchte als floh. Einmal postierte er sogar als Büßer und wahrte so die Tradition seines Helden und Vorbilds bis aufs I-Tüpfelchen. Die humoristischen Verse, die er bei dieser Gelegenheit an Mr. Torrance richtete:
Hier steh’ ich mutterwindallein in aller Augen
sind allzu derb, um wiedergegeben zu werden; aber sie durchliefen wie das Feuerkreuz im Fluge die ganze Nachbarschaft und wurden zitiert, rezitiert, paraphrasiert und belacht, überall von Dunfries bis Dunbar.
Diese vier Brüder verknüpfte ein enges Band – das der gegenseitigen Bewunderung oder besser Heldenverehrung –, wie dergleichen bei einsam lebenden Familien, in denen viel Tüchtigkeit und wenig Kultur herrscht, nur allzu häufig ist. Selbst die Extreme bewunderten einander. Hob, in welchem etwa ebensoviel Poesie lebte wie in einem Schürhaken, gab vor, Dandies Verse innig zu lieben; Clem, der nicht mehr religiöses Empfinden als Claverhouse besaß, bezeugte eine aufrichtige oder doch zum mindesten offenmäulige Bewunderung für Gibs Frömmigkeit, und Dand verfolgte mit sichtlichem Behagen Clems Aufstieg in der Geschäftswelt. Hand in Hand mit dieser Bewunderung ging duldsame Nachsicht. Der Großbauer, Clem und Dand, die sämtlich Tories und glühende Patrioten waren, beschönigten untereinander schüchtern und verlegen Gibs revolutionäre Ketzereien. Wiederum nahmen Hob, Clem und Gib, alle drei peinlich tugendhafte Männer, Dandies lockeren Lebenswandel schweigend als eine Art Hemmschuh oder Nachteil in den Kauf, wie ihn eine rätselhafte Vorsehung den Barden zum Zeichen ihres poetischen Genies eigens auferlegt. Um die Einfalt ihrer gegenseitigen Bewunderung wahrhaft zu würdigen, mußte man Clem, wenn er daheim zu Besuch war, im Geiste der Ironie über die Angelegenheiten der großen Stadt Glasgow und die Personen, mit denen er dort zu tun hatte, reden hören. Diese verschiedenen Persönlichkeiten – Geistliche, städtische Beamte und Größen der Geschäftswelt – wurden allesamt angeschwärzt;