Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 152
So schritt er hin, und die Eiskörnchen knisterten unter seinen Tritten, die Eisdecke aber blieb fest und wankte nicht. Bei einer Wendung des Flusses hatte sich der Mond hinter den Waldrand verborgen; in der Schlucht war es sehr düster und nur auf den Lehnen lag der blasse Schleier des Lichtes.
Wahnfred betete:
»Selig der Mann, der nicht wandelt nach dem Rathe des Bösen, sondern seine Lust hat an den Gesetzen Jehova’s!
Merke auf die Stimme meiner That, o mein König und mein Gott, denn Du bist kein Gott, der Freude hat an der Bosheit.
Die Frevler bestehen nicht vor Deinen Augen; O leite mich in Deiner Gerechtigkeit, um meiner Feinde willen, ebne mir den Weg!
Denn nichts Wahres ist in ihrem Munde; laß ihre Schuld sie tragen, o Gott; wegen der Menge ihrer Verbrechen stürze sie.
Denn es rühmt sich der Böse der Gelüste seiner Seele, und der Habsüchtige lästert Jehova!
Er spricht in seinem Herzen: Ich wanke nicht, denn ich werde nie im Unglück sein!
Des Fluches voll ist sein Mund, und des Truges und der Bedrückung.
Auf, Jehova! Gott! Erhebe deine Hand, vergiß nicht der Leidenden!«
»So betete ja auch er,« fuhr Wahnfred fort, »der Harfenspieler und der Sänger. Er saß zu den Füßen des kranken Königs Saul und erheiterte ihn mit Hirtenliedern aus seinen fröhlichen Auen. Da nahten die Feinde und ein Riese war unter ihnen, der forderte Einen zum Zweikampf. Sie standen zurück, die waffengeschmückten. Da stand der kleine Hirt und Sänger auf und sprach: Wenn sonst Keiner ist, den Frechen zu züchtigen, so will ich es sein! – Sie spotteten seiner und Andere sagten: Laßt ihn ziehen, es ist ja nur ein Hirtenjunge, und kein Verlust, wenn er fällt, und keine Schmach für uns, wenn er unterliegt. – Der Hirtenknabe ging hin und tödtete den Riesen. – Wie hat Gott die That belohnt? David wurde König – heute sitzt er in Zion unter den Heiligsten der Heiligen. Und doch hat er nicht gesorgt für das Seelenheil seines Feindes. – Ich will christlicher sein.«
Da Wahnfred in solchem Sinnen über die berückenden Schriften der alten Dichter an zwei Stunden gegangen war, weitete sich das Thal; er sprang ans Ufer und war im Gestade.
Von seinem Hause grüßte ihn aus dem Fenster der rothe Schein des Herdes entgegen. Der Mond hatte einen blassen, milchigen Kreis um sich: von den Bäumen fielen knisternd die zähnigen Eisrindchen und auf der Trach sprangen in derselben Nacht krachend die Schollen.
Am anderen Morgen war es schon licht – und wie spät lichtet sich’s im December! – als Wahnfred noch im Bette lag. Der Kienspan, den das Weib des Schreiners in den Leuchthaken der Werkstatt gesteckt hatte, weil der Meister zu solcher Jahreszeit auch vor Tags zu arbeiten pflegte – war heute unangezündet geblieben.
Das Weib schlich schon eine Weile besorglich ums Lager herum, und als sie ihren Eheherrn nun erwacht sah, fragte sie ihn, ob er krank sei. Er habe in der Nacht unruhig geschlafen, er habe laut im Traume gesprochen.
»Im Traum? Was habe ich gesprochen?« fragte Wahnfred.
»Das Eis bricht ein! Hast Du ein paarmal aufgeschrien. Es ist ja keine Möglichkeit, daß Du es von Thale herauf solltest gehört haben. Es hätte recht gekracht, erzählt die Magd, das Wetter hat umgeschlagen und das Eis bricht auf der ganzen Trach.«
»Bricht’s?« fragte Wahnfred und erhob sich aus dem Kissen. »So schwach war die Scholle! Weib, den ganzen Weg von Trawies von Trawies her bin ich auf der Trach gegangen.«
»Jesus Maria!« rief die Hauswirtin, »jetzt weiß ich’s, wesweg mir gestern auf die Nacht so angst und bang gewesen.«
»Du, Weib,« sagte nun Wahnfred und streckte die Hand aus, »auf der Wandstelle dort liegt der Kalender, lange mir ihn herab.«
Sie that’s und als sie das Büchlein aufschlug, um ihm den Monat December bereit zu blättern, war sie verwundert und sagte: »Mann, das ist richtig wahr, Du wirst allweil leichtsinniger in christlichen Sachen. Jetzt hast Du nicht einmal Deinen Osterbeichtzettel im Pfarrhof abgegeben. Schau, da liegt er.«
»Ja, ja, ich seh’ ihn wohl. Abgegeben hab ich ihn. Was kann ich denn dafür, wenn der Herr nicht schaut auf die Sachen, die man ihm in die Hand giebt. Mein Zettel ist mir närrisch wieder zugekommen.«
»Wo man hinschaut,« sagte sie, »es ist überall ganz anders, als wie sonst.«
»Ja, die neuen Zeiten! Wirst Dich noch verwundern, Weib. – Jetzt kannst schon wieder gehen.«
Sie verließ zögernd und kopfschüttelnd sein Bett. Wahnfred sah in den Kalender und murmelte bei sich: »Heute ist der erste Adventtag und das Fest des heiligen Bischofs Eligius; der war anfangs Goldschmied, nachher ist er Büßer geworden, hat ein härenes Gewand angezogen und gegen die Ketzer gestritten. Der taugt nicht. Morgen, als am zweiten Tage, begehen wir das Gedächtnis der heiligen Jungfrau Firmina. Sie war eine Römerin von großer Leibesschönheit, und als sie der Landpfleger hat umarmen wollen, sind ihm durch Gottes Allmacht beide Arme lahm geworden. Hierauf hat sie der Kaiser Diocletian der Kleider entblößen und mit brennenden Fackeln sengen lassen, bis sie den Geist aufgegeben. Mag wohl sein, daß sie eine große Beisteherin ist in der Noth, bei meiner Sach’ hat sie nichts zu thun. – Als am dritten Tage begeht die Kirche das Fest des heiligen Franciscus Xaverius. Der hat die Wilden zum Christenthume bekehrt, ist ein sehr heiliger Mann gewesen und hat sich selbst gegeißelt bis aufs Blut. Das ist sein Namenspatron, der möchte sich wohl seiner zu früh annehmen. – Als am vierten Tage ist das Gedächtnis der heiligen Jungfrau Barbara. Sie ist von den Heiden gemartert und enthauptet worden; sie gehört zu den vierzehn Nothhelfern und ist die Schutzpatronin für Sterbende. – Das ist die Rechte. Sie wird ihm beistehen und seine Seele nehmen.«
Die Hand mit dem Kalender ließ er sinken, am Kissen lehnte sein Haupt mit geschlossenen Augen – es schien, als schlummere er wieder ...
Plötzlich erhob er sich und sprach: »Gut, gut, jetzt bin ich fest. Also am vierten Tage im Advent. –«
An demselben Tage, da dieses morgens war, sprach der Schreiner den Boten an, der von Neubruck bisweilen in die Gegend kam, ob er nach Trawies hineingehe?
»Wohl, wohl, habe ja beim Kirchenamt zu thun.«
»Wollte der Bot’ so gut sein und für den Herrn was mitnehmen?«
»Wenn’s nicht schwer ist; Ihr seht, ich gehe nicht mehr auf meinen ersten Füßen.«
»Es ist Geldsach’.«
»Nachher kann’s nicht schwer sein.«
»Da, im Papier wär’s – fünfzig Schinderlinge sind’s – daß am Barbaratag eine Rorate gelesen werden sollt’.«
»Eine Rorate,« meinte der Bote, »kann nicht herausgeben.«
»Krieg’ nichts heraus.«
»Kostet ja nur zweiunddreißig.«
»Unserer liest sie nicht unter funfzig.«
»Ist recht, will’s schon ausrichten und von wem denn?«
»Kennst