Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Wald hüpft' das Herz auf,

       Und wär' es von Stein.

       Unter grünenden Kronen,

       Im Wald möcht' ich wohnen,

       Im Wald ganz allein.

      Weiterhin kam niederes Strauchwerk, über welches die Augen in langgestreckte Schluchten sehen konnten, und in eine Gegend hin, wo nichts war als Wald und Wald; hier im tiefen Tone der Tannen und Fichten, dort im milden Grün der Buchen, Ahorne und Gesträuche. Wohl stieg zuweilen auch ein blaues Nebelchen auf über die Wipfel, zeugend von Kohlenstätten und versteckten Menschenwohnungen. – Das war schon die Einöde, die Heimstätte der »Waldlieder« und ihres Sängers.

      Zwischen Erlen- und Haselsträuchern rieselte eine Quelle. Unsere Wanderer setzten sich daneben auf einen moosumsponnenen Stein, und Anna sagte: »Ferdinand, jetzt werden wir in der Einöde frühstücken.«

      »Es ist der Rabe noch nicht da«, antwortete der Alte.

      »Frage einmal deine tiefen Taschen aus«, schlug das Mädchen vor.

      »Er ist noch nicht da,« wiederholte der Alte, »der Rabe, der uns das Brot vom Himmel bringen soll, wie dem heiligen Antonius.«

      Nun, in Ermangelung eines himmlischen Brotes genossen sie ein irdisches Brathuhn, das der Alte in seiner Ledertasche vorfand. Dazu tranken sie von der Quelle, und Anna trank in ihrer Herzenslust ein wenig über den Durst.

      Dann gingen sie wieder; im Brombeerstrauch trillerte eine Amsel, der rief das Mädchen zu: »Grüß' dich Gott, Vögerl! Singst du auch Waldlieder?«

      Das Tier flog nicht davon, ja es hüpfte noch über etliche Zweige dem Mädchen zu und hob sein Schnäblein und sang recht freudig.

      Dann hub wieder der finstere Wald an, links und rechts am Wege. Dann standen die Wanderer vor einem rotangestrichenen Kreuze, daß Anna völlig erschrak. Hier waren Seitenstiege. Das Mädchen hatte die Dreistigkeit, einen heranführenden Holzführer zu fragen: »Wie geht der Weg zum Heidehaus?«

      »Schöne Jungfrau,« antwortete der Holzführer, »der Weg geht nicht zum Heidehaus. Den müßt Ihr selber gehen.«

      »Ist schon recht,« sagte Ferdinand, »ich kenne den Spaß auch.«

      »Wir fragen nur, ob man hier zum Hause des Gabriel Stammer kommt?«

      »Nein.«

      Die beiden erschraken. Der Holzhauer fuhr fort: »Ihr meint den Heidepetersohn. Der hat gar kein Haus, der streicht in der weiten Welt herum und ist der Überall- und Nirgendsdaheim. Hab' gehört, er soll viel bei den großen Herren in der Stadt leben. Hat auch recht; besser geht's ihm wie unsereinem.«

      »Aber sein Geburtshaus möchten wir sehen.«

      »Wollt ihr's kaufen?« war die Frage. »Ich sag' euch's redlich, Leut', an dem Haus ist gar nichts, 's ist eine alte Hütten; schade um die Schuh'. Jetzt wohnt der Alte, der Vater vom Gabriel, wieder drin. Laßt sich nicht wegbringen von der Hütten. Dieser Weg hat in einer halben Stunde rechts einen Fußsteig seitlings bergan, und der Fußsteig geht beim Heidehaus vorbei.«

      Hierauf gingen sie der Weisung gemäß weiter. Sie kamen in ein waldschattiges Tal hinab.

      Da rauschte ein Bach unter Wildgefälle und zwischen braunem Gestein. Kleine Wiesen und Äcker lagen oder lehnten an den Hängen. Hie und da stand unter Schutztannen halb versteckt eine Hütte aus Holz, ein Ziegenstall dabei, ein Krautgärtlein daneben. Und weit oben, wo das Tal zur freien Höhung ansteigt, von einer trotzigen Fichtengruppe bewacht, fanden unsere Wanderer endlich ihr Ziel.

      »Hätten wir doch einen Maler bei uns!« rief Ferdinand, als er das Haus sah. Und in der Tat, es schaute malerisch aus. Eine morsche Wand, ein Bretterdach, von dem die knochenbleichen Latten und Balken niederhingen. Die Fenster waren teils mit Holzgitter verwahrt, die Türpfosten waren in die Schiefe gesunken, so daß sich die Tür nicht mehr in den Falz fügen wollte und dem Winde zum Spiel knarrend auf und zu schlug. Vor dem Antrittsteine wuchs das Gras, an der Wand hin wuchs das Brennkraut, und die Untermauerung des hölzernen Baues bröckelte dazwischen hervor. Ein Heer von Schwalben umkreiste hell zwitschernd das alte, hinsterbende Haus.

      Anna stand da wie ein Bäumchen. Mit Scheu und Verehrung blickte sie, die aus einem Stadthause kam, diesen Bau an. Hier also war der Waldsing geboren! Und in der Gegend nichts als Wald und etliche arme verkommene Menschen. – Wieso hat es sich zugetragen?

      Im Neste des Waldsing

       Inhaltsverzeichnis

      Zögernd traten sie endlich in das Haus. Im finsteren Flur flatterten erschreckte Hühner auf. Nebenan in einem räucherigen Gelaß prasselte ein Herdfeuer, und neben diesem stand eine Tür angelweit offen, die in ein Stübchen führte. Die Wohnung war voll innen besser, als sie von außen versprach; sie war reinlich und bequem und nach bäuerlicher Weise eingerichtet.

      Die Eintretenden wußten nicht, wohin sich wenden, und Anna zitterte vor Angst. Im ganzen Hause war kein Mensch zu sehen, und das Herdfeuer brannte wie für sich allein.

      Nach langem Herumspähen in der Hütte fand Ferdinand endlich im nebenan stehenden Ställchen auf dem einfüßigen Melkstuhl einen weißhaarigen Greis sitzen, der just eine Ziege molk und laut mit derselben schwätzte. Der Greis ließ sich von den Fremden, die ihn sehr höflich gegrüßt hatten, nicht irremachen und setzte dem Tiere zu, solange noch ein Tropfen zu bekommen war. Dann stand er auf und hastete gebeugt der Küche zu, um die Milch sofort zu kochen.

      Hatte er vorhin mit der Ziege gesprochen, so sprach er jetzt mit dem Feuer und den Töpfen, sie stets gütlich an ihre Dienstbarkeit erinnernd und zu ihren herkömmlichen Leistungen ermunternd.

      Dieses gemütliche Wesen des Bäuerleins flößte dem Mädchen Mut ein, und es bat leise um einen Schluck von der frischgemolkenen Milch.

      »Oh, halt ja!« sagte der Heidepeter – er war's – mit heiterer Stimme, goß die Milch in eine Tonschüssel und schnitt Schwarzbrot dazu; dann bedeckte er den kleinen Tisch mit einem blauen Tuche, und nun mußten sie essen. Anna wußte den Holzlöffel nicht recht zu handhaben, doch sprach sie der Gabe Gottes – wie der Greis seine schlichte Spende bezeichnete – wohlgemut zu.

      Ferdinand zwinkerte mit den Augen und tat eine Weinflasche aus dem Ledersack, desgleichen einen Schinken und lud zum Essen und Trinken ein.

      Der Heidepeter nippte gar schämig, doch wurden seine Wangen von den ungewohnten Tropfen beizeiten rot.

      Ferdinand befragte ihn nun nach seinen Verhältnissen.

      Der Peter lächelte und sagte:

      »So gut wie heut' geht's mir freilich nicht alle Tage. Aber beklagen will ich mich auch nicht. In meinen jungen Jahren, da ist alles passabel gewesen, kein Pfennig Schulden ist gelegen auf meinem Haus und Grund. Nachher sind halt die bösen Zeiten gekommen; schlechte Jahre, Krankheiten und wie die Boten schon alle heißen, die einem der lieb' Herrgott schickt. So geht's. Aber jetzt schon besser! – Eine Tochter hab' ich, die ist in der Nachbarschaft verheiratet. Nachher hab' ich noch einen Sohn – der ist gar nicht daheim.«

      Der Bauer schwieg und tat einen lose gewordenen Schuhriemen

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