Die Umrundung des Nordpols. Arved Fuchs

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Die Umrundung des Nordpols - Arved Fuchs

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ich mich mit den vorgeblich letzten bürokratischen Hindernissen herumärgere, genießt Katja ein paar stille Stunden in der fantastischen Fjordlandschaft Norwegens.

      Fototermin auf dem Vorschiff mit der gesamten Crew.

      Das idyllischee Anwesen von Gerd Schwalenstöcker auf Haakøy. Hier machen wir Crewwechsel und treffen letzte Vorbereitungen.

      Beim Held

      der

      Sowjetunion

      MOSKAU

      •

      55° 45’ N; 37° 37’ E

      03

      Mit »five drops of Vodka« wird in Russland traditionell der gelungene Abschluss eines Gesprächs begossen.

      Drei Wochen zuvor. Ich bin wieder hier. Obwohl ich mich seit fünfzehn Monaten mit kaum etwas anderem beschäftigt habe als mit der Planung und Vorbereitung für meine neue Expedition nach Sibirien, obwohl ich diesen Tag herbeigesehnt habe, an dem ich endlich in Moskau die Genehmigungen für das Projekt in Empfang nehmen kann, bin ich voller Selbstzweifel und innerlich aufgewühlt.

      Schweigend und eiligen Schrittes gehe ich neben meinem Freund Slava Melin durch die sonnendurchfluteten Straßen Moskaus. Es ist heiß, und mir läuft der Schweiß den Rücken runter. Die ungewohnte Krawatte fühlt sich um meinen Hals an wie ein Strick. An einer Hausecke sehe ich auf einer übergroßen Anzeigetafel neben Werbung ein digitales Display: Es zeigt 41 °C an.

      Moskau hat sich verändert. Zehn Jahre sind es her, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin. Damals herrschte Winter, und die kalte, trostlose Witterung passte bestens zu dem tristen Grau der Häuserfassaden. Wer die Anlage zur Schwermut in sich verspürte, kam hier voll und ganz auf seine Kosten. Wie oft hatte mich Slava in der Zwischenzeit wieder eingeladen, ihn zu besuchen: »Du musst einfach kommen, das Land ist nicht mehr das gleiche, das du in deiner Erinnerung trägst.« Immer wieder hatte ich teilweise unter fadenscheinigen Ausflüchten abgesagt – ich hatte einfach keine Lust dazu, mochte es ihm aber nicht so deutlich sagen, weil ich fürchtete, ihn damit zu verletzen. Eine unnötige Vorsichtsmaßnahme. Slava kennt mich viel zu gut, um den wahren Grund nicht längst erahnt zu haben.

      Aber er hat Recht gehabt! Der Flugplatz Sheremetyevo II mag noch der Gleiche sein, aber die veränderte Welt beginnt unmittelbar nach der Passkontrolle: Eine Verkehrsdichte wie auf dem Champs-Elysées, Werbetafeln an jeder Ecke, junge Frauen, die elegant und bisweilen ein wenig schrill gekleidet sind, Häuser frisch renoviert, Ruinen abgerissen, neu erbaute Gebäude, denen man ansieht, dass damit nicht ein staatliches Plansoll erfüllt werden sollte, sondern dass Architekten wohl überlegt und geplant haben. Eisverkäufer haben Hochsaison, die Cafés sind voll belegt, in einem öffentlichen Brunnen baden ausgelassen Kinder. Heerscharen von Touristen aus aller Herren Länder belagern geduldig das Eingangstor zum Kreml, und Laienschauspieler schreiten ganz ungeniert und würdevoll in der prunkvollen Robe der letzten Zarenfamilie über den Roten Platz – in unmittelbarer Nähe des Mausoleums von Wladimir Illitsch Lenin. Geschieht ihm recht! Während bei meinem letzten Besuch noch eine schier endlose Schlange von Besuchern vor der Gruft wartete, um dem verblichenen und seither kunstvoll konservierten Revolutionär ihre Aufwartung zu machen, wartet der wächserne Korpus heute vergeblich auf Besucher. Das Mausoleum ist geschlossen und nur an wenigen Tagen geöffnet. Das öffentliche Interesse hat offenbar nachgelassen.

      Ein Stück weiter stoßen wir dann doch noch auf eine kleine Anhängerschar von ihm. Rote Fahnen mit Hammer und Sichel, über Megafon werden markige Reden gehalten. Ich verstehe zwar kein Wort, aber gerade deshalb ist vielleicht meine Beobachtungsgabe intensiver. Die Zuhörer sehen eher desinteressiert aus, blinzeln bisweilen gelangweilt in die Sonne, drehen sich um und gehen weiter.

      Unweit des Roten Platzes holt uns dann doch ein Stück des alten Russlands wieder ein. Wir queren gerade einen Platz, als wir von zwei jungen Polizisten angehalten werden. Da ich kein Russisch verstehe, kann ich nur ahnen, um was es geht. Rein äußerlich heben wir uns dank unseres Anzuges und der Krawatte nicht von anderen Geschäftsleuten ab, deshalb ist Slava erstaunt, wie es zu dieser Kontrolle kommt. Unsere Pässe werden überprüft und an Slavas Tonfall kann ich eine zunehmende Verärgerung spüren. Erst als er in schneller Folge einige Namen nennt und auf das nahe gelegene Gebäude der Duma, dem russischen Parlament, weist, erhalten wir unsere Pässe zurück und dürfen unseren Weg fortsetzen. Slava ist zornig. Die Polizisten hatten ihn gerade darüber aufgeklärt, dass sich jeder russische Staatsbürger, der nicht in Moskau wohnhaft ist, bei einem Besuch in der Stadt bei der Polizei anmelden muss. Ein Ding der Unmöglichkeit. Slava hat geschäftlich ständig in Moskau zu tun, auch wenn er rund 200 Kilometer entfernt lebt. Sich jedes Mal anmelden, hieße stundenlanges Warten auf irgendwelchen Polizeistationen, Fragen beantworten, Formulare ausfüllen – so etwas kann sich auch im Russland von heute kein Geschäftsmann mehr leisten. Außerdem ist die Bestimmung verfassungswidrig! Jeder weiß das hier, einige Polizisten halten sich dennoch daran, sehr zur Verärgerung der Bevölkerung. Und alle leben mit dem Widerspruch. Eine Änderung ist derzeit nicht in Sicht.

      Das mächtige Gebäude der Duma liegt jetzt unmittelbar vor uns. Wir haben einen Termin, wir werden erwartet. Für Menschen wie uns, die nicht dem Diplomatischen Corps angehören, dürfte es eher die Ausnahme sein, dass man Zugang zum russischen Parlament erhält oder sogar von höchster Stelle aus eingeladen wird. Der Vizepräsident der Duma, Arthur Chilingarov persönlich, hat uns einbestellt, und es war eben auch dieser Name, der die beiden Polizisten von einer weiteren Untersuchung abgehalten hatte. Der Name wiegt schwer in Moskau, wir treffen hier nicht auf irgendeinen Politiker. Slava, der einige Male hier gewesen war um Papiere abzugeben, war bislang lediglich bis zur Security gelangt, wo man ihm dann die Papiere abgenommen und weitergeleitet hatte. Heute hingegen erwartet uns ein Assistent von Herrn Chilingarov, der den Sicherheitsbeamten mit einem Wink zu verstehen gibt, dass sie uns passieren lassen können. Ihr Blick ist allen Security-Beamten und Bodyguards, die ich kennen gelernt habe, eigen. Es wohnt eine gewisse Form der Leere, der Kälte, der Wachsamkeit und der absoluten Distanz in ihm. Aber das muss wohl so sein.

      Wir werden von dem Assistenten per Handschlag begrüßt, zu einem Lift geführt und wenige Momente später und einige Etagen höher in einen getäfelten Raum geleitet, dessen Wände wie eine Fotogalerie mit Motiven aus der Arktis und Antarktis geschmückt sind. In der Ecke läuft ein Fernseher, in dem gerade das Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen die USA zu sehen ist – ich habe kaum einen Blick dafür.

      Dieser Raum ist zumindest für einen Politiker ungewöhnlich. Wir werden höflich gebeten hier zu warten und nutzen die Gelegenheit, uns die Bildergalerie anzusehen. Arthur Chilingarov mag ein wichtiges politisches Amt innehaben – seine große persönliche Leidenschaft gehört jedoch seit Jahrzehnten der Erforschung der Polarregionen. An wie vielen Expeditionen er direkt oder indirekt mitgewirkt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber bereits 1989 hatte ich seinen Namen in der Antarktis gehört, wo er als Schirmherr einer internationalen Expedition geführt wurde. Herr Chilingarov ist nicht irgendjemand, er ist der letzte Held der Sowjetunion und eine Institution in allen Bereichen und Belangen der Polarforschung.

      »Geduld – ein großes Wort und eine Tugend, die in Russland zur Grundausstattung eines jeden Reisenden gehören sollte. Wer glaubt, dass man mal so eben die Hoheitsgewässer Russlands durchqueren kann, irrt gewaltig.«

      Man kommt nicht so einfach an einen Mann wie Arthur Chilingarov heran. Monatelang hatte Slava bei allen zuständigen Behörden versucht, eine Genehmigung für unsere Expedition zu bekommen.

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