Die Umrundung des Nordpols. Arved Fuchs

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Die Umrundung des Nordpols - Arved Fuchs

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Seite völlig gegensätzlich bewertet wird, bleibt es dabei: Slava ist unser Lotse – etwas Besseres hätte uns nicht passieren können.

      •

      Zwischen unseren Besuchen bei der Murmansk Shipping Company, die weiterhin an der Tagesordnung sind, müssen wir mit der obersten Hafenbehörde sprechen, die für sich wiederum in Anspruch nimmt, die kompetenteste und wichtigste Instanz in Sachen Nördlicher Seeweg überhaupt zu sein. Ob wir denn wüssten, das dort viel Eis liegt und ob wir denn auch warme Sachen dabei hätten, fragt einer der Uniformierten mit einem Seitenblick auf Henryks Füße, die unbestrumpft in Sandalen stecken. In Murmansk ist eben Sommer! Alle Papiere müssen wieder vorgeholt und langatmig begutachtet werden, Stempel werden auf Stempelkissen gedrückt, angehaucht und mit wichtiger Miene auf ein x-beliebiges Dokument gepresst. Mir hebt es bisweilen die Schädeldecke, Henryk, der das sieht, meint nur: »Gut, dass du kein Russisch verstehst, dann wäre es um deine Contenance geschehen.« Ich glaube ihm gern, auch so bin ich an der Grenze meiner Geduld angelangt.

      Das gleiche Theater erwartet uns beim Zoll, nur dass der sich im Freihafen befindet und dorthin keiner Zugang hat. Slava muss sich für 20 Rubel an anderer Stelle einen Passierschein besorgen und darf damit samt Schiffspapieren in den Freihafen – mir bleibt dieser Gang glücklicherweise erspart, mir hat man keinen Passierschein ausgestellt. Ein weiterer Besuch bei jener Hafenbehörde, die für den Teil des Hafens zuständig ist, in dem wir liegen, diverse Telefonate mit anderen Behörden – dann wieder die Mitteilung, dass Slava nun doch nicht Lotse sein könne, kurz darauf die Richtigstellung, dass er dieses gewichtige Amt sehr wohl ausfüllen kann – so vergeht Tag auf Tag. Wir geben an Bord einen Empfang für alle beteiligten Inspektoren. Die Stimmung ist gut, es fließt reichlich Wodka. Ein Vertrag mit der Murmansk Shipping Company steht noch aus. Im Büro von Sergeij ist ein junger Anwalt, der mit uns den Vertrag unterzeichnen soll. Der Vertrag ist zweisprachig in Englisch und Russisch abgefasst. Es gibt Übersetzungsfehler, inhaltliche zudem, der Vertrag wird immer wieder geändert, und wenn er dann endlich unterzeichnet ist, wird er in einer oberen Etage der Murmansk Shipping Company wieder verworfen. Als wir endlich auf die Reise gehen, ist die endgültige Version immer noch nicht gefunden, aber alles ist tausendmal unterschrieben und gestempelt – keiner blickt mehr durch, am allerwenigsten offenbar der smarte Anwalt, dem seine Chefs ständig in den Rücken fallen.

      Am 27. Juli um 09:30 Uhr kommen endlich Zoll und Grenzschutz an Bord, um uns auszuklarieren. Um 10 Uhr kommt der Hafenlotse dazu und um 10:45 werfen wir die Leinen los. Ich kann es kaum glauben, aber offenbar dürfen wir endlich – nach zwölf Tagen Bürokratenmarathon – los. Wieder geht es vorbei an Atom U-Booten der Marke KURSK, an der verbotenen Stadt, an Schiffswracks und einer ansonsten harmlosen nordischen Fjordlandschaft. Endlich beginnt die Reise durch die Nordostpassage.

      Als Abschied geben wir eine Bordparty, bei der die offiziellen Vertreter der Murmansk Shipping Company sowie der Verwaltung aus Moskau Gäste sind. Es gibt reichlich zu essen und – wie immer in Russland – reichlich Vodka.

      Im Zentrum von Murmansk machen wir an einer Pier fest. Hinter uns liegt die VAGABOND des Franzosen Eric Brossier. Sie warten schon seit fünf Wochen auf eine Genehmigung.

      Um uns die Wartezeit zu vertreiben, angeln wir mit den Offizieren Dorsche, während Elise sie schlachtet und ausnimmt.

      Sturm

      und Eis

      KARASTRASSE

      •

      70° 28‘ N; 58° 13‘ E

      05

      Zwischen dem Wort und der Tat liegt das Eis.

      Die Wolkenbank, die sich drohend hinter uns aufbaut, verheißt nicht Gutes. Vorsichtshalber binden wir ein Reff ins Großsegel, fieren das Groß ein wenig auf und behalten die Front, die hinter uns aufzieht, im Auge. Als die Bö uns wenig später trifft, sind wir dennoch von der Heftigkeit überrascht. Der Windmesser zeigt 35 Knoten, gleich drauf 40 Knoten – wir haben viel zu viel Segel oben. »All hands«, brüllt jemand in den Niedergang runter, die DAGMAR AAEN holt weit über, der Großbaum taucht ins Wasser und pflügt gewaltige Fontänen auf. Ich luve an, um in den Wind zu gehen, rufe Katja, Achim und Markus zu, den Klüver zu bergen, jetzt muss alles schnell gehen. Die Manöver sind unzählige Male durchgeführt, jeder Handgriff sitzt – aber das Segel bewegt sich nicht. Der Klüver lässt das Schiff trotz Ruderlage wieder abfallen, die Krängung ist jetzt so stark, dass die Backskisten auf Backbordseite überspült werden. Irgendein Stagreiter klemmt oder das Fall – ich kann es von achtern nicht erkennen. Die Vorschiffleute werfen die Schot los, das Segel schlägt wie wild, bewegt sich aber dennoch nicht. Ich falle wieder ab, gehe vor den Wind. Irgendwie gelingt es schließlich, den Klüver zu bergen, gleich darauf binden wir zwei weitere Reffs ins Groß, die DAGMAR AAEN stabilisiert sich und wir laufen bei nunmehr reduzierter Segelfläche vor dem Wind ab. Aufregende Momente, die uns die behäbigen Hafentage von Murmansk endgültig austreiben.

      Das sind die Nachteile eines gaffelgetakelten Kutterriggs. Die Segelfläche des Groß ist enorm, hinzu kommen der schwere Baum und die Gaffel. Wenn der richtige Zeitpunkt zum Reffen verpasst ist, wird ein Reffmanöver immer zu einer sehr ernsten Angelegenheit. Vor der Erneuerung des Riggs hatte ich daher durchaus daran gedacht, das Schiff als Schoner oder Ketsch umzutakeln. Kleinere Segelflächen verteilt auf zwei Masten lassen sich in jedem Fall leichter handeln und man kann bei schlagartig wechselnden Wetterlagen schneller reagieren. Es spricht tatsächlich vieles dafür.

      Aber auch wenn es vielleicht bisweilen unpraktisch ist, das Rigg eines Gaffelkutters ist einfach ästhetisch und schön. Und zudem bringt es Spaß, mit einer eingespielten Mannschaft dieses Schiff zu segeln.

      Die Zeichen bleiben weiterhin auf Sturm stehen. Unter dreifach gerefftem Groß und der Fock laufen wir fast 7 Knoten, das Schiff zieht unverdrossen weiter Richtung Osten. Strecktaue werden an Deck gespannt, der defekte Stagreiter am Klüver ausgewechselt, Tauwerk aufgeschossen und durchnässte Kleidungsstücke im Maschinenraum zum Trocknen aufgehängt. Der plötzliche Wetterumschwung hat auch sein Gutes: Plötzlich ist Murmansk in weite Ferne gerückt.

      Noch immer zeigen die Eiskarten dichtes Eis im Bereich der Karastraße, jener Meeresenge, die die Barentssee von der Karasee trennt. Jugorski Shar, südlich der Karastraße gelegen, ist noch total blockiert. Würden wir zu früh in die Karastraße einfahren, hätten wir nichts gewonnen. Im Gegenteil! Wir würden im Eis herumlavieren, Material und Nerven strapazieren und dennoch nicht schneller vorankommen, als wenn wir die Jahreszeit für uns arbeiten lassen. Mit Gewalt lässt sich in diesen Breiten nichts erreichen.

      Die Durchfahrung der Nordostpassage ist unter anderem deshalb so schwierig, weil es ganz klar definierte Schlüsselstellen gibt, die man zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erreichen beziehungsweise passieren muss. Ist man zu früh, kommt man nicht durch und hängt im Eis fest. Ist man zu spät, kann man vielleicht noch diese eine Stelle passieren, dafür aber nicht mehr die nächste, weil sich das Eis dort schon wieder geschlossen hat. Und von solchen Stellen kann die Nordostpassage gleich mit einer ganzen Handvoll aufwarten: die Karastraße, das Nordenskiöld-Archipel, Kap Tscheljuskin als der Knackpunkt schlechthin, die Dmitri-Laptev-Straße, das Ayon-Eis sowie die als Schiffsfriedhof berühmt-berüchtigte De Long-Straße. Zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sein – das ist unsere Strategie.

      Genau um diese Möglichkeit hatte man uns bei unserem letzten Versuch im Jahre 1994 gebracht. Indem man uns in Providenija festhielt, konnten wir diesen eng

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