Die Umrundung des Nordpols. Arved Fuchs

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Die Umrundung des Nordpols - Arved Fuchs

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Sowjetunion? Eine ganze Region mit einem ungeheuren Potenzial liegt brach und scheint in einen Dornröschenschlaf versunken zu sein.

      Die DAGMAR AAEN in ihrem Element. Irgendwie kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass dem Schiff das raue Wetter Spaß bringt. Wir hingegen müssen uns erst wieder daran gewöhnen.

      Auch wenn das Eis auf den ersten Blick mürbe wirkt – es ist immer noch etwa zwei Meter dick.

      Frank Mertens betrachtet auf dem Rechner die Bahndaten der NOAA-Satelliten. Werden wir eine brauchbare Eiskarte erhalten?

      Vorbereitung

      für den

      Absprung

      DIKSON

      •

      73° 30‘ N; 80° 34‘ E

      06

      Warum gibt es diesen Ort eigentlich? Eine Frage, auf die wir bis zum Schluss keine Antwort erhalten.

      Dikson liegt an einem strategisch interessanten Punkt. Es ist nicht die unmittelbare Umgebung der Ortschaft, die Reisende locken könnte, aber von hier könnte man beispielsweise mit Flussboten den Jennissei bereisen. Zu Sowjetzeiten hatte es das bereits gegeben. Schließlich ist das der Grund, weshalb Dikson überhaupt errichtet wurde. Versorgungseinrichtungen für Schiffe, gegebenenfalls sogar für Kreuzfahrtschiffe, die durch die Passage fahren und hier Station machen würden: Damit wäre sicherlich Geld zu verdienen.

      Wie in fast jedem russischen Ort gibt es auch hier ein kleines Museum. In Vitrinen verteilt lagern Knochenreste von Mammuts, die es noch vor rund 10.000 Jahren in großer Stückzahl gegeben hat und von denen man heute immer noch Stoßzähne oder Knochen findet; bisweilen sogar komplett erhaltene Kadaver, die der Permafrostboden konserviert hat. Daneben Fotos über die Erschließung der Passage, Eisbrecher im Einsatz, militärisches Gerät aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Wir hören die Geschichte über die Beschießung der Stadt durch die ADMIRAL SCHEER im Jahre 1942.

      Auch unser Freund Wassia ist überglücklich über unseren Besuch. Stolz erzählt er uns, dass er die ehemalige Hafenfähre VEGA, benannt nach Nordenskiölds Schiff, gekauft hat. 1992 pendelte die Fähre zwischen dem Festland und der zu Dikson gehörenden Insel im Sommer hin und her. Heute leben kaum noch Menschen auf der Insel, insofern braucht auch niemand mehr eine Fähre. Und wenn doch einmal Bedarf besteht, übernimmt die Coast Guard den Transport. Die VEGA liegt hoch und trocken an Land. Sie ist ein bisschen vergammelt, scheint aber ansonsten in Ordnung zu sein. Wassia hat große Pläne: Er möchte mit dem Boot eine Art Fährdienst zu den kleineren Orten und Dörfern am unteren Jenissei aufnehmen, von den dort lebenden Menschen Fisch und Fleisch kaufen und im Gegenzug andere Nahrungsmittel verkaufen – sozusagen ein Kaufmannsladen zu Wasser. Slava kann sich sofort vorstellen, dass das gut klappen könnte. Ein bisschen Geld fehlt ihm noch, um das Boot zu überholen, in diesem Sommer würde es wohl nichts mehr, aber im nächsten ganz bestimmt. Derweil arbeitet er im Kraftwerk, dessen dumpf grollende Dieselmotoren in der ganzen Ortschaft zu hören sind.

      Mitte der Neunzigerjahren waren die Motoren mitten im Winter ausgefallen und damit auch die Stromversorgung. Zur Sicherheit hatte man die Kinder und ältere Menschen evakuiert, der Rest der Bevölkerung blieb – trotz der brutalen Kälte. Heizungen und Wasserleitungen froren ein. Bei Petroleumlampen und offenen Feuern im Kraftwerk reparierte man fieberhaft, bis der Erste der Motoren wieder ansprang. Das Ganze zog sich über Wochen hin, aber irgendwann war das Schlimmste überstanden. Zwar musste wegen der geplatzten Wasserleitungen den ganzen Winter über – und der dauert in Dikson im Schnitt neun Monate – improvisiert werden, aber man hatte keinen Meter preisgegeben. Das ist etwas, was mich nachhaltig beeindruckt. Mit stoischer Ruhe wird dem größten Ungemach, der größten Not begegnet. Und irgendwie kommt man durch. Man stelle sich eine vergleichbare Situation in Deutschland vor! Wenn es bei uns mal hagelt, ist Katastrophenalarm, bei den ersten Schneeflocken steht der Verkehr. Aber bei −45 °C in totaler Dunkelheit und ohne Hilfe von außen in seiner ungeheizten Wohnung sitzen? Auch die Menschen, die in Sibirien leben, sind keine Eskimos – sie haben nur gelernt, mit den Situationen umzugehen und sind damit in Krisensituationen viel lebensfähiger als die Menschen bei uns, wo schon ein kaputter Fernseher zu Familiendramen führt.

      Wir bekommen Besuch von einem Hydrografen. Mit ernster Miene unterbreitet er Slava, dass er uns Ratschläge für die weitere Passage geben wolle. Er hat sein gesamtes Berufsleben auf Wetterstationen im Norden verbracht und ist eine unerschöpfliche Informationsquelle. Interessant ist seine Einschätzung hinsichtlich der Eislage. Er glaubt, dass wir ein günstiges Eisjahr erwischt haben. Gewisse Hinweise und Indizien sprechen dafür, dass es milder als sonst ist. Aufs Global Warming angesprochen reagiert er vorsichtig, schließt es aber auch nicht aus. Wir erhalten von ihm wertvolle Hinweise über Buchten und Flussmündungen, in denen man notfalls Schutz vor Eis suchen könnte. Er zählt die Polarstationen auf, die heute brach liegen, gibt Hinweise auf Strömungen und Eisdriften – wir hören ihm gebannt zu und Henryk macht eifrig Notizen. Zwischendurch bringen wildfremde Menschen frischen Fisch für uns. Uns wachsen bald Schuppen, aber wir sind gerührt über die Freigebigkeit dieser Leute. Am Abend vor unserer Abfahrt kommt der Bürgermeister mit seinem Vertreter zu Besuch. Als Gastgeschenk bringen sie ein ganzes (!) gefrorenes Rentier mit. Nur das Fell ist abgezogen, und ausgenommen ist es auch schon, ansonsten ist alles dran. – Wir sind begeistert!

      Nachdem Elise und Frank uns hier verlassen müssen, sind wir nur noch zehn Personen an Bord. Für die beiden sollten eigentlich Lars und Karsten einsteigen. Wegen der schwierigen Flugverbindungen und wegen des Status einer geschlossenen Stadt lässt sich das aber nicht in einem vertretbaren Zeitrahmen realisieren. Wir haben den 9. August, es ist höchste Zeit, weiter nach Osten zu segeln. Vor uns liegen das Nordenskiöld-Archipel und das berüchtigte Kap Tscheljuskin. 1992 waren wir genau dort gescheitert.

      Mitunter gibt es nur einige wenige Tage im Jahr, an denen man das Kap passieren kann, in anderen Jahren geht es gar nicht. Wir müssen zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sein, oder wir riskieren den Erfolg der gesamten Expedition. Nach bisher drei Fehlversuchen haben wir unser Kontingent ausgeschöpft. Dieses Mal muss es klappen, oder wir wären endgültig an der Passage gescheitert. Schweren Herzens entschließen wir uns, Lars und Karsten nach Tiksi kommen zu lassen, was angeblich keine Probleme mit den Flügen bereiten soll. Wir werden sehen. Vorerst fehlen zwei Crewmitglieder. Das wiegt umso schwerer, als Karsten von Beruf Pilot ist und er unser Ultralight-Flugzeug polaris fliegen sollte, um Eiserkundungen durchzuführen. Gerade am Kap Tscheljuskin wäre uns das eine wichtige Hilfe. Lars sollte von Elise die Aufgabe des Smut übernehmen. Von jetzt an würden wir abwechselnd kochen müssen.

      »Ice is nice« lautet ein Wahlspruch der Eismeerfahrer. Der Faszination kann sich schwerlich jemand entziehen.

      Im

      Schatten

      der

      Vergangenheit

      NORDENSKIÖLD – ARCHIPEL

      •

      76° 45‘ N; 096° 0‘ E

      07

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