Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 3 – Familienroman - Gisela Reutling Mami Staffel

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war ja Samstag! Sie mußte sofort zum Großhandel fahren. Hoffentlich bekam sie noch alle nötigen Zutaten. Und wenn sie in einer Stunde zurück war, konnte sie das Buffet für die Jubiläumsfeier heute abend gerade noch rechtzeitig fertig bekommen…

      »Gib das her!« ertönte es aus dem oberen Stockwerk. »Das ist meins!« schrie eine helle Jungenstimme noch lauter. Christine vermutete, daß sich Julia und ihr achtjähriger Bruder Markus um die neue Lokomotive ihrer elektrischen Eisenbahn stritten. Sie ließ sich erschöpft auf den Sessel neben dem Telefon sinken und stützte den Kopf in die Hand. In diesem Moment drehte sich ein Schlüssel in der Haustür.

      »Hallo, Schatz!« Ein schlanker, sonnengebräunter junger Mann trat auf Christine zu und gab ihr einen flüchtigen Kuß. Er hielt einen Squash-Schläger lässig in der Hand. »Das Match hat ein bißchen länger gedauert, tut mir leid.«

      »Das macht doch nichts, Sven«, sagte sie. »Aber… kannst du ein oder zwei Stunden auf die Kinder aufpassen und ihnen das Mittagessen aufwärmen? Bitte, ich weiß sonst nicht, wie ich alles schaffen soll.«

      Sven Struve verzog das Gesicht. »Wenn es unbedingt sein muß…«, sagte er. »Aber übertreib’s nicht mit dem Streß. Was ist überhaupt mit unserem Urlaub? Findet der nun statt oder nicht?« Er legte den Arm um Christines Schultern. Sie sah zärtlich in seine schmalen grauen Augen. »Ich möchte doch so gern mit dir verreisen! Aber jetzt habe ich es eilig. Vielen, vielen Dank für deine Hilfe!« Sie gab ihm einen Kuß und eilte zur Garderobe.

      »Ein schöner Samstag! Wie kann eine so reizende junge Frau bloß so viele Kinder haben!« stöhnte Sven. Christine lachte gezwungen. Sie war sich durchaus nicht sicher, ob er das scherzhaft gemeint hatte.

      *

      Sven schlenderte in die Küche und öffnete die Kühlschranktür. Eine Menge gute Sachen lagen darin, die Christine für das Buffet heute abend vorbereitet hatte. Sven naschte ein paar Krabben und kostete mit einem kleinen Löffel von der Mayonnaise. Er fuhr zusammen, als er Florentine bemerkte.

      »Das darfst du nicht!« protestierte sie. »Die sind buh, hat Mami gesagt.«

      »›Tabu‹ meinst du wohl«, sagte Sven leichthin. »Aber was Jupiter darf, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Ich darf probieren, ihr nicht.«

      »Darfst du nicht!« sagte Florentine ernsthaft. »Außerdem habe ich Hunger.«

      Sven trat an den Herd und lüpfte den Deckel des großen Topfes, der darauf stand. »Gemüseeintopf«, sagte er und stellte die Platte an. »In zehn Minuten gibt’s Essen.«

      Julia und Markus vergaßen ihre Lokomotive und rutschten elegant das Treppengeländer hinunter, sobald der Essensgeruch das obere Stockwerk erreichte. Sven teilte die Teller aus.

      »Hilfst du mir nachher bei den Rechenaufgaben?« wollte Julia wissen, als alle satt waren. »Nee! Du hast versprochen, daß du mit mir Fußball spielst«, rief Markus.

      »Hast du vielleicht auch einen Wunsch, Florentine?« erkundigte sich Sven ironisch.

      »Au, ja! Lies mir ein Märchen vor, bitte.« Sven zuckte die Achseln. »Drei verschiedene Dinge kann ich nicht gleichzeitig tun. Wißt ihr was? Ich setze mich gemütlich ins Wohnzimmer, und ihr beschäftigt euch außerhalb meiner Hörweite. Ist das klar?« Er stand auf und trat an die Hausbar, um sich einen Gin Fizz zu mixen.

      Julia, Markus und Florentine trotteten mißmutig in den großen Garten hinter dem Haus. Im Schatten einer hohen Ulme stand ein Hasenstall. Die Zwerghasen Caesar und Püppi streckten neugierig die Näschen ans Gitter.

      Markus öffnete die Tür, hockte sich hin und nahm Caesar auf den Schoß. »Laß mich mal!« drängelte Julia und stupste ihren Bruder an. Markus verlor das Gleichgewicht, und Caesar hoppelte davon.

      »Er ist ausgebüxt!« schrie Florentine aufgeregt. Die Kinder rannten dem Hasen nach, der vor Schreck immer schneller lief und plötzlich in der Hecke verschwand, die den Garten von einem anderen Grundstück trennte. Der andere Hase, der durch die offene Käfigtür entwischt war, rannte in dieselbe Richtung.

      Als Florentine sah, daß auch ihr geliebter Püppi fortgelaufen war, brach sie in Tränen aus. Julia ging auf die Knie und untersuchte die Hecke. »Seht mal!« rief sie plötzlich aufgeregt. »Da ist ein Loch!«

      Die Kinder krochen eines nach dem anderen durch das Loch und sahen sich dann etwas ängstlich um. Der Garten, dessen Rückseite an ihren anstieß, war völlig verwildert. Zwischen knorrigen Obstbäumen, die jahrelang nicht mehr beschnitten worden waren, wuchsen wilde Wiesenblumen. Am Ende des Gartens stand eine große, efeubewachsene Villa, die vollständig verlassen aussah. Das Haus stand seit einem Jahr leer, und das war den Kindern unheimlich. Noch nie hatten sie gewagt, dieses Grundstück zu betreten.

      »Mami hat uns verboten, in fremde Gärten zu gehen«, sagte Florentine ängstlich. »Bestimmt wohnt hier ein Räuber oder ein Zauberer.«

      »Blödsinn! Zauberer gibt es nicht«, sagte Markus, aber ihm war trotzdem unbehaglich zumute. Er richtete sich auf und hielt Ausschau nach den Hasen. Ganz nah beim Haus sah er einen weißen Punkt – einen Hasenschwanz! »Da ist Caesar!« Er wollte loslaufen, aber dann blieb er doch stehen und blickte ängstlich zu den Fenstern der Villa. »Ich hole ihn nur, wenn ihr auch mitkommt.«

      »Also los!« bestimmte Julia aufgeregt. Diese Expedition war ein richtiges Abenteuer! Die drei pirschten sich sachte an das Haus heran, wie sie es aus ihren Indianerbüchern kannten. Die beiden Hasen scharrten in den überwucherten Beeten vor der Veranda des Hauses. Julia stürzte sich auf Caesar und hielt ihn fest. »Ich habe ihn!« schrie sie triumphierend und schlug sich entsetzt die Hand auf den Mund. Ängstlich blickte sie um sich. Püppi hoppelte die Stufen zur Veranda hoch.

      »Was macht ihr denn hier?« erklang eine strenge, tiefe Stimme. Florentine schrie laut auf vor Schreck, als ein großer, dunkelhaariger Mann aus der Glastür herauskam und die Kinder mit gerunzelten Brauen anblickte. Unter dem Arm trug er eine große Mappe mit verschnörkelten Buchstaben darauf. »Was soll denn dieser Lärm? Wo kommt ihr überhaupt her?« fragte er barsch. In der rechten Hand hielt er einen dunklen metallischen Gegenstand, der wie ein Revolver aussah.

      »Nicht schießen!« schrie Julia verängstigt. »Uns sind unsere Hasen weggelaufen.«

      Der fremde Mann bückte sich und nahm Püppi, der verschreckt zu seinen Füßen kauerte, in seine Hand. »Hier!« sagte er etwas freundlicher und gab Markus den Hasen. »Und jetzt geht wieder nach Hause, ja? Ich habe eine wichtige Arbeit zu erledigen und möchte meine Ruhe haben.«

      Die drei Kinder liefen, so schnell sie konnten, zurück zu dem Loch in der Hecke. Julia drehte sich noch einmal um, bevor sie durch die Hecke schlüpfte. Der Mann war spurlos verschwunden. Die alte Villa wirkte genauso

      verlassen wie vor ihrem Abenteuer.

      *

      Christine war, nachdem sie die Bestellung für Samstag ausgeliefert hatte, nicht ins Bett gegangen, sondern hatte noch die Desserts für den nächsten Tag zubereitet. Am Sonntag war sie früh um fünf aufgestanden und hatte den ganzen Vormittag Gemüse geschnippelt, Platten dekoriert und eine pikante Fischsuppe gekocht. Sven hatte ihr sporadisch geholfen, aber die meiste Arbeit hatte sie doch allein gemacht. Als Christine erschöpft von den Weinerts zurückkam, empfing er sie mit strahlendem Gesicht.

      »Ich habe einen Babysitter für heute abend bestellt! Wir gehen tanzen.«

      Christine ließ sich in einen Sessel sinken.

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