die ständig zu lächeln schienen, auf mich und lauschte mir andächtig und freudig, ihre Lektionen repetierte sie mit sanfter Schmeichelstimme und freute sich kindlich, wenn ich mit ihr zufrieden war. Die Mutter, die mit wachsender Unruhe jede Gefahr von dem Mädchen fernhalten wollte, das beim Heranreifen alles erfüllte, was ihre kindliche Anmut verheißen hatte, sah es mit Vergnügen, daß sie sich den ganzen Tag einsperrte, um zu lernen. Da sie selbst kein Klavier besaß, benutzte Pauline meine Abwesenheit, um zu üben. Wenn ich heimkam, fand ich sie in meiner Kammer; sie war immer in sehr bescheidener Kleidung, aber die Bewegung enthüllte ihren geschmeidigen Wuchs und den ganzen Reiz ihrer Person unter dem groben Stoff. Wie die Heldin des Märchens von der Eselshaut hatte sie den zierlichsten Fuß in plumpen Schuhen stecken. Aber all diese Schätze, dieser Jungmädchenreiz, diese strahlende Schönheit waren für mich gleichsam verloren. Ich hatte es mir auferlegt, in Pauline nur eine Schwester zu erblicken, ich hätte es schändlich gefunden, das Vertrauen der Mutter zu hintergehen. Ich bewunderte das reizende Mädchen wie ein Gemälde, wie das Bildnis einer verstorbenen Geliebten; es war mein Geschöpf, meine Statue. Als ein neuer Pygmalion wollte ich aus einer lebendigen, blühenden Jungfrau, die fühlte und sprach, einen Marmor machen. Ich war sehr streng mit ihr; doch je mehr schulmeisterliche Gewalt ich sie fühlen ließ, desto sanfter und unterwürfiger wurde sie. Wenn ich auch in meiner Zurückhaltung und Enthaltsamkeit von edlen Gefühlen bestärkt wurde, so war ich doch nicht frei von berechnenden Erwägungen. Redlichkeit in Geldangelegenheiten ohne Redlichkeit der Gesinnung begreife ich nicht. Eine Frau betrügen oder Bankrott machen, ist für mich immer das gleiche gewesen. Wenn man ein junges Mädchen liebt oder sich von ihm lieben läßt, geht man einen Vertrag ein, dessen Bedingungen einsichtsvoll gehandhabt werden müssen. Es steht uns frei, eine Frau zu verlassen, die sich verkauft, aber nicht ein junges Mädchen, das sich hingibt, denn es kennt die Tragweite seines Opfers nicht. Ich hätte also Pauline heiraten müssen, und das wäre eine Torheit gewesen. Hieße es nicht, eine zarte, jungfräuliche Seele schrecklichem Ungemach preisgeben? Meine Armut redete ihre egoistische Sprache und legte immer ihre eiserne Hand zwischen mich und das gute Geschöpf. Außerdem, ich gestehe es zu meiner Schande, schließt Elend für mich Liebe aus. Vielleicht bin ich verdorben von der menschlichen Krankheit, die wir Zivilisation nennen; aber eine Frau, wäre sie auch so reizvoll wie die schöne Helena oder die Galatea Homers, hat keine Macht mehr über meine Sinne, wenn sie von Straßenschmutz besudelt ist. Ah! es lebe die Liebe, die Liebe in Seide und Kaschmir, umgeben von den Wundern des Luxus, die so herrlich zieren, wohl weil sie selbst vielleicht ein Luxus ist. Ich liebe es, wenn mein heißes Begehren elegante Toilette zerknittert, Blumen zerbricht, meine Hand zerstörerisch in den zierlichen Aufbau duftenden Haares fährt. Brennende Augen hinter einem Spitzenschleier, den die Blicke durchdringen wie die Flamme den Rauch der Kanone, haben etwas unsagbar Verlockendes für mich. Meine Liebe verlangt seidene Leitern, die im Schweigen einer Winternacht erklommen werden. Welche Lust, mit Schnee bedeckt in ein durchduftetes, mit bemalter Seide bespanntes Gemach zu treten und dort eine Frau zu finden, die gleichfalls Schnee abschüttelt, denn wie anders soll man jene wollüstigen Mußelinschleier nennen, durch die ihre Gestalt sich zart abzeichnet und aus denen sie hervortritt wie ein Engel aus einer Wolke? Ich brauche ein verstohlenes Glück, verwegene Sorglosigkeit. Dann will ich diese geheimnisvolle Frau strahlend inmitten der Gesellschaft wiedersehen, tugendhaft, mit Huldigungen überhäuft, in Spitzen gekleidet, von Diamanten funkelnd, wie sie der Stadt ihre Befehle erteilt, so hochgestellt und gebieterisch, daß niemand sein Begehren zu ihr zu erheben wagt. Inmitten ihres Hofstaats aber wirft sie mir einen verschwiegenen Blick zu, einen Blick, der alle diese Kunstgriffe Lügen straft, der die Welt und die Menschen für mich opfert. Gewiß, ich habe mich hundertmal lächerlich gefunden, ein paar Ellen Seidenspitze zu lieben; Samt oder feinen Batist, die Kunststücke eines Friseurs, Kerzen, eine Kutsche, einen Titel, Wappenkronen, von Glasmalern gemalt oder von einem Goldschmied ziseliert; kurz, alles das, was künstlich und am Weib weniger weiblich ist; ich habe mich verspottet, mir vernünftig zugeredet, alles vergebens. Eine aristokratische Frau mit ihrem feinen Lächeln, ihren vornehmen Manieren und ihrer Selbstachtung bezaubert mich. Wenn sie zwischen sich und der Welt eine Schranke errichtet, schmeichelt sie all meinen Eitelkeiten, die die Hälfte der Liebe sind. Wenn mich alle beneiden, so hat mein Glück mehr Würze für mich. Wenn sie nichts tut, was die anderen Frauen tun, nicht geht wie sie, nicht lebt wie sie, sich in einen Mantel hüllt, den sie nicht haben können, Düfte atmet, die nur ihr eigen sind, scheint es mir, als ob meine Geliebte mir noch mehr angehöre. Je mehr sie sich von der Erde entfernt, selbst in dem, was die Liebe Irdisches hat, desto schöner wird sie in meinen Augen. Zum Glück für mich gibt es in Frankreich seit 20 Jahren keine Königin mehr, sonst hätte ich die Königin geliebt. Um das Auftreten einer Prinzessin zu haben, muß eine Frau reich sein. Was war, angesichts meiner romantischen Phantasien, Pauline? Konnte sie mir Nächte verkaufen, die das Leben kosten, eine Liebe, die Tod bringt und alle menschlichen Fähigkeiten abverlangt? Wir sterben wohl kaum für arme kleine Mädchen, die sich hingeben. Ich habe nie von diesen Dichterträumen und Gefühlen ablassen können. Ich war für die unmögliche Liebe geschaffen, und der Zufall wollte, daß ich über meine Wünsche hinaus bedient wurde. Wie oft habe ich nicht Paulines zierliche Füßchen in Atlasschuhe gesteckt, ihren Körper, schlank wie eine junge Pappel, in ein Tüllkleid gehüllt, ein duftiges Tuch über ihren Busen geworfen, sie über die Teppiche ihres Hotels schreiten lassen und zu einem eleganten Wagen geführt! So hätte ich sie angebetet. Ich verlieh ihr einen Stolz, den sie nicht besaß, ich beraubte sie aller ihrer Tugenden, ihres kindlichen Liebreizes, ihres anmutvollen Naturells, ihres unbefangenen Lächelns, um sie in den Styx unserer Laster zu tauchen und ihr Herz unverwundbar zu machen, sie mit unseren Verbrechen herauszuschminken, eine extravagante Salonpuppe aus ihr zu machen, eine bleichsüchtige Frau, die morgens zu Bett geht, um abends beim Schein der Kerzen wieder aufzuleben. Pauline war ganz Gefühl, ganz Frische; ich wollte sie fühllos und kalt. In den letzten Tagen meines Wahns zeigte die Erinnerung mir Pauline so, wie sie uns die Szenen unserer Kindheit zurückruft. Mehr als einmal dachte ich bewegt an köstliche Augenblicke: sei es, daß ich das liebe Mädchen nahe bei meinem Tisch sitzen, mit einer Näharbeit beschäftigt sah, friedlich, still, nachdenklich, und sanft vom Tageslicht beschienen, das durch meine Dachluke hereindrang und über ihr schönes schwarzes Haar einen zarten Silberschein breitete; sei es, daß ich ihr junges Lachen oder ihre wohlklingende Stimme liebliche Weisen singen hörte, die sie mühelos selbst komponierte. Häufig geriet meine Pauline beim Musizieren in schwärmerisches Verzücken, ihr Gesicht glich dann auffallend dem edlen Kopf, in dem Carlo Dolci Italien darstellen wollte. Immer wieder führte mir mein grausames Gedächtnis in meinem zügellosen Dasein das Bild jenes jungen Mädchens vor Augen wie eine Verkörperung der Tugend, des Gewissens. Doch überlassen wir das arme Kind seinem Geschick. So unglücklich es auch sein mag, jedenfalls habe ich es vor einem entsetzlichen Ungemach bewahrt, indem ich es nicht mit in meine Hölle hineinriß. Bis zum letzten Winter führte ich das ruhige und arbeitsreiche Leben, von dem ich dir einen Eindruck zu geben versuchte. In den ersten Tagen des Dezembers 1829 begegnete ich Rastignac, der mir trotz des elenden Zustandes meiner Kleider den Arm gab und sich mit einer wahrhaft brüderlichen Anteilnahme nach meinem Geschick erkundigte. Von seinem einnehmenden Wesen gefangen, erzählte ich ihm kurz mein Leben und meine Hoffnungen; er lachte und hieß mich Genie und Dummkopf zugleich. Seine gascognische Redeweise, seine Welterfahrung, das Auf-großem-Fuß-Leben, das er seiner Gewandtheit verdankte, wirkten unwiderstehlich auf mich. Er prophezeite mir, daß ich wie ein verkannter Tropf im Armenhaus enden, er meinen eigenen Leichenzug anführen und mich ins Loch der armen Leute werfen würde. Er sprach von Scharlatanerie. Mit seinem liebenswerten Elan, der ihn so mitreißend macht, stellte er alle Genies als Scharlatane hin. Er erklärte mir, daß ich einen Sinn zuwenig besäße und es dem Tode gleichkäme, wenn ich weiterhin einsam in der Rue des Cordiers leben wollte. Er sei der Meinung, daß ich in Gesellschaft gehen, die Leute daran gewöhnen müßte, meinen Namen auszusprechen, und selbst das demütige ›Monsieur‹ ablegen solle, das sich für einen großen Mann zu seinen Lebzeiten nicht ziemt. ›Dummköpfe‹, rief er, ›nennen solch Handeln: intrigieren; Moralprediger ächten es mit der Bezeichnung: verschwendetes Leben; lassen wir uns von den Menschen nicht aufhalten, sehen wir uns die Resultate an. Du also arbeitest? Schön, du wirst es nie zu etwas bringen. Ich eigne mich für alles und tauge zu nichts, bin faul wie ein Hummer! Schön, ich erreiche alles. Ich mache mich überall breit, dränge mich vor, man macht mir Platz; ich rühme mich, man glaubt mir; ich mache Schulden, man bezahlt sie! Verschwendung, mein Lieber,