Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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gebracht und unter den Waldleuten herumgezeigt hatte. Der Alte schlug die Hände zusammen: »Drei Dukaten für eine Schale Milch! Wer sind diese Leut' gewesen?«

      Das Blümchen wollt' er entfalten

       Inhaltsverzeichnis

      Als unsere beiden Reisenden das alte Heidehaus verließen, huben schon die Schatten der Bäume und der Berge zu wachsen an.

      Der graue Ferdinand war ein wenig hinkend geworden, jedoch trillerte er allerlei Waldliederfragmente und war guter Dinge. Auch gab er sich mit der goldkronigen Arnika und mit dem wilden Wegerich ab; er rieb sich mit diesen Kräutern die Glieder – das sei gut gegen das Alter.

      Anna ging still hinter dem Alten her und blickte zu Boden. Das zierliche Strohhütchen hatte sie mittels seines blauen Bandes an den Arm gestreift; auf dem Haupte, über den weichen, stets gelösten Locken, trug sie den schweren, häßlichen Hut aus dem Waldhause. Er drückte sie, er ängstigte sie schier, aber sie wollte ihn nicht lassen. Das war ja des Lieblingssängers Hut, ein ehrwürdiger, aber auch ein unheimlicher Hut.

      Das Mädchen war nicht ganz so heiter als am Vormittag. Der Wunsch war jetzt erfüllt, sie hatte die Einödwälder und Gabriel Stammers Geburtshaus gesehen; ja noch mehr, sie trug von der ihr so merkwürdigen Stätte Reliquien mit sich. Und dennoch hatte Anna das Gefühl der Befriedigung nicht in ihrem Herzen.

      Am Bache dahinschreitend, sah sie zuweilen ein rotgesterntes Forellchen im braunklaren Wasser schwimmen. Sie erschrak vor dem sausenden Fluge der bunt-farbigen Libellen; sie ergötzte sich an den flinken Bachstelzen, die über das schimmernde Weidegebüsch schwirrten, aber sie konnte nicht mehr recht in die helle Lustigkeit kommen, die sie sich vorgenommen hatte auf ihrer Gebirgsreise zu hegen. Morgen soll sie ja schon wieder in das schwüle, staubige Gewirre der Stadt hinein, und der Traum von den schönen Einödwäldern war vorbei.

      Die Meisen und Goldhähnchen hatten freilich lustig hüpfen in dem dämmerigen Astgeflechte des Waldes; das Drößchen sang auf dem höchsten Zweig der Wipfel – sie alle konnten ja in den Wäldern verbleiben.

      »Ferdinand,« sagte Anna plötzlich, »hast du es bemerkt, wie der alte Vater Stammer seine Schuhe zugeriemt hat, wenn von seinem Weibe die Rede war? Ich habe es gewahrt, daß die Riemen gar nicht lose gewesen sind; er hat sich nur gebückt, um uns seine Augen zu verbergen. Die lieben Leute müssen sich wohl sehr gern gehabt haben!«

      »Je nun,« sagte der Graue, »eine bessere Ehe mag's schon gewesen sein als die des Grafen Franggi, der vor einigen Tagen in den Zeitungen bekanntmachen ließ, daß seine kleine Gemahlin, die auf den Ruf Maribella höre, sich verlaufen oder verfahren habe, und daß der redliche Finder gebeten werde, dieselbe gefälligst als Belohnung für sich zu behalten –«

      Das Mädchen hielt dem Begleiter rasch die flache Hand vor den Mund: »Ich bitte dich, verdirb mir mit so Reden den Wald nicht ...«

      Ferdinand schwieg denn. Ein Weib war am Wege beschäftigt, wucherndes Erlengebüsch abzuhauen.

      »Muhme, wollt Ihr uns Geleitschaft geben nach Karnstein?« redete sie der Alte, um etwas zu sagen, freundlich an.

      »Hab' nicht die Zeit«, war ihre Antwort. »Wenn die Herrenleut' aber einen Kameraden haben wollen, just vor ein Fingerlang ist – glaub', er wird's gewesen sein – der Förster des Weges gegangen. Kann nicht mehr als drei Büchsenschuß voraus sein.«

      »Na, den Mann werden wir einholen. Guten Tag, Muhme!« Sie schritten fürbaß.

      Sie gingen eine lange Strecke durch Schatten, zuweilen ein goldiges Sonnenbändchen überschreitend, das quer über dem Wege lag.

      Der Wanderer versteht die Zeichen nicht zu lesen, die in weihevollen Stunden seinen Pfad umgaukeln, arglos schreitet er der Erfüllung entgegen.

      Sie kamen auf einen kleinen, von sehr hohen Tannen und Lärchen umstandenen Anger. Auf dem Grase stand das Maßlieb mit seinen schneeweißen und rosenroten Blättchen. Grüngliedrige Heupferdlein schnellten keck darüber hin, an den Baumkronen schwamm ein weißer Schmetterling wie die losgelöste Blüte eines Schlehdornes.

      Am Rande dieses Angers – über welchen die durch das Gestämme funkelnde Sonne einige Strahlenlinien goß – weilte eine Mannesgestalt. Sie kauerte auf dem schattigen Grunde und bewegte sich kaum. Der so Ruhende war auf das rechte Knie niedergelassen, stützte seinen vorgebeugten Oberkörper auf den linken Fuß und hatte sein Gesicht zur Erde gekehrt. – Unsere Wanderer mußten ganz nahe an ihm vorüber und konnten ihn wohl beobachten. Er war in dunkelgrauer Kleidung, die Lodenjacke war mit grünem Tuch besäumt. Ein Bergstock und ein Alpenhut lagen im Grase. Die braunen Locken des Mannes waren wirr und dicht; das jugendliche Antlitz war etwas gebräunt und im Augenblick gerötet; auch war es durch ein leichtes Bärtchen beschattet. Dem schier mattgetragenen Anzuge nach hätte man die Erscheinung wohl für einen Holzschläger oder Hirtenburschen halten mögen, jedoch der feinere Wollkragen am Hals deutete mindestens auf einen Förster oder dergleichen hin.

      Er bemerkte die beiden Wanderer, die leise den Moosweg herankamen, nicht; er war in ein sonderbares Geschäft vertieft. Aus dem Grase wuchs ein verspätetes Veilchen hervor, das seinen zarten Kelch noch nicht geöffnet hatte. »Dir ist ja kühl im Walde,« flüsterte der junge Mann wie scherzend dem Blümchen zu, »die Sonne sucht dich nicht und findet dich nicht. Halte einmal, vielleicht geht es so.« Und er beugte sich über das Pflänzchen und suchte mit der Wärme seines Atemhauches den Kelch des Veilchens zur Entfaltung zu bringen. Schon deuchte ihn, das Knöspchen wolle sich zu lösen beginnen, da hörte er die Schritte.

      Er erhob sich und stand vor dem grauen Alten und vor dem jungen Mädchen mit dem häßlichen Hut. Der Alte neigte lächelnd seinen Kopf zum Gruße; das Mädchen tat sein großes helles Auge gegen ihn auf – dann wollte es an ihm vorübergehen.

      »Gar nicht ein bißchen müde?« sagte der junge Mann.

      Da meinte Ferdinand in seiner Leutseligkeit, sie könnten sich ja wohl ein wenig auf das Gras niederlassen. Er tat es und reckte bald alle viere von sich. Anna blieb stehen und blickte einer Ameise zu, die – gewiß den seltsamsten Weg ihres Lebens – über der Städterin weiches Samtschühlein lief.

      »Mein Fräulein!« sagte der junge Mann, sich artig verbeugend, »am Ende haben Sie mich belauscht, als ich vorhin den Frühling spielte; dieses herzige Blümel wollte ich entfalten« – er pflückte das Veilchen –, »aber ich merke wohl, ich bin nicht zum Schöpfer geboren. Vielleicht behagt es der kleinen Blume bei Ihnen besser, wenn sie angenommen würde?«

      Er hielt ihr zierlich mit zwei Fingern das Pflänzchen hin. Sie wollte nach demselben greifen, aber ihre Hand und ihre Augenlider sanken.

      »Ich bitte!« versetzte der Fremde kühn, »oder denken Sie, für Blumen gehöre ein Körbchen?«

      Anna nahm das Veilchen.

      Ferdinand war davon so überrascht, daß er wie eine Bildsäule dastand.

      Dieser kecke Bursche da mit seiner sonderbaren Anrede! Und dieses sonst so spröde Mädchen!

      »Ich habe gemeint, Sie wären ein Jägersmann oder dergleichen,« sprach er mit unverhohlener Neugierde, »aber Sie tun mir viel zuviel mit Blumen um.«

      »Warum just ein Jägersmann? Sehe ich denn so mörderisch aus?« lachte der andere, »fiele es Ihnen nicht gescheiter ein, daß ich ein Waldgärtner

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