Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling
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»Das möchte ich auch gern wissen. Schließlich habe ich mir extra diesen Nachmittag freigenommen!«
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Christine öffnete und sah sich einer etwas zu stark geschminkten jungen Frau mit langer Löwenmähne gegenüber. »Bernadette Schuster«, stellte sie sich vor. »Tut mir leid, daß ich so spät dran bin. Der Nagellack wollte und wollte nicht trocknen!« Und sie wedelte zur Bestätigung mit den Händen, deren lange Nägel purpurrot lackiert waren.
»Kommen Sie doch herein«, bat Christine. Sie führte die Besucherin auf die Terrasse und servierte Kaffee und selbstgebackenen Kirschkuchen. »Hach, ich bin doch auf Diät«, rief Bernadette aus, machte sich aber mit gutem Appetit über Kuchen und Sahne her.
»Sie waren bis jetzt Au-Pair-Girl in den USA, nicht wahr?« fragte Christine.
»Genau, in Connecticut. Und jetzt bin ich wieder in good old Europe.« Bernadette lachte affektiert.
»Und warum möchten Sie bei uns als Kindermädchen arbeiten?« fragte Christine freundlich. Sie fand das junge Mädchen nicht besonders sympathisch, aber sie wollte kein vorschnelles Urteil fällen.
»Oh, ich liebe Kinder über alles!« versicherte Bernadette überschwenglich und spielte mit einer ihrer langen blondierten Haarsträhnen. »Und, na ja, ich brauche auch einen Job für die Übergangsphase. Mein eigentliches Berufsziel ist nämlich etwas anderes.«
»Nämlich?« erkundigte sich Sven und schenkte Bernadette ein strahlendes Lächeln.
»Sängerin!« verkündete sie stolz. »Alle sagen mir, ich hätte eine sehr gute Stimme. Ich muß nur warten, bis ich entdeckt werde.«
Bevor Christine antworten konnte, kamen die Kinder aus dem Wohnzimmer auf die Terrasse. »Da sind ja die lieben Kleinen!« strahlte Bernadette. »Ich habe euch etwas mitgebracht.« Sie zog für jedes Kind einen Schokoriegel aus der Tasche.
»Eigentlich sollen sie nicht soviel Schokolade essen«, wandte Christine ein.
»Einmal ist keinmal! So, und jetzt zeigt mir mal das Haus«, verlangte Bernadette. Julia blickte zu ihrer Mutter. Als diese nickte, trottete sie widerwillig vor Bernadette ins Haus.
Sven blickte dem jungen Mädchen lächelnd nach. In seinen Augen funkelte es. »Na, was hältst du von ihr?« meinte er.
»Das wollte ich dich gerade fragen. Also, ich weiß nicht recht, ob sie zu uns paßt…«
»Sie wird sich schon einleben«, meinte Sven überzeugt. »Außerdem können wir am Wochenende nicht wegfahren, wenn du sie nicht einstellst. Das willst du mir doch nicht verderben, oder?«
Währenddessen führten die Kinder Bernadette durch das ganze Haus. »Dies ist dein Zimmer«, sagte Markus und öffnete die Tür des hübsch eingerichteten Gästezimmers.
Bernadette inspizierte den Raum mit kritischer Miene. »Nun ja, geht so. Hauptsache, ich kann meine Karaoke-Anlage hier anschließen und in Ruhe singen. Ihr könnt euch doch ganz gut selbst beschäftigen, nicht?«
Julia und Markus blieben etwas hinter dem neuen Kindermädchen zurück. »Eine blöde Ziege!« flüsterte der Junge leise. Julia schüttelte nachdenklich
den Kopf. »Vielleicht ist die gar nicht so schlecht. Überleg mal – wenn sie singt, kann sie uns nicht bei unseren Nachforschungen stören!«
»Gefällt es Ihnen bei uns?« erkundigte Sven sich charmant, nachdem Bernadette und die Kinder von ihrer Hausbesichtigung zurückgekommen waren.
Bernadette lächelte ihn an. »Ja, sehr!«
»Ich möchte, daß Bernadette bei uns bleibt!« erklärte Julia unerwarteterweise und faßte nach der mit reichlich Modeschmuck gezierten Hand des Kindermädchens.
Christine war sehr verblüfft. »Schön«, sagte sie zögernd, »dann ist die Sache entschieden. Wann können Sie bei uns einziehen?«
»Sofort«, sagte Bernadette strahlend. »Ich muß nur noch mein Gepäck holen. Die Karaoke-Anlage ist ziemlich schwer.«
»Ich helfe Ihnen nachher gerne«, bot Sven ihr an. »Aber vorher müssen wir miteinander anstoßen, nicht wahr?« Er holte den Sekt, den er vorausschauend kaltgestellt hatte, aus dem Kühlschrank und schenkte drei Kelche voll. Lächelnd hob er sein Glas. »Auf gute Zusammenarbeit, Fräulein Schuster!«
*
»Meinst du wirklich, daß zu Hause alles in Ordnung ist?« fragte Christine nervös. Sie saßen in Svens Cabrio und fuhren Richtung Norden, zum Meer. Der Fahrtwind nahm ihr den Atem, und ihre langen dunkelblonden Locken flogen im Wind. Sven lachte übermütig. »Na klar!«
Ihr Ziel war ein traditionsreicher Badeort an der Nordsee. Christine atmete die herrlich klare, frische Luft tief ein. »Komm, laß uns einen richtig langen Strandspaziergang machen!« bat sie, kaum hatten sie ihr Gepäck in dem Hotel direkt am Strand abgestellt. Aber Sven verzog das Gesicht. »Was? Nee, das ist mir zu windig!« Sehnsüchtig sah Christine aus dem Fenster. Der Strand war ziemlich leer, nur einige Kinder buddelten selbstvergessen im Sand nah am Wasser. Sie kreischten glücklich, wenn eine Welle ihre Füße naß machte. Christine dachte, wieviel Spaß ihren Kindern eine solche Reise gemacht hätte. Wie schön es doch wäre, wenn Sven ihnen ein richtiger Vater sein wollte! Aber – liebte sie ihn nicht gerade wegen seiner Unbekümmertheit, seines jungenhaften Leichtsinns? War es nicht gänzlich falsch, von ihm zu erwarten, daß er Verantwortung übernahm?
Bald darauf war es Zeit, sich zum Abendessen umzukleiden. Sven hatte extra seinen Smoking mitgenommen. »Na, wie sehe ich aus?« rief er stolz, während er sich wohlgefällig im Spiegel betrachtete.
Als Christine in der Tür des Nebenzimmers erschien, pfiff er begeistert durch die Zähne. Sie trug ein weichfließendes blaues Seidenkleid, das genau die Farbe ihrer Augen hatte und den klaren, gebräunten Teint gut zur Geltung brachte. Dazu hatte sie eine Kette aus Saphiren und passende Ohrringe angelegt, die ihr ihr verstorbener Mann einmal zum Geburtstag geschenkt hatte.
Mit ihrem anmutigen, leichten Schritt stieg Christine an Svens Seite die Treppe ins Hotelfoyer hinunter. Das lange Kleid schmiegte sich eng an ihre makellose Figur, und einige Strähnen ihrer locker aufgesteckten blonden Haare ringelten sich über den schlanken Nacken. Sie merkte, daß sich die Männer nach ihr umdrehten, und Sven merkte es auch und ergriff rasch ihre Hand. Christines tiefblaue Augen leuchteten, als sie ihre Blicke durch den Saal schweifen ließ.
»Du bist wirklich wunderschön, Christine«, sagte Sven hingerissen. »Und du siehst keinen Tag älter aus als zwanzig. Kein Mensch würde glauben, daß du schon eine elfjährige Tochter hast. Warum hast du bloß so früh geheiratet?«
Sie zog ein wenig verletzt die Brauen zusammen. »Ich fand es nicht zu früh, mit achtzehn zu heiraten. Schließlich hatte ich meine Ausbildung als Hotelfachfrau schon fast abgeschlossen, und mein Mann und ich wünschten uns Kinder.«
»Schon gut«, sagte Sven eilig, »laß uns diesen Abend genießen!« Der Ober führte sie an einen kleinen Tisch in einer gemütlichen Ecke des Saals, der nur von Kerzen erleuchtet war. Auf einer Empore spielte ein Geiger ein leises, zärtliches Lied. Sven und Christine lächelten einander an. Obwohl der Saal voller Menschen war, hatten sie nur noch Augen füreinander.
Das Menü war köstlich, aber die beiden genossen die langen Pausen zwischen den einzelnen Gängen, in denen sie einander