Gesammelte Romane: 15 Romane in einem Band. Оноре де Бальзак

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Romane: 15 Romane in einem Band - Оноре де Бальзак страница 26

Gesammelte Romane: 15 Romane in einem Band - Оноре де Бальзак

Скачать книгу

Grundstil überein. In einem gotischen Boudoir, dessen Türen gestickte Portieren verbargen, waren das Randdekor des Stoffes, die Pendeluhr, das Muster des Teppichs gotisch. Die Felder zwischen den geschnitzten braunen Balken der Decke waren originell gestaltet; die Holztäfelung war kunstvoll gearbeitet; nichts störte den Gesamteindruck dieser hübschen Dekoration; nicht einmal die Fenster mit ihren kostbaren, bemalten Scheiben. Ich war überrascht beim Anblick eines kleinen modernen Salons, den ein mir bekannter Künstler im Stil unserer Zeit, der so leicht, so anmutend, so gefällig, so prunklos und sparsam an Vergoldung ist, vollendet ausgestattet hatte. Er war ätherisch und liebesdurchweht, wie eine deutsche Ballade, ein rechtes Nest für eine Leidenschaft von 1827, erfüllt vom Duft seltener Blumen. Hinter diesem Salon sah ich noch eine Flucht von Zimmern, darunter ein Gemach, das reich vergoldet den Stil Ludwigs XIV. aufleben ließ, der unserem Geschmack entgegengesetzt einen bizarren, doch angenehmen Konstrast bildete. ›Du wirst hier ganz gut untergebracht sein‹, sagte Rastignac zu mir mit einem Lächeln, das eine leise Ironie umspielte. ›Ist dies nicht verführerisch?‹ fügte er hinzu, indem er sich setzte. Plötzlich stand er wieder auf, nahm mich bei der Hand, führte mich in das Schlafzimmer und zeigte mir unter einem Himmel aus weißem Mußelin und Moiré ein sanft beleuchtetes wollüstiges Bett, das wahre Bett für eine junge Fee, die einem Genie versprochen ist. ›Liegt nicht‹, sagte er mit leiser Stimme, ›maßlose Schamlosigkeit, Vermessenheit und maßlose Koketterie darin, uns diesen Liebesthron betrachten zu lassen? Sich keinem hinzugeben und jedem zu gestatten, seine Karte hier abzugeben? Wenn ich frei wäre, so wollte ich diese Frau demütig an meiner Tür weinen sehen.‹ – ›Bist du denn ihrer Tugend so sicher?‹ – ›Die verwegensten unserer Salonlöwen und sogar die geschicktesten geben zu, daß sie bei ihr gescheitert sind; sie lieben sie noch immer und sind ihre ergebenen Freunde. Ist diese Frau nicht ein Rätsel?‹ Diese Worte versetzten mich in eine Art Rausch. Ich fing schon an, auf ihre Vergangenheit eifersüchtig zu werden. Freudig erregt, kehrte ich eilig in den Salon zurück, in dem die Comtesse geweilt hatte; ich traf sie in dem gotischen Boudoir. Sie entbot mich mit einem Lächeln zu sich, hieß mich Platz nehmen, fragte nach meinen Arbeiten und schien sich lebhaft dafür zu interessieren, besonders als ich ihr mein System in scherzender Weise darlegte, anstatt es gelehrtenhaft im Professorenstil vor ihr zu entwickeln. Sie schien sich sehr zu amüsieren, als sie vernahm, daß der menschliche Wille eine dem Dampf vergleichbare materielle Kraft sei; daß nichts in der moralischen Welt dieser Kraft widerstehen könnte, wenn ein Mensch sich daran gewöhne, sie zu konzentrieren, sie als Ganzes wirken zu lassen und das Geschütz dieser flüssigen Masse beständig auf die Seelen richte; daß ein solcher Mensch nach Belieben alles, was mit dem Menschen zusammenhängt, selbst die Naturgesetze, verändern könne. Die Einwendungen Fœdoras bekundeten einen gewissen Scharfsinn; ich gefiel mir darin, ihr für ein paar Augenblicke recht zu geben, um ihr zu schmeicheln, und zerstörte dann ihre weiblichen Vernünfteleien mit einem Wort, indem ich ihre Aufmerksamkeit auf ein alltägliches, dem Anschein nach gewöhnliches Phänomen lenkte, und zwar den Schlaf, der für den Gelehrten im Grunde jedoch voll unlöslicher Probleme sei, und ich reizte ihre Neugier. Die Comtesse wurde sogar für ein Weilchen recht schweigsam, als ich ihr sagte, daß unsere Ideen vollkommen organische Wesen seien, die in einer unsichtbaren Welt lebten und auf unsere Geschicke Einfluß hätten, und zum Beweis führte ich ihr die Gedanken von Descartes, Diderot und Napoleon an, die ein ganzes Jahrhundert geleitet hatten und noch leiteten. Ich hatte die Ehre, diese Frau zu amüsieren; als sie mich verließ, forderte sie mich auf, sie zu besuchen; das heißt in der Hofsprache ausgedrückt: sie gestattete mir freien Zutritt. Sei es, daß ich nach meiner löblichen Gewohnheit höfliche Redensarten für Herzensworte hielt, sei es, daß Fœdora in mir eine zukünftige Berühmtheit sah und ihre Menagerie von Gelehrten vermehren wollte: ich redete mir ein, ihr gefallen zu haben. Ich nahm alle meine physiologischen Kenntnisse und früheren Studien über die Frauen zu Hilfe, um diese eigentümliche Person und ihr Wesen an diesem Abend eingehend zu studieren. In einer Fensternische verborgen, suchte ich aus ihrer Haltung, aus der Art, wie sie die Hausherrin spielte, die kommt und geht, sich setzt und plaudert, einen Herrn anruft, ihn befragt, oder sich, um ihm zuzuhören, an einen Türpfosten lehnt, ihre Gedanken zu erspähen; sie wiegte sich leise beim Gehen, ihr Kleid schwang so anmutig, sie erweckte so heftig das Begehren, daß ich in bezug auf ihre Tugend sehr ungläubig wurde. Wenn Fœdora heute die Liebe verleugnete, mußte sie doch früher einmal voller Leidenschaft gewesen sein; denn eine wissende Sinnlichkeit verriet sich selbst in der Art, wie sie sich vor jemanden hinstellte, um mit ihm zu sprechen; sie lehnte sich kokett an die Täfelung wie eine Frau, die nahe am Umsinken ist oder bereit zu entfliehen, wenn ein allzu verwegener Blick sie einschüchtert. Mit lässig verschränkten Armen stand sie da, schien die Worte zu trinken, hörte sie sogar mit den Blicken wohlgefällig an; sie war ganz Gefühl. Ihre frischen roten Lippen stachen lebhaft von dem blendendweißen Teint ab. Ihr braunes Haar harmonierte eigen mit den orangefarbenen Augen, die geädert waren wie Florentiner Marmor und deren Spiel ihren Worten Feinheit verlieh. Ihr Wuchs war von lockender Anmut. Eine Rivalin hätte vielleicht die dichten, fast zusammengewachsenen Augenbrauen zu streng gefunden und den unmerklichen Flaum, der die Konturen ihres Gesichts umgab, getadelt. Ich fand alles von Leidenschaft geprägt. Liebe lag auf den italienischen Lidern dieser Frau, auf ihren schönen Schultern, die einer Venus von Milo angestanden hätten, auf ihren Zügen, auf der ein wenig vortretenden und leicht beschatteten Unterlippe. Sie war mehr als eine Frau, sie war ein Roman. Freilich, all diese prachtvolle Weiblichkeit, die Harmonie der Linien, die Verheißungen der Leidenschaft, die man aus diesem vollen Zusammenklang empfing, wurden von einer ständigen Sprödigkeit gedämpft, einer außergewöhnlichen Sittsamkeit, die ihrer ganzen Erscheinung widersprach. Es bedurfte einer so scharfen Beobachtung wie der meinigen, um in dieser Natur die Anzeichen zu entdecken, daß sie zur Wollust geschaffen sei. Um meine Gedanken klarer auszudrücken: Fœdora bestand aus zwei Frauen, die vielleicht die Taille voneinander trennte: die eine war kalt, der Kopf allein schien liebesfähig zu sein. Bevor sie ihre Augen auf einen Mann richtete, bereitete sie erst ihren Blick vor, als ob sich irgend etwas Geheimnisvolles in ihr vollzöge; eine Art krampfhafter Verzückung war in ihren strahlenden Augen. Kurzum, entweder war mein Wissen unvollkommen, und ich hatte noch viele Geheimnisse der geistigen Welt zu entdecken, oder die Comtesse hatte eine schöne Seele, deren Gefühle und Ausstrahlungen ihrem Gesicht diesen bestrickenden Zauber lieh, der uns unterwirft und fasziniert, ein aus der Seele strömender Einfluß, der um so mächtiger wirkt, als er mit unseren Begierden übereinstimmt. Ich ging entzückt fort, hingerissen von dieser Frau, berauscht von ihrem Luxus, in allem aufgereizt, was in meinem Herzen edel, lasterhaft, gut und böse war. Und wie ich mich so bewegt, so lebendig, so begeistert fühlte, glaubte ich zu verstehen, welcher Anziehung alle diese Künstler, Diplomaten, diese Männer der Macht, diese Spekulanten, die wie ihre Kassetten innen aus Blech waren, gehorchten; zweifellos suchten auch sie in ihrer Nähe die wahnwitzige Erregung, die alle Kräfte meines Wesens vibrieren ließ, mein Blut bis in die kleinste Ader aufpeitschte, den feinsten Nerv anspannte und in meinem Hirn bebte. Sie hatte sich keinem hingegeben, um sie alle zu behalten. Eine Frau ist kokett, solange sie nicht liebt. ›Außerdem‹, sagte ich zu Rastignac, ›ist sie vielleicht an einen alten Mann verheiratet oder verkauft worden, und die Erinnerung an diese Ehe flößt ihr Grauen ein vor der Liebe.‹ Ich ging vom Faubourg Saint-Honoré, wo Fœdora wohnte, zu Fuß heim. Zwischen ihrem Haus und der Rue des Cordièrs liegt beinahe ganz Paris; der Weg erschien mir kurz, obwohl es sehr kalt war. Fœdora im Winter erobern zu wollen, einem so strengen Winter noch dazu, und keine 30 Francs in der Tasche haben bei der Entfernung, die uns trennte! Nur ein armer junger Mann weiß, was eine Leidenschaft an Wagenfahrten, Handschuhen, Anzügen, Wäsche und so weiter kostet. Wenn eine Liebe ein wenig zu lange platonisch bleibt, wird sie sein Ruin. Wahrhaftig, es gibt Lauzuns an der École de Droit, für die eine Leidenschaft, die ein erstes Stockwerk bewohnt, ein Ding der Unmöglichkeit ist. Und wie konnte ich, schwach, schmächtig, einfach gekleidet, blaß und elend wie ein Künstler, der sich von einer großen Arbeit erholt, mit wohlfrisierten, schmucken, bestechend eleganten jungen Männern konkurrieren, die Krawatten tragen, an denen ganz Kroatien verzweifeln konnte, die reich waren, mit einem Tilbury und einer gehörigen Portion Impertinenz aufwarteten? ›Bah! Fœdora ist das Glück!‹ Das schöne gotische Boudoir und der Salon im Stil Ludwigs XIV. tauchten vor meinen Augen auf, ich sah die Comtesse in ihrem weißen Kleide, ihren weiten graziösen Ärmeln, mit ihrem verführerischen Gang, ihrem lockenden Wuchs. Als ich in meiner nackten, kalten Dachkammer anlangte, die in so schlechtem Zustand

Скачать книгу