Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Förster denn wendete sich wieder zum Mädchen: »Es scheint zwar, als treibe die zarte Touristin sich noch nicht lange in den Wildnissen um, und doch macht sie schon die Waldmode mit.«

      Er deutete auf den alten Wetterhut.

      Jetzt hatte Anna Mut bekommen. – Der will sich lustig machen über den Hut?

      »Sie mögen vielleicht keinen solchen Hut haben, Herr Förster,« sagte sie, dem Manne ins Gesicht blickend, »das ist der Hut des ...« Sie sprach's nicht aus.

      »Haben ihn auch auf redlichem Wege erworben,« warf Ferdinand halb scherzend ein, »wir sind eigens von der Stadt gekommen und haben das Heidehaus besucht, wo der Sänger von den – den –«

      »Waldliedern«, ergänzte Anna.

      »Geboren worden ist –«, schloß der Alte.

      Sie machten sich wieder auf den Weg. Der Waldgärtner bat mit leichter Höflichkeit, sich anschließen zu dürfen. Er schritt neben dem Mädchen her. Sein Benehmen war offen, heiter und unbefangen, und bald waren sie zusammen durch ein fröhliches Gespräch verwebt.

      »Sie wären wirklich des alten Heidehauses wegen den weiten Weg von der Hauptstadt in die Einöde gekommen?« fragte der Förster. – »Ja«, sagte das Mädchen.

      »Sie sind wohl die einzigen zwei, die auf solchen Einfall kamen. Sind Sie mit Ihrer Berg- und Waldfahrt auch zufrieden?«

      »Oh, sehr zufrieden,« antwortete Anna, »nur habe ich nach allem, was ich über die Einödwälder gelesen, mir diese Gegend anders vorgestellt.«

      »Haben Sie denn so vieles über diesen Wald gelesen?«

      »Sie kennen gewiß alles, Herr Förster, was Gabriel Stammer darüber geschrieben hat; Sie singen doch auch seine Waldlieder?«

      »Die Sachen sind mir nicht unbekannt,« versetzte der junge Mann, »doch, mein Fräulein, wer im Walde lebt wie ich, und seinem verborgensten Weben und Walten zu lauschen Gelegenheit hat, und wer seine Lieblichkeiten, seine Gewalt, seine Schrecknisse im Laufe der Jahreszeiten erfährt, den können die Waldlieder nicht befriedigen. In den Liedern kommen doch nur Stimmungen des Poeten mittelbar zum Ausdruck; ich ziehe es vor, mir die Stimmung und Schönheit gleich aus erster Hand der Natur zu holen.«

      Gelassen sagte Ferdinand: »'s ist die alte Geschichte. Der Prophet wird in seinem Vaterlande nicht geachtet.«

      Anna fühlte sich seltsam verletzt, daß der Förster ihre Begeisterung für den Lieblingssänger nicht teilte. Es war ihr das vielleicht oft schon geschehen, aber gerade heute tat es ihr weh. – Eine Weile ging sie schweigend neben den beiden Männern her. Da tat der junge Förster die Frage: »Mein Fräulein, Sie scheinen von Stammers Liederbüchlein eine gute Meinung zu haben?«

      Das Mädchen zögerte mit der Antwort.

      »Es ist ihr Gebetbuch«, beschied Ferdinand.

      »Warum nicht?« sagte Anna, »Stammers Lieder haben mich oft genug erbaut, haben mich gelehrt, die Natur und die Natürlichkeit zu lieben.«

      »In diesem Falle hätten Sie dem Verfasser allerdings ein großes Gut zu verdanken,« sprach der Förster, »doch – vergeben Sie mir – Fräulein – ein natürlich geartetes Wesen wäre auch ohne Waldlieder der lieben Natur treu geblieben.«

      »Auf dem Lande, denke ich, wäre das keine Kunst,« meinte Anna, »allein in der Stadt und in Kreisen, in welchen man leben muß, ist vieles nicht echt.«

      »Ei nein!« versetzte der Förster höflich.

      »Und doch,« sagte sie, »nicht aber, als wären es die Kreise der vornehmen Welt. Mein Vater ist Kaufmann –«

      Ferdinand hob bei diesen Worten seine wagrecht gehaltene Hand hoch über das Haupt empor, als wollte er sagen: Und was für einer!

      »Mein Vater ist Kaufmann«, fuhr das Mädchen in seiner treuherzigen Offenheit fort. »Ich bin nicht viel in die ländliche Natur gekommen; ich mußte lernen. Habe aber meinen Lehrern niemals viel Vergnügen gemacht – gelt, Ferdinand?«

      »Warte, so will ich dich aber recht verschwärzen!« sagte der Alte. »Anstatt fleißig Französisch zu lernen, las sie die Dichter; wenn sie am Klavier sitzen sollte, spielte sie auf der Zither Volkslieder, Kirchenlieder. Sollte sie hübsch die Tanzschule besuchen, so lief sie in den Waisenhausgarten und gab sich mit den Kindern ab. Ihre Freude waren die Trauerspiele im Theater und die Kirche mit der Orgel und den Gesängen. – Eine schöne Aufführung das für ein junges Mädchen!« Man merkte es aus Ton und Miene des Alten nur zu gut, wie sehr er im Innersten mit den Neigungen seines Schützlings einverstanden war.

      »Ich kann nichts dafür,« sagte Anna leise, »es hat mir oft weh getan, wenn ich hören mußte, ich wäre anders, als Mädchen meines Alters sein sollten.« Plötzlich erschrak sie jetzt; sie nahm wahr, daß ihr linker Arm in dem des Försters ruhte. Der Weg war uneben und steinig, und so hatte sich der junge Mann stillschweigend als Stütze erboten. Anna wurde befangen, wagte es aber nicht, ihre Hand von der des Försters loszumachen.

      »Sie sollten mir noch ein wenig von sich erzählen«, bat er in weichem Tone.

      »Oh, sie weiß schöne Geschichten! Etwa die vom Kloster!« rief der Graue boshaft dazwischen.

      »Vom Kloster?« fragte der Förster, »Sie waren doch nicht schon im Kloster, mein Fräulein?«

      »Ich wollte aber hinein!« antwortete Anna ernsthaft. »Meine Eltern hätten mich kaum davon abzuhalten vermocht. Ich ginge vielleicht heute nicht durch diesen grünen Wald, sondern wäre eine graue Schwester, hätte mich Gabriel Stammer nicht davon abgehalten.«

      »Wie?« fragte der Förster.

      »Seine Waldlieder sind mir in die Hand gekommen. O Gott, ich habe sie wieder und immer wieder gelesen, und da habe ich eine neue Welt gefunden. Liebe und Leben in der Natur, und einfache Sitten, Redlichkeit und Herzenstreue, und frohen Genuß eines mutfrischen Lebens – das alles sieht man und kommt einem ins Herz, wenn man die Waldlieder liest. – Meine Eltern sind auch so und waren dem Sänger dankbar, der mich bekehrt hatte. Ja, sie freuten sich selbst an den Dichtungen. Wir wollten den Verfasser sogar einmal in unser Haus laden, doch man sagt, er gehe in keine Gesellschaft. Er soll zwar viel in der Stadt leben, aber ich habe noch nicht das Glück gehabt, ihn zu sehen.«

      Der Graue war etwas zurückgeblieben, um sich einen Weißbirkenstock zu schneiden. Die beiden gingen allein des Weges.

      Der Förster hatte auf die obigen Worte keine Bemerkung gehabt. Er machte nur seine grünlich-grauen Augen weit auf und blickte das Mädchen an. Da sah er, daß das junge Veilchen, welches an einem Henkelchen ihres Busenkleides stak, Miene machte, sich zu entfalten. Er sagte nichts; sie gingen Arm in Arm still nebeneinander hin.

      Einmal bückte sich das Mädchen, um einen schimmernden Reifen vom Boden aufzuheben. Der Förster hielt sie mit kräftigem Arm zurück, da war der Reifen schon lebendig geworden und glitt schlängelnd und züngelnd ins Gebüsch.

      »Sie sehen, mein Fräulein,« sagte der Waldhüter, »auch die Einödwälder sind nicht ganz so harmlos, als sie etwa aussehen mögen. Es gibt nicht allein gemütliche Singdrosseln in ihnen, sondern auch giftige Kupfernattern.«

      Da schmiegte sich das Mädchen wie ein geängstigtes Kind schier ein

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