Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Wahnfred blieb im Hause seiner Väter und lernte das Handwerk seiner Väter.

      Alltäglich aber, wenn die Weiden das Baches und die Wolken der Höhen in der Abendsonne schimmerten, ließ der junge Schreiner Axt und Hobel ruhen und atzte sich an den heiligen Schriften. Hierauf kam eine Zeit, da er die Verse der Bibel nicht mehr so auslegte, wie sie der priesterliche Greis ausgelegt hatte, sondern anders. Heiß wurde ihm bei den Worten der Apokalypse: »Da sah ich ein Weib auf einem scharlachrothen Thiere sitzen. Sie hielt in ihrer Hand einen scharlachrothen Becher. Auf ihrer Stirn stand geschrieben der Name: Geheimniß. Und ich sah das Weib trunken vom Blute der Heiligen. Und vom Lustwein haben alle Völker getrunken.« – Dann las er, wie Laban um Rachel freite. Und eines Tages, da sah er Eine im hintersten Thale des Trasank, die schöner war, als er sich die Rachel hätte denken können. Zur selben Zeit saß er in den Sommernächten vor der Thüre seines Hauses und blickte hinab auf die Buchen und Weiden im stillen Mondenglanze und hörte das Rauschen der Trach. Er dachte nicht an den Wald und an das Rauschen der Trach. Die Bäume zogen an ihm vorüber mit ihren hohen Häuptern, die Steine stießen an seinen Fuß. Berge bauten sich auf vor seiner Brust, und steglose Wasser ergossen sich auf seinen Pfaden. Und da er sich endlich wieder fand, da saß er nicht mehr vor der Thüre seines Hauses am Gestade, da kniete er im hintersten Thale des Trasank vor dem Fenster einer Hütte und horchte den weichen Athemzügen einer Schlummernden. Er horchte so lange, bis der Morgenstern emporstieg über den weiten Wäldern des Ritscher, dann erhob er sich von seinen Knien und ging heim zum Gestade und frisch aus seinem Hobel flogen die Späne. – Und einst, am Tage der Sonnenwende war es, als das Mädchen früh Morgens auf dem Gottesacker stand und über die Gräber rief:

      »Meine Mutter, ich wecke Dich! Mein Vater, ich wecke Dich! Mein Bruder und Schwester, ich wecke Dich! Die heilige Sonnenwend’ ist da!« hörte es Wahnfred und sagte zum Mädchen: »Deine lieben Leut’, hast sie schon Alle da unten?«

      Sie neigte das Haupt.

      »Bist ganz allein auf Erden?«

      Sie neigte das Haupt.

      Er floh von ihr.

      Und in einer der nächsten Nächte kniete er wieder an ihrem Fenster und horchte der weichen Athemzüge drinnen. Schwer und schwül war die Luft. Über dem Trasank war zur selben Stunde ein Gewitter aufgestiegen, ein Blitz leuchtete hin und Wahnfred sah bei diesem Scheine das Weib in seiner unbegrenzten Schönheit.

      In jenem Augenblicke waren seine Himmel zusammengestürzt. Er floh durch Sturm und Wetter seinem Hause zu, und die Donner schienen zu grollen über den Blick seines Auges in das Allerheiligste des irdischen Glückes, dem ja doch die Wolken selbst ihr Licht geliehen hatten.

      Für alle Zeiten hatte der Blitz die Lichtgestalt fixiert auf dem dämmernden Grunde seines Herzens. Am Morgen des Gottesleichnamsfestes, da die Jungfrau ihre weißen Arme hinter das Haupt hob, um für die Kirche den grünen Zweig zu flechten in ihr Haar, das da schimmerte wie das Kornfeld, wenn es reif ist – stürzte Wahnfred lodernden Auges in ihre Kammer und rief: »Küsse mich mit den Küssen Deines Mundes, denn köstlicher ist Deine Labe als Wein!«

      »Was willst Du, Wahnfred?« lispelte sie und war gar sehr erschrocken über den blassen Jüngling, aus dessen nächtigen Zügen Blitze zuckten.

      »Wenn Du es nicht weißt, o Du schönstes der Mädchen!« rief er, sein Knie sank auf den Boden hin und seine Hände streckten sich aus, sie zu umarmen. »Wie schön, o Holde, bist Du! Ein Myrtenstrauß mir, der an meinem Busen ruhet!«

      Das war seine Werbung gewesen. An seinem Arm hatte er sie heimgeführt ins Haus am Gestade. Sie war seine Hausfrau, die sorgende und liebende. Sie hörte gern zu, wenn er ihr vorlas aus dem Schwanengesange des weisen Königs, aber sie erwiderte seine Worte nicht. Sie war ein stiller See, der immer klar ist; sie war ein häusliches Weib, das dem Schwärmer praktischen Sinnes die Wirthschaft aufrecht hielt, sonst wußte die Nachbarschaft nichts von ihr. Im ersten Jahre erstickte sie der Mann fast mit seiner Liebesglut. Sie trug ihr Glück still mit friedensvollen Herzen. Im zweiten Jahre hing sein Auge oft fragend an ihrem Lippen. Sie sah ihn mit mildem Lächeln an und hatte kein Geheimniß. Im dritten Jahre wendete er sich wieder den heiligen Schriften zu und suchte die Pforten des Himmels noch einmal zu öffnen, aus denen voreinst entzückende Seelenlust auf ihn niedergeflossen war. Sein Weib schwieg und trug still an ihrem Schmerze, sie arbeitete und sie diente ihrem Gatten, und sie starrte zuweilen gar betrübt in die Flammen des Herdes hinein, die von den Hobelspänen genährt waren.

      Endlich im vierten Jahr, am Vorabende der Pfingsten, da sie ruhend saßen am Wasser unter dem Frieden der Erlen, sagte das Weib zum Manne: »Wenn Gott es waltet, mein lieber Mann, so werden wir, bis der heilige Christ kommt, ein Kind haben.«

      Gott hat es gewaltet. Die Freuden desselben Sommers, die Reize desselben Herbstes waren für Wahnfred nicht da. So heftig wie niemals nach dem Frühling, sehnte er sich dem Winter entgegen. Als die Schneeflocken niedertanzten, schauerte er vor innerer Lust; als die Kruste des Eises sich zog über die Trach, da sagte er zum Weibe: »Die Wasser rinnen stille. Er ist nah’!«

      Und drei Tage vor dem heiligen Christ war Erlefried erschienen.

      Wir sind dem Knaben schon begegnet. Er führte das Mädchen des Feuerwart hinauf zu den Wildwiesen. Oben traf ihn der Schuß eines Schergen.

      Wahnfred hatte damals den blutenden Knaben nach Hause gebracht, unterwegs hatte er alle Flüche des alten Testaments, heißgekocht in seinem Herzblute, ausgestoßen. Das Weib hatte nächtelang kein Auge geschlossen, aber dieses Auge hatte nicht geweint, es hatte nur gesorgt, gewacht über dem kranken Kinde. Ihr Mund hatte keinen Fluch der Vergangenheit zurückgeworfen, er hatte nur Gebet für die Zukunft, für die Genesung des Kindes.

      Und es genas. Die jungen Wangen wurden wieder roth, der helle Geist in ihm wieder lebhaft. Aber nie hatte er vom Schusse auf der Wildwiesen mehr gesprochen. Und Wahnfred auch nicht, dem jedoch war es zum Trost, daß die Wunde am Arme eine Narbe zurückgelassen hatte – diese Narbe ist der unauslöschliche Schuldbrief, mit welchem Erlefried einst, wenn er Mann geworden, einfordern wird.

      Da war jener Tag gekommen, an welchem Wahnfred, der Schreiner vom Gestade, mit Schaudern erfahren mußte, daß die Sühne nicht warten wollte auf die Thatkraft des Sohnes, daß sie noch vom Vater geübt werden sollte. Dieser Mann, der den Fluch gethan, soll den Fluch nun selbst erfüllen. –

      So saß er an einem Spätherbstmorgen vor der Thür seines Hauses und brütete.

      Im Thale lag der Reif, und die Ahorne und die Buchen regen ihre blattlosen Äste und Zweige in die kalte Luft hinein. Durch den blauenden Nebel schimmerte in der aufgehenden Sonne die Trach wie eine ungeheure Silbernatter. Das war ein anderes Herbsten, als jenes, da das Kind erwartet wurde zum heiligen Christ.

      Wahnfred starrte ins Weite, Kalte, Leblose, als wollte er lesen in der ersterbenden Natur, wie man Sterbenmachen lerne. »Wer Blut vergießt, dessen Blut soll auch vergossen werden!« so stand es in der Schrift. Wohl, so ist das Gesetz und so heißen wir es gut. Aber wehe dem, der aufgerufen wird zu richten! Nöthig ist der Freimann, aber ehrlos ist er doch! – Der Mann, der seiner Tage lang nichts Hartes geplant, der in den Worten der heiligen Väter – die ihm wie Musik und Zionsglockenklingen waren – den Ewigen suchte: ihn hat der Zorn des Himmels zum Richtschwert erwählt.

      Wohlan, wohlan! So dachte Wahnfred: Heilig ist der Cherub, der mit der Flamme des blinkenden Schwertes den Missethäter austrieb und an der Pforte steht, zu hüten den Baum des Lebens. Auch Trawies, die stille, die liebe Heimat im Schatten des Waldes, ist ein Eden, das gehütet werden muß vor dem Verderber. Auch die Sitten der Väter sind ein Baum des Lebens, an dessen Zweigen gute Thaten reifen, unter dessen Schatten ein freies zufriedenes Geschlecht reigt.

      Jener,

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